Zusammen auf einer Scholle: Brüder unter sich

„Deiner ist auch schön!“ (oder: Brüder unter sich)

Wer Söhne hat, weiß: Es ist einfach immer etwas los. Im Alltag mit den Bengelchen dreht sich so ziemlich alles – oder zumindest sehr vieles – um Dinosaurier und Drachen, Roller und Rennautos, Stöcker und Steine. Meist ist es laut. Sehr laut. Jungs furzen um die Wette. Oder rülpsen. Oder popeln. Oder noch „krasser“ …

Hätte mir gegenüber früher jemand behauptet, das Leben mit „nur“ Jungs sei lauter und wilder als mit „nur“ Mädchen (oder nur einem Sohn in der Familie), hätte ich mir womöglich an den Kopf getippt und gesagt: „Na, das kannst Du doch so nicht sagen, das ist doch viel zu pauschal!“ Hätte mich wohl ein bisschen ereifert. 
Heute mit zwei kleinen Rackern im Haushalt weiß ich: Doch. Genau so kann man das wirklich sagen. Jungs sind miteinander vor allem: laut, schnell und wild. Ja, Mädchen können das natürlich auch sein, immerhin war ich selbst einmal eines, das auf Bäume kletterte und mit dem Fahrrad durch die Gegend düste. Und dazu noch eine ältere und eine jüngere Schwester hatte. 
Dennoch ist es anders mit Jungs. Vielleicht beschreibe ich einfach mal ein paar so typische „Jungssituationen“, die beleuchten, was genau ich damit meine. 

„Und dann siehst Du, wie der Ninja wegrennt und drauf springt und einfach losfliegt!“ P. steckt eine Lego-Ninjago-Figur auf seinen selbstgebauten Drachen, steht mit dem Konstrukt auf und lässt es herumrennend durch die Luft sausen. Dabei macht er laute Pfeif- und Zischgeräusche, ich sehe förmlich die Spucke durch die Luft fliegen. „Eeeey, das gildet nicht! Der Drache hat doch ein krankes Bein!“, empört sich da brüllend mein viereinhalbjähriger Sohn K. „Macht nichts, er kann aus dem Stand abheben, ääätsch!“, triumphiert da der Siebeneinhalbjährige. Der Jüngere regt sich jetzt mächtig auf. „Nein! Das darf der nicht! Der Ninja darf außerdem gar nicht fliehen, der ist verhaftet und sitzt noch im Gefängnis!“ K. zieht energisch P.s Holzschwert, das fast so groß ist wie er selbst. Hier mische ich mich dann doch ein und bitte ihn, vorsichtig damit umzugehen. Jetzt ruft er „doofe Mama!“ und ist kurz davor, loszuweinen. Oh oh … „K., guck mal“, rettet P. schnell und wirklich gekonnt die Situation. „Der Drache kracht gegen einen Baum. Bamm!“ Stille. „Der Ninja steigt ab und fällt fast um, und Du kannst ihn wieder festnehmen.“ Jetzt lächelt K. Und wischt sich die Rotze mit dem Pulloverärmel ab. „Der hat jetzt ’ne Beule!“ Jetzt kichern beide und vertiefen sich wieder in ihr Lego-Abenteuer.

Eine Weile später unterhalten sie sich angeregt über den Kindergarten und die Schule. Die Themen: Freunde, Spiel und Spaß. Ich schnappe auf: „Der R. ist zwar noch schneller als ich, aber dem zeige ich es noch. Der hat ja viel längere Beine!“ Und ich höre K.: „Im Kindergarten haben wir mal eine Stöckerhöhle gebaut, und der doofe N. hat sie kaputt gemacht.“ Es sind Dinge, die sie gerade beschäftigen, Momente, die sie miteinander teilen. Schön, wie sie sich austauschen … So friedlich. 
Es ist auf einmal ruhig geworden. Verdächtig still. Ich habe das an meinem Schreibtisch sitzend gar nicht so richtig mitbekommen … 

Wo. Sind. Die. Jungs? Ich ahne Abenteuerliches. Und mache mich auf die Suche – höre Stimmen aus dem Gästebad. Ich lausche an der Tür. Ausnahmsweise. Klar. Sowas macht man ja eigentlich nicht. Was ich da höre, bringt mich jetzt aber derart zum Lachen, dass ich schnell in die Küche rennen und mir die Hand auf den Mund pressen muss, damit sie mich nicht erwischen. 
Was sagte da eben der Größere noch gleich zum Kleineren? „K., Dein Pullermatz ist echt hübsch.“ K. antwortete stolz: „Ja, stimmt. Deiner aber auch!“ Gekicher. Etwas später klopfe ich an die Tür, da lassen sie im Waschbecken aus halbierten Weinkorken und Zahnstochern gebastelte Zwei- und Dreimaster segeln.

Zwanzig Uhr: Der Papa kümmert sich um P., ich mache K. bettfertig. Die beiden teilen sich ein großes Zimmer mit Dachschrägen unter dem Reet. Nach dem Zähneputzen liest jedes Elternteil jeweils einem Kind eine altersgerechte Gute-Nacht-Geschichte vor. 
Auf einmal springt K. auf: „Ich habe P. noch keinen Kuss gegeben!“ Das war irgendwie nie richtig Thema bei den beiden. Von Beginn an verlangten wir Eltern auch nicht, dass sich der „Große“ um den „Kleinen“ kümmert oder dass sie sich abends zu umarmen oder gar zu küssen hätten. 
K. steht auf, rennt zum Autobett von P. Ein Schmatzer auf den Mund. Dann: „Gute Nacht, P.“ Auf dem Weg zurück zu mir und in sein Bett, ertönt es aus P.s Ecke: „K.?“ Der hält inne, blickt zurück. „Hm?“ P. grinst. „Du bist mein bester Freund.“

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