Er ist um die siebzehn Jahre alt. Gedankenverloren sitzt er da auf dieser Steinmauer. Er wirkt traurig. Ihm zur Linken eine blühende Wildkirsche. Ein absurder Anblick ist das. Er hält ein Foto in der Hand. Ich beobachte ihn eine Weile aus der Ferne. Minutenlang starrt er auf das Bild. Ein kurzer Blick zu mir, er hat mich entdeckt. Er ist traurig. Mutig gehe ich auf ihn zu und setze mich neben ihn. Irgendetwas sagt mir, dass er nicht allein sein möchte. Sonst wäre er auch gar nicht hier.
Auf dem Bild ist eine junge Frau zu sehen. Ein mittelblonder Pferdeschwanz, ein freches Gesicht mit Sommersprossen – vermutlich aus dem vergangenen Sommer.
„Sie ist so schön.“ Eine Träne kullert ihm über das Gesicht. Er wischt sie schnell weg und schaut mich zaghaft an. Dann brennt sich sein Blick regelrecht in meine Augen.
„Es tut so weh!“ Er sagt es so, als wäre ich sie. Als wäre ich schuld daran. Richtig zornig sieht er aus.
Ich zucke zusammen. „Ja, das tut es immer. Vor allem dann, wenn es wirklich schön war.“ Ich weiß nicht richtig, worum es geht, ahne es nur. Verlegen wackele ich mit den Beinen.
„Stör ich Dich?“
„Das war es. Schön war es, mein ich.“ Er zieht das erste Wort besonders in die Länge. „Nein, störst nicht. Sie hat ’nen Neuen. Ich fühl‘ mich so ausgetauscht … so beliebig. Verstehst?“
Ich nicke.
Er redet, unaufhörlich. Ich sitze einfach da und höre zu.
„Weißt, am schlimmsten sind die Erinnerungen. Erinnerungen, die ich hab und die sie vielleicht gar nich hat. Oder nich mehr haben will.“
Ich schweige weiter. Es gibt nichts Passendes zu sagen. Er hat recht.
Er redet, eine halbe Stunde höre ich ihm zu. Nicke, lächele, bin traurig.
Ich klopfe ihm sanft auf die Schulter. „Das wird wieder. Glaub mir.“
Dann muss ich leider los.
Hallo Cora,
selbst das Zuhören muss gelernt sein! Und dafür wird er Dir dankbar sein.
Ich habe auf Deinen Kommentar geantwortet: Die Antwort.
Liebe Grüße aus dem Südwesten ;o)
Kai