An alle da draußen mit mindestens zwei Kindern: Kennt ihr das auch? Es gibt Tage, an denen gehen eure Geschwisterzwerge durch Dick und Dünn, spielen harmonisch und tief versunken in ihr Abenteuer miteinander – ein Bild für die Elterngötter.
Und dann – oh weh! Dann wiederum gibt es diese Zeiten, in denen sie streiten. Das reimt sich jetzt nicht nur, es ist generell unheimlich anstrengend und kräftezehrend, das als Erwachsene(r) möglichst gelassen durchzustehen.
Heute muss es unbedingt Grün sein
„Jetzt bin ich aber dran mit dem grünen Glas!“ P. runzelt die Stirn und schaut mich richtig verärgert an. „Gestern hatte es K., jetzt krieg ich das mal!“ Dies ist nur eine von gefühlt hunderttausenden Kabbelei-Szenen am Tag – vom Morgen bis zum Abend.
Wer bekommt welches Trinkgefäß? In welchem ist mehr Inhalt? Haben beide auch haargenau die gleiche Anzahl an Apfelschnitzen? (Und wehe, einer hat einen größeren …)
Oder die gleiche Anzahl an Gummibärchen in den gleichen Farben? („Mamaaa, P. hat einen roten mehr, ich will auch noch einen davon!“) Manchmal ist das wahrlich zum Haareraufen. (Vor allem dann, wenn noch Beschwerden hinzukommen wie: „Iiih, nee, der ist auf den Boden gefallen! Den mag ich nicht mehr!“)
Da ist ein gehöriges Maß an Gelassenheit gefragt – die ich aber nicht immer vorweisen kann.
„Ordnung und Dissssziplin“
Weiter geht es mit Fragen wie: Wer ist zuerst mit dem morgendlichen oder abendlichen Umziehen dran? Wer bekommt als Erster die Zähne geputzt? Bei uns muss alles „seine Ordnung“ haben.
P. zitiert da gern die Kinderbuchfigur Käpt’n Sharky: „Bei uns herrschen Ordnung und Dissssziplin!“ Und immer, wenn er das sagt, muss ich lachen; es klingt einfach zu süß.
Süß ist aber nicht, wenn einmal irgendetwas durcheinanderkommt. „Du nicht! Ich bin jetzt dran!“ Einer läuft mindestens zweimal am Tag (zugegeben, das ist stark untertrieben) schreiend oder heulend durch die Gegend, wenn er sich mal wieder ungerecht behandelt oder gar ungeliebt fühlt. What a drama.
Liebe, Anerkennung und Streicheleinheiten
Ich versuche, mich an meine eigene Kindheit zu erinnern: Ich war acht Jahre alt, als meine jüngere Schwester geboren wurde. Eigentlich ist dies ein Alter, in dem ein Kind schon viel Verständnis für so ein Baby aufbringen kann. Aber ach! Was war das schrecklich. Dieses haarlose Wesen an der Mutterbrust und überhaupt immer an ihr dran. Ich wollte auch mal auf den Arm!
Stattdessen: Meine Mama, die nur noch herumlief, um Geschrei abzumildern oder stinkende Windeln zu wechseln.
Und ich? War irgendwie in den Hintergrund gerückt. Aber: Ich habe noch eine ältere Schwester, und auch für die musste ich oft zurückstecken. So empfand ich es damals jedenfalls. (Dass meine Mutter ihr Allerallerbestes für uns alle gab, weiß ich heute natürlich anders und besser zu schätzen. Danke, Mama.).
Und haben wir als Kinder mit Geschwistern nicht immer dieses Gefühl? Vom Unwichtiger-als-der-oder-die-andere-sein? Und mal ehrlich: Haben wir es als Erwachsene im Alltag denn wirklich so gar nicht mehr? Brauchen wir Großen nicht immer wieder auch ein Maß an Bestätigung, an Anerkennung, an Liebe und Streicheleinheiten? Umso wichtiger ist Verständnis. Sich-Einfühlen.
„Der Klügere gibt nach?“ Lieber nicht.
Was ich mir in meinem persönlichen „Doppelmamasein“ schnell abgewöhnte: Schiedsrichterin sein zu wollen – und Sätze zu sagen wie „Der Klügere gibt nach“. Da sind heftigere Streitereien und Rivalitäten doch doppelt vorprogrammiert, oder? Man überlege sich einmal, wie parteiisch so etwas anmutet: „Du bist doch älter als er, gib doch einfach mal nach!“
Stattdessen versuche ich, die Jungs noch in meiner eigenen Ungeduld und Genervtheit möglichst empathisch zu fragen:
„Was können wir denn tun, damit es allen wieder besser geht und wir alle bitte wieder zufrieden sind?“
Lösungen müssen her, nicht noch mehr Stress. Meiner Erfahrung nach führt es sogar zu einem größeren Zusammenhalt unter unseren beiden Strolchen. Aber: Wir sind alle Menschen, und ganz klar: Das Ruhigbleiben gelingt eben nicht immer.
„Nein! Erst kommt er dran, dann ich!“
Es ist Abend. Die Kids werden für die Nacht vorbereitet. Ich möchte eben noch duschen, der Papa ist dran mit Umkleiden und co. „Nein, Papi, K. ist doch abends zuerst!“
Fragt der Vater dann mal nach einer „Ausnahme“ und möchte statt des Älteren den Jüngeren zuerst umgezogen wissen, weil dieser noch so in ein Spiel versunken ist, gibt es auch da ein kleines Drama.
„Das machen wir immer so. Ich wäre sauer an K.s Stelle.“
Aha. Da haben wir es wieder: Ordnung und Disziplin eben. Und … Einfühlen! Alles also ein wichtiger Lernprozess – eben auch das Streiten.