Lachen ist die beste Medizin

Ich muss zu einer ungemütlichen Untersuchung ins Krankenhaus. Magenspiegelung. Wahrlich nicht schön. Da gibt es sicher Besseres – naja, aber auch Schlimmeres. Trotzdem habe ich Unbehagen. Wie auch nicht. Es gibt wohl keinen Menschen, der das gern über sich ergehen lässt.

Als ich mit meiner Liege in das Vorbereitungszimmer geschoben werde, warten da bereits zwei alte Männer auf die Spiegelung. Sie scheinen sich keine Sorgen zu machen. Sie lachen sogar über irgendetwas, während ich mich halb verrückt mache und mir vorstelle, in welche Windungen meines Inneren dieser circa einen Zentimeter dicke Schlauch gehen wird – bis in den Dünndarm runter. Wah. Ich höre lieber auf mit dem Vorstellen.

Ich kriege einen Gesprächsfetzen zwischen den beiden Herren mit.
“ … Jaja, so hat man dann hin und wieder auch mal seinen Spaß. Aber wer lacht, soll ja angeblich länger leben.“
Kurzes Schweigen.
„Jaaaa“, so der andere etwas zögerlich, „aber anders herum ist es ja auch so, wer lange lebt, hat mitunter nicht viel zu lachen.“
Wieder Schweigen. Dann lachen beide ihr sympathisches Altherrenlachen.
Ich lache einfach mit.

Lächeln und Lachen halten jung und gesund – Zeichnung (c) Franziska Kuo

Du bist „the real shit“ – sei stolz drauf!

Liebe Sarah Kuttner,

man kennt Dich als die Quasselstrippe der Nation. Immer heiter, immer froh, immer etwas labernd, egal wo, egal wann. Ich habe heute Dein Buch gelesen, Du weißt schon, Mängelexemplar. In einem Rutsch habe ich das getan, weil es gar nicht anders ging. Weil vieles von dem, was ich da in Form von gedruckten Buchstaben vorfand, mich dermaßen an mich selbst und mein Leben vor einiger Zeit erinnerte.

Ich konnte Dein Buch gar nicht zur Seite legen. Es war mein Begleiter auf dem Klo, beim Sitzen auf der Parkbank (wo ich mir fast den Allerwertesten abgefroren habe) und dann wieder am Schreibtisch. Ja, sogar da. Dein Buch hat mich nämlich gefesselt, weil es so anders ist als Du. Dachte ich bis heute. Aber ihr zwei, ihr seid euch ähnlicher, als Du Dir einzugestehen wagst.

Ich schaue mir abends sogar Interviews aus den Zeiten an, als Dein Buch erschienen war. Du antwortest nur zweideutig. Du, die sonst immer schlagfertig ist und drauf los plappert. Unbedarft. Aber genau das ist es ja …

Wovor hast Du eigenlich Angst, liebe Sarah? Vor der Öffentlichkeit, die Panikanfälle und Angstzustände noch immer weitgehend tabuisiert oder was? Scheiß da mal drauf, die Öffentlichkeit erfährt – und sie vergisst auch wieder. Ein großer Moloch, der verschlingt, was ihm vor die Augen kommt. Und in ein paar Jahren quatscht kein Mensch mehr davon. Wovon auch immer.

Also – unter uns: von wegen Protagonistin! Damit bescheißt Du doch nur Dich selbst. Inzwischen bin ich mir sicher, dass Du das Buch autobiografisch geschrieben hast. Woher kannst Du als Angstlaie – noch dazu warst Du u30, als Du angefangen hast, das Buch zu schreiben – wissen, was eine Tavor ist?

Gute Recherche? Deine beste Freundin ist depressiv? Deine Mama, die Dich früher geohrfeigt hat und die im Roman plötzlich so schön auf Dich acht gegeben hat? Von wegen! Nein, dieses Buch hast Du geschrieben, weil Du wahrscheinlich ein Tagebuch verfasst hast, als es Dir so dreckig ging. Und dann hast Du ein Buch daraus gemacht – und es in größtenteils humoristische Worte verpackt. Ich finde das gut! Anders würde ich das auch nicht machen. Das meine ich ernst. Und ich habe es bereits getan – nur anders, in meinem „Berlin“-Buch.

Quark, sagst Du? Ich kenne Dich doch gar nicht? Stimmt. Und doch bin mir ganz sicher, dass Du eine Depression durchlebt hast. Warum? Darum. Glaub mir einfach. Und es ist ja auch keine Schande. Das Thema ist sogar zu einer Normalität geworden, wie wir sie im Fernsehen und in den Medien allgemein entdecken können: flächendeckend, fleckenbehaftet, skrupellos, selbstmitleidig (nur dann und wann), unkontrolliert, hyperventilierend, atemnötisch, bestialisch, angsteinflößend eben. Aber das ist Quatsch. Das kriegt man wieder in den Griff. Mit guten Gedanken – und vielleicht ein paar Pillen, die manchmal wirklich Wunder wirken, Tavor eingeschlossen.

In Mängelexemplar berichtest Du von einer jungen Frau Mitte oder Ende 20, die es „voll erwischt“ hat. Aber nicht etwa im verliebten Sinne, sondern mit voller Wucht hirnstoffwechseltechnisch. Sie rast mit ihrem Wagen die Angst- und Panikautobahnen dieser Welt entlang, greift dann und wann zu einer Tavor. Das ist ein angstlösendes beruhigungsmittel, das tatsächlich ein bisschen stumpf macht – habe ich mir sagen lassen. Haha. Die beste Freundin.

Sarah, Du bist enttarnt. Aber: Ich liebe Dein Buch!
Deine Coralita

Für K. H., die gerade Ängste durchmacht. Alles wird gut.