Freundschaft

Du liest den Titel und weißt sofort, dass ich jetzt von Dir erzählen werde, dass ich bestimmt nur Dich meinen kann. Ganz kurz durchfährt Dich ein Schauer, heftig wie ein zartes Erschrecken. Du erkennst jetzt ein bisschen aufgeregt, dass tatsächlich Du der Mensch bist, von dem ich schreibe.

Ich mache es kurz, um Dich nicht in Verlegenheit zu bringen, denke ich, und doch weiß ich, dass es Dir keineswegs etwas ausmachen würde, schriebe ich hier selbst unter expliziter Nennung Deines Namens einen Roman über unsere Freundschaft.

Ich blicke in Dein Gesicht, das manchmal offen ist wie ein Buch. „Nimm‘ meine Hand“, möchte ich sagen „und geh‘ mit mir bis ans Ende dieser Welt.“ Doch ich sage es nicht, denn viel zu abgedroschen sind diese Worte, und viel zu oft benutzt wurden sie von menschlichen Lippen. Ich denke es leise in mich hinein, und doch hämmern die Worte fordernd gegen meine Schläfen. Sie verlangen, dass man sie herauslasse: „… Und wenn nicht bis an das Ende dieser Welt, so doch wenigstens bis an das Ende des nur für uns sichtbaren Horizonts…“.

Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar, hat er einmal geschrieben. Er, der Mann, das Kind – Antoine. Er hat es gelebt, das Wesentliche… Und auch Du kümmerst Dich wenig um das, was andere von Dir denken, für was sie Dich halten könnten.

Du kannst mit Deinem guten Herzen nicht nur Dinge sehen, Du machst, dass auch andere das Wesentliche sehen. Du willst protestieren und sagen: „Aber ich bin doch gar nicht immer so gut!“. Und dennoch: Du bist für mich der kleine Prinz. Ich bin voller Freude, Dich in meinem Leben zu wissen.

An einem Sonntag im November…

… endete – zumindest für dieses Jahr – im Berliner Friedrichstadtpalast eine Revue von Thomas Münstermann mit dem schlichten und dennoch nicht wenig klangvollen Namen Rhythmus Berlin. Es handelte sich sozusagen um die „Saisonderniere“.
(Mein ehemaliger Professor würde mich jetzt, hätte er diesen Begriff statt meiner gebraucht, verschmitzt lächelnd anschauen und eigentlich mehr sich selbst als mich fragen: „Habe ich hier etwa einen neuen Terminus kreiert?“ Ein Jahr nach meinem Abschluss stelle ich gerade fest, dass er mir tatsächlich ein bisschen fehlt.
)
Eine Saisonderniere also, die ich mir nicht entgehen ließ.

Rhythmus Berlin, am 2. März 2007 erstmals aufgeführt, erinnerte mich stark an die Revue Glanzlichter, die im September letztmalig lief. Wieder mit von der Partie – und inzwischen aus Revuen auch nicht mehr wegzudenken – war die berühmte Girlreihe mit noch immer 32 hübschen Mädchen, ihren 64 mehr oder weniger langen Beinen, bunten, kurzen und natürlich hauteng anliegenden Kostümchen – die kleineren Frauen außen, die größeren in der Mitte. Faszination präponierter Applaus: Kaum hatte die Gruppe die Bühne betreten, brach auch schon ein tosender Applaus los, der sich – angesichts soviel geballter weiblicher Attraktivität – mit anerkennenden Pfiffen und bewunderndem Raunen mischte.

Auch das Todesrad mit den Brüdern Ray und Rudy Navas-Velez und ein paar andere Akrobatikeinlagen wurden wieder varieteartig in die Show integriert, doch das Hauptaugenmerk lag auf den Rhythmen – oder präziser: auf einem Rhythmus, der sich aus den verschiedenen facettenreichen Großstadtrhythmen zu einem gewaltigen, explosiven Rhythmus zusammenfassen lässt. Ich vermute, diese Beschreibung liegt in der Intention der Macher. Schade, denn hier hatte ich doch tatsächlich mehr Rhythmus als Performance erwartet.

Wie bei Glanzlichter wurden Effekte, Musik, Tanz und Gesang mit einer jungen „Liebesuchgeschichte“ (erneute – und diesmal weniger indirekte – Grüße an Sie, verehrter Prof. Stein!) verbunden.

Zwei junge Menschen (Besetzung: Nathalie Tineo und Fabrizio Levita), zwei einsame Herzen, begegnen sich während einer Spätvorstellung im Kino, ihre Blicke treffen sich, die Liebe trifft sie wie der Schlag. Doch sie trauen sich nicht, sich aufeinander zuzubewegen. Nach der Vorstellung gehen sie zögernd auseinander. So schnell, wie sie sich begegnet sind, verlieren sie einander auch aus den Augen. Fortan ziehen sie wie in Trance durch die Metropole.

Er – ein attraktiver und erfolgreicher Fotograf, sie – ein schöner und renommierter Star, und doch sind sie beide erfüllt von einer unbestimmten Sehnsucht, die für sie der Start einer – wenn auch nur in Ansätzen erahnten – Bewahrheitung ihrer Träume bedeutet. Auf ihrer Suche nach einander lernen sie außergewöhnliche Charaktere auf Bahnhöfen, in Clubs, Parkanlagen und auf Straßen kennen, doch die gewünschte Begegnung in dem ewig geschäftigen Treiben Berlins bleibt aus. Vorerst…

Für das Genießen dieser Revue ist es nicht notwendig zu erfahren, ob die beiden jungen Menschen zueinander finden werden: Rhythmus Berlin ist nicht nur eine Liebeserklärung eines Mannes an eine Frau und umgekehrt, sondern vielmehr an die einzigartige, „große, neue, alte Stadt Berlin“.

Nicht zuletzt spielt hier die Zeit eine wesentliche Rolle. Immer wieder rückt sie in den Vordergrund des Interesses, wird in Akrobatik-, Tanz- und Gesangsnummern thematisiert – als wesentliches Element der Darstellung der niemals ruhenden, immer hektischen Metropole Berlin.

In der Pause hatte ich kurz das Gefühl, ein ungefähres Déjà-vu zu Glanzlichter, ja wenn nicht sogar ein Déjà-entendu zu erleben. Ein aufwändiges Bühnenbild jagt das nächste, eine beeindruckende Illumination folgt gleich auf eine andere. Für mich war die ganze Show eine geballte Reizüberflutung, doch deshalb keinesfalls sinnlose Effekthascherei. Ästhetisch ohne Frage, doch hätte eine dezentere und gezielter Einsetzung eine weitaus höhere Wirkung auf mich erzielen können.

Dennoch ist die Revue ein Spektakel für Augen, Ohren und Gefühl: Grandios war eine Einlage mit einem kelchartigen Wasserbecken, das gerade zwei Leuten Platz zum darin sitzen bot. Das transparente und bis zum letzten Viertel mit Wasser aufgefüllte Becken war einige Meter unterhalb der Decke mit drei Ketten fixiert. Zwei Künstler boten hierin eine atemberaubend schöne, teilsynchrone und zu Tränen rührende „Liebestaumeltanzperformance“ zu träumerischer Musik dar.

Faszination Friedrichstadtpalast: Einst eine Markthalle, hat er sich inzwischen zu einem wahren „Marktplatz der Sensationen“ entwickelt. Und nicht nur Professor Stein, sondern ganz bestimmt auch Egon-Erwin Kisch, wären jetzt sehr stolz auf mich.

Theater im Blog oder: Wie werde ich glücklich?

In der aktuellen Wochenendausgabe einer meiner Lieblingszeitungen, der Süddeutschen Zeitung nämlich, findet sich ein Artikel mit dem Titel „Kunst oder Leben! – Theater im Blog oder Wie werde ich glücklich?“. Geschrieben hat ihn der Regisseur, Autor und Journalist Rainer Stephan. So weit, so interessant. Ich lese also – und stocke. Lese noch einmal. Denn wer kommt darin vor? Die Coralita. Ich lese weiter – und staune. Vielleicht werde ich sogar ein bisschen rot, wie gut, dass das niemand sieht. Herr Stephan nimmt tatsächlich Bezug auf meinen Blog! Er macht sich das fehlende Interesse am Kulturellen im Allgemeinen – und hier im Speziellen des Theaters – in der Bloggerlandschaft zum Thema. So schreibt er unter anderem:

Über alles, was Menschen aus welchem Grund auch immer interessiert, wird im Internet geredet. Der Umkehrschluss daraus hieße: Worüber in den mittlerweile zahllosen Internet-Blogs nicht geredet wird, interessiert auch keinen Menschen. Das Theater zum Beispiel: Es gibt kaum ein Thema auf der Welt, das in den virtuellen Meinungsaustauschbörsen derart selten auftaucht.

Anschließend kommt er darauf zu sprechen, dass im Grunde niemand mehr Blogeinträge zum Thema Theater zu „würdigen“ weiß und diese ob des Desinteresses unbeachtet – und unkommentiert – lässt. Als Beispiel führt er meine Theaterrezension zum Henrik-Ibsen-Stück Hedda Gabler an. (Über diesen Aspekt hatte ich mir selbst bereits zu anderer Zeit und andernorts Gedanken gemacht. Es ist nicht nur das Theater an sich, sondern es sind auch andere Arten der „älteren Zerstreuung“, die bei den Menschen – damit sind insbesondere die jüngeren gemeint – immer weniger auf Interesse stoßen: Lesen zum Beispiel oder klassische Musik.

Danke, Coralita! Ohne dich wäre das Theater mittlerweile mausetot. Seine Überlebensprognose sieht dennoch ziemlich finster aus.

Ich bin ergriffen, stolz und ein bisschen peinlich berührt sogar. Aber die Freude siegt letztlich, ich bin dankbar.
Nur den von Herrn Stephan angefügten Link zu meinem (alten) Blog gibt es nicht mehr. Wer die Rezension zu Hedda Gabler lesen möchte, kann das jetzt HIER tun. Und wer den vollständigen Artikel von Rainer Stephan unter die Lupe nehmen möchte, klickt bitte auf den Screenshot hier:

Süddeutsche Zeitung vom 20./21. Oktober. Teil: WOCHENENDE, Seite 2

Leben mit Jungs