27 Cent

Freitagabend. Wochenende! Noch schnell was einkaufen. Im Zeitraffer angele ich mir die Dinge, die ich brauche und haste zur Kasse. Nur nicht länger aufhalten als nötig. Ein junger Mann im Jogginganzug (aber dafür mit toller Ray Ban-Sonnenbrille!) steht vor mir und packt gemächlich seine Produkte auf das Laufband. Er schnauft und ist verschwitzt. Ein bisschen dicklich ist er. Steht ihm aber gut.

„Ich hab nur 15 Euro dabei“, sagt er zur Kassiererin. „Ob das reicht?“
Abschätzend wirft das brünette Mädchen einen Blick über seine Einkäufe. Sie kräuselt den Mund dabei zu einer Rosette. „Ja, ick denk schon. Und wenn nich, kommt die Milch eben weg, wa?“ Sie lacht laut auf und schaut mich an, als suche sie nach Verbündung. Ich grinse und finde das auch wirklich komisch.

Piep, piep, piep – Die Verkäuferin zieht Produkt über Produkt über den Scanner. Kartoffeln, frisches Gemüse, Fleisch … sieht gut aus. Morgen koche ich auch mal wieder. Das nehme ich mir jetzt fest vor. Steak oder so.

„15 Euro 27 bitte.“
„Och nee! Ich hab doch echt nur 15 Euro mit. Genau 15. Mehr nicht. Ich war gerade laufen, und da …“
„Na, nu ma ruhig mit die jungen Pferde. Geh’n Se morgen wieder hier einkaufen?“
„Wie bitte? Ja …“
„Na, denn reichen Se die 27 Cent eben morgen nach!“ Ein Strahlen huscht über ihr Gesicht.
Sein Strahlen ist größer. „Wow, echt? Danke! Sie sind ein Schatz!“
Und dann folgt die für diese Art Dialog typische Phrase.
„Ick weeß …“ Nur eben auf Berlinerisch.

Wo auf der Welt wird einem noch etwas geschenkt?, frage ich mich. Und freue mich.
So fängt es doch gut an, das Wochenende.

11 Gedanken zu „27 Cent“

  1. Hallo!

    Danke, ihr Lieben, für eure – zum Teil sehr weisen! – Kommentare.
    Mir zuckte es auch wirklich schon um die Mundwinkel.
    Und beinahe hätte ich gesagt, dass ich die 27 Cent gern beisteuere.
    Doch dann kam eben alles anders – so wie das im Leben nun einmal ist. 🙂

    Diese Episode hat sich übrigens im Prenzlauer Berg zugetragen! 😉

    Liebe Frau Momo, Deine Geschichte gefällt mir sehr gut- vor allem die Antwort der Mutter. Die war bestimmt total überfordert und wollte nichts lieber, als dass ihr Sohnemann ausreichend zu futtern hat. Da hast Du ihr quasi fast das Leben gerettet. 🙂

    Ich begrüße ganz explizit auch alle „Neulinge“ in meinem Blog und wünsche euch allen eine tolle Woche!

    Herzlich,
    Coralita

  2. Ich hab mal diese Geschichte erlebt:

    Ich war bei A** einkaufen… vor mir Mutter und Sohn mit einem rappelvollen Einkaufswagen. Sohnemann packt auf´s Band, Mutter kramt nervös ihr Geld zusammen ob´s wohl reichen wird.
    Kurz der Kassierin gesagt, sie hätte nicht mehr als 100 Euro dabei…. kein Problem sagt die, ich seh ja hier immer die Summe.
    Sie zieht die Ware rüber, Muttern guckt ängstlich. Am Ende kommt irgendwas krummes bei raus und Muttern fehlen 45 Cent….. Sie fängt schon an zu überlegen, was sie wohl dalassen kann, aber irgendwie scheint ihr das so gar nicht zu behagen.

    Fragt mich nicht, was mich da geritten hat, aber ich sage zu der Frau, soll ich Ihnen vielleicht 50 Cent schenken???
    Sie guckt völlig verdattert… das würden Sie tun… das ganze Essen ist für meinen Sohn, der gleich wieder nach Österreich fährt, weil er dort studiert. Ich frotzel noch, ob´s da nichts zu essen gibt.
    Und beide erzählen mir, wie teuer Österreich sei..

    Also Mutter und Sohn ziehen zufrieden von dannen…. die Kassierin sagt zu mir, Sie sind aber nett… das macht nun wirklich nicht jeder.
    Ich komme nochmal an Mutter und Sohn vorbei… die beiden bedanken sich noch mal bei mir und ich witzel noch so rum, ich unterstütze doch gerne den Akademischen Nachwuchs und sage zu dem jungen Mann, ich sei selber Akademikerin, aber aus mir sei nix geworden, er solle es besser hinkriegen.

    Da guckt die Mutter mich an und sagt zu mir… oh doch, aus Ihnen ist sehr viel geworden, rein menschlich gesehen.

    Nette Geschichte, oder?

  3. Dieser überraschende Ausgang tut wirklich gut, liebe Anja.

    Da können sich viele eine Scheibe abschneiden – und nicht nur Kassiererinnen, bei denen man es ja noch verstehen könnte, weil sie für die auf den Cent stimmende Kasse verantwortlich sind. Aber auch wir anderen sind manchmal unnötig kleinlich – und nicht nur in Geldangelegenheiten. Mehr Großzügigkeit würde uns allen gut tun – und da schließe ich mich ganz bewusst mit ein. Wir können uns da bestimmt eine Scheibe abschneiden und hören dann vielleicht auch öfter mal den Satz: „Du bist ein Schatz!“ Wäre es das nicht wert?

    Herzlichen Dank für diese schöne Geschichte!
    Jürgen

  4. Liebe Coralita,

    heute bin ich auf deinem Blog gelandet und freue mich sehr darüber, da gibt es ja „einiges“ zu entdecken und dafür werde ich mir am kommenden Wochenende etwas mehr Zeit nehmen, auch für deine Fotogalerie. Einfach schön.

    Bei dieser Geschichte dachte ich auch spontan, dass du dem Jogger die 27 Cent geschenkt hättest. Doch da ich an das Gute in allen Menschen glaube, habe ich mich über „diesen“ Ausgang der Geschichte ganz besonders gefreut.

    Danke dir !!! Und bis bald.

    Von Herzen
    Doris

  5. Herzerfrischend! Nur mal rein berlintechnisch gefragt: Eher Prenzelberg oder eher Frohnau? Oder ist der/die Berliner/in inzwischen in beiden Teilen zu so viel Menschlichkeit in der Lage? Würde mich freuen!
    Schöne Grüße hinterlässt Clara und verbrennt immer noch keine Fotos

  6. Jetzt hatte ich erwartet, dass die Kassiererin kein Minus in der Kasse haben wollte und du ihm die 27 Cent geben würdest. Ich hätt es auch getan! 🙂

    ..grüßt dich Monika

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