Ein glücklicher Tag

Kürzlich ist mein neues Buch „Glückssache“ im polamedia Verlag erschienen. Die wieder einmal sehr bunte Anthologie umfasst Essays, Kurzgeschichten und Gedichte sowie Fotografien der schönsten, melancholischsten und glücklichsten Art. Einige trainieren auch die Lachmuskulatur – und das nicht zu knapp! Und so manche lassen auch ein Tränchen sprießen … Meine Geschichte – Ein glücklicher Tag – möchte ich hier mit euch teilen – natürlich nicht ohne den Hinweis, dass ihr das Buch auch kaufen könnt, nämlich HIER. Vielleicht sucht ihr ja noch ein Weihnachtsgeschenk. Danke für eure Aufmerksamkeit! 🙂

Das Cover zum Buch „Glückssache“ – Klick auf das Bild öffnet Verkaufslink

Ein glücklicher Tag

Der Wecker schrillt. Es ist sieben Uhr dreißig. Und wieder ist ein neuer Tag angebrochen. Das geht so schnell. Viel zu schnell, wenn man mich fragt. Tut man wohl aber nicht. Und selbst wenn: Es würde ja doch nichts ändern. Ich könnte mich auf den Kopf stellen oder sonst etwas tun. Einen kurzen Moment denke ich darüber nach, den Wecker an die Wand zu werfen, damit er mich niemals wieder so unsanft weckt. Ich höre schon das Scheppern. Sehr wahrscheinlich aber würde ich mir damit nur ein Eigentor schießen, denn irgendwer muss schließlich den ganzen Schrott wieder einsammeln und wegwerfen. Und das würde dann wohl ich sein. Also, wie auch immer: Augen zu und durch. Die Bettdecke zurückgeschlagen – und brrr, prompt wieder eingekuschelt. Mann, ist das kalt da draußen! Und noch so ungemütlich dunkel. Herbst eben. Eigentlich ist das gar keine Zeit, um aus dem Bett zu steigen. Ich suche nach weiteren Ausreden, murre, um dann doch meinen inneren Schweinehund zu überwinden und aufzustehen.

So arbeite ich denn von früh bis spät, bin viel unterwegs. Habe hier ein Gespräch, dort einen Termin. Und ein Pressefoto muss ich auch machen. Und schon ist es Mittag. Zwischen zwei Terminen geht es schnell nach Hause. Ein bisschen ausruhen, danach zwei oder drei Artikel schreiben. Und ein paar andere Geschichten liegen auch noch in der „Pipeline“. Aber: Arbeit muss sein, zum Glück macht sie mir Spaß. Und also schreibe ich, als gäbe es kein Morgen! Natürlich stimmt das nicht immer. Gerade zum Beispiel schreibe ich ein Wort ganze drei Mal hintereinander – aus Versehen natürlich – und fluche leise vor mich hin. Wo bleibt die Konzentration? Wohl immer noch nicht ganz wach. Gähnen. Tatsache.
Keine Lust auf Mittagessen. Hunger habe ich aber. Hastig stopfe ich mir eine Scheibe Vollkornbrot mit Käse in den Mund, etwas Ketchup drauf. Lecker. Und noch eine Stulle. Hab ich wohl doch Lust. Ich nippe am heißen Kaffee. Verbrenne mir die Lippen. Mist! Schreibe weiter. Noch ein Wort, noch eine Phrase – mühsam nährt sich die Journalistin. Grinse triumphierend und setze mich aufrecht hin: Hahaa, Artikel eins ist fertig, der zweite folgt auf dem Fuße. Ja! Geschafft! Dann schaffe ich bestimmt auch noch einen dritten heute! Na, wollen mal nicht übertreiben, immerhin wartet noch ein Buch darauf, lektoriert zu werden. Blick aus dem Fenster des Arbeitszimmers. Dort draußen in einem großzügigen Gehege lebt unser Hausrehbock Heinrich. Die Vermieter kümmern sich um ihn, seit seine Mutter im Frühjahr von einem Auto überfahren wurde. Sie haben ein großes Herz. Heinrich galoppiert staunend herum: Jede Menge Bäume, viel Platz, noch sattes Grün – zumindest bis zum Winter. Dann wird er sicher eine Krippe bekommen. Winterromantik baut sich in meinem Kopf auf. Ich sehe Lichterketten und einen Kamin vor mir, trage bequeme Kuschelsocken und gehe im Schnee spazieren … Oh Gott, ich glaube, ich brauche schon wieder eine Pause. Anscheinend funktioniert mein Hirn nicht richtig.

Vierzehn Uhr. Neuer Kaffee, neues Glück: Ich habe Lust auf eine Reportage über Indien. Über einen Tag im chaotischen und lauten Delhi, über die Zeit, die dort nie stillzustehen scheint und überhaupt ganz relativ ist. Ich fühle mich zurückversetzt in meine Reise: einen Monat Nordindien. Vieles habe ich gesehen: fremde Menschen und ihr Leben, die stolzen Sikh mit ihren wunderschönen, farbenfrohen Turbanen, unzählige Tempel, das Riesenmausoleum Taj Mahal, den Himalaya … Das ist erst einige Wochen her, aber es ist noch ganz präsent in meinem Kopf … Ich beginne zu träumen und schlafe fast ein. Das Fenster muss auf, frische Herbstluft rein. Aaaah, tut das gut. Das nenne ich mal Sauerstoff! Diese Luft gibt es nicht in Indien. Und auch nicht in Mexiko oder Afrika … Ja, zu Hause ist es wohl doch am schönsten.

Es ist nach achtzehn Uhr. Eigentlich müsste ich mich noch an das Buch wagen … Oh. Der Süße kommt nach Hause. Ich springe auf und renne ihm entgegen. Ein bisschen müde sieht er aus. Ein harter Tag? Er nickt. Gut, ich mache auch Feierabend. Wir kuscheln uns ein bisschen aneinander, reden über unseren Tag getrennt voneinander, aber in Gedanken doch nah beieinander.
Achtzehn Uhr dreißig: Es wird langsam dunkel hier auf dem Land. Der Liebste und ich gehen joggen – an einem Fluss entlang, der sich liebevoll „Hase“ nennt – und bis zu einem Ort, der Quakenbrück heißt. Sein Wahrzeichen: ein Frosch. Ich muss laut lachen. Zuvor haben wir lange in Berlin gelebt, dies hier ist jetzt unsere neue Heimat … Schön ist sie, die Landschaft, und eigentlich hat sie eine Hommage in Literaturform verdient. In Gedanken produziere ich einen Bildband … Eine Stunde laufen wir, dann geht es zurück nach Hause.

Fast zwanzig Uhr. Wir kochen uns etwas Schönes: ein Steak mit grünen Bohnen. Wir reden und lassen noch einmal den Tag Revue passieren.
Einundzwanzig Uhr: Ich schnappe mir ein Buch, den neuen und total spannenden Jussi Adler-Olsen. Mit dem dänischen Thriller marschiere ich ins Badezimmer, lasse die Wanne volllaufen, zünde mir Kerzen an. Ich tauche in das heiße, nach Fichtennadeln duftende Wasser ein. Nichts geht über ein Gesundheitsbad! Auf dem Hocker neben der Wanne steht ein Glas Rioja. Der Liebste schaut im Wohnzimmer ein Fußballspiel mit seiner Lieblingsmannschaft. Plötzlich jubelt er. Da ist wohl gerade ein Tor gefallen! In meinem Buch geht es ans Eingemachte! Ich versinke bis über beiden Ohren im Wasser und ziehe entsetzt die Augenbrauen hoch. Mann, ist das spannend! Ich erschrecke mich total, als der Süße mit seinem Bier ins Bad kommt, um mit mir anzustoßen. Wasser spritzt umher, er wird nass, wir lachen. Dreiundzwanzig Uhr fünfzehn: Wir gehen ins Bett, kuscheln uns in die bunte Bieberbettwäsche ein, lesen noch ein bisschen. Der Liebste verschlingt die Seiten eines Buchs von Frederic Forsyth. Er sieht so konzentriert, richtig sexy dabei aus. Ich grinse und denke nach über das, was ich hier gerade vor meiner Nase habe: reines Glück. Ich möchte nichts verändern an meinem Leben. Es ist wunderschön so, wie es gerade ist. Ich brauche nicht weiter über das Glück nachzudenken, weil es direkt neben mir liegt.

3 Gedanken zu „Ein glücklicher Tag“

  1. Coralita, es wäre ja lustig, wenn es jetzt zustande kommt, wo du „Sooooo“ weit weg bist. Als du noch in Berlin wohntest, hatte ich das mal anvisiert – aber leider kam es nicht zustande.
    Gern, wenn es klappt. – Mit Gruß von mir

  2. Liebe Clara,

    Du hast recht: Ich sehne mich dann und wann nach Berlin, aber das ist ganz unabhängig von meinem derzeitigen Glück – Gott sei Dank! 🙂 Und ja, ich bin an und zu in der Hauptstadt meines Herzens. Verwandte und Freunde leben dort. Wenn es wieder einmal soweit ist, wollen wir dann einen Kaffee trinken gehen?

    Herzliche Grüße,
    Coralita

  3. Hallo, Coralita, hier beschreibst du ja dein neues Leben nach Berlin in kurzen, treffenden Worten: „Ich möchte nichts verändern an meinem Leben. Es ist wunderschön so, wie es gerade ist. Ich brauche nicht weiter über das Glück nachzudenken, weil es direkt neben mir liegt.“ – Dann ist ja wohl die Sehnsucht nach Berlin, wie du sie bei mir angedeutet hast, Gott sei dank nur temporär und schnell wieder vorüber. – Wie weit ist es denn bis Berlin? Und hast du noch Anlaufpunkte, damit du bei zu großer Sehnsucht doch mal kommen kannst?
    Herzliche Grüße schickt dir Clara

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