Er ist einfach mein Lieblingsitaliener. Weil er dieses original italienische, gehetzte Ambiente versprüht – und das mitten in Berlin. Wegen der karierten Tischdecken. Auch wegen des günstigen, aber unglaublich leckeren Hausweins. Vor allem wegen der Grantigkeit der italienischen Kellner. Und nicht zuletzt wegen der leckeren Pizza: Il Casolare in Kreuzberg.
Eine bessere Pizza als dort habe ich bisher nur im Sorrent in Süditalien gegessen. Das war 2002. Und dann wieder 2003. Pizza so groß wie ein kleines Wagenrad, belegt mit allerlei frischen Köstlichkeiten. Büffelmozzarella. Basilikum. Reife, saftige Tomaten und prosciutto crudo. Den Duft und das temperamentvolle Gerede in der Restaurantküche in den Bergen – unbeschreiblich. Eine riesige Eistruhe in der Ecke des ristorante. Kinder aus Großfamilien, die um Tische laufen. Ich versinke in Erinnungen und hole mir den Duft der Pinien zurück in die Nase …
„Mann! Du hast doch echt nicht alle Tassen im Schrank!“ Eine laute weibliche Stimme hinter mir.
Meint sie etwa mich? Ich drehe mich um. Sie sitzt am Tisch hinter mir. Der arme junge Kerl neben ihr ist knallrot im Gesicht.
„Sorry, ich hatte eben noch so lange zu tun …“
„Drei Stunden lang!“ Sie lacht vollkehlig.
Nicht alle Tassen im Schrank haben. Wo kommt denn dieser Spruch nun schon wieder her? Ist er entstanden, weil jemand zu dumm war, Tassen in einen Schrank zu stellen ohne sie zu zerdeppern? Oder weil man sie alle verschusselt hat?
Nicht alle Tassen im Schrank. Die Redewendung – über die jeder weiß, was sie bedeutet, aber kaum jemand, wo sie herkommt – stammt angeblich aus dem Jiddischen. Sie leitet sich vom Substantiv toshia (= Verstand) ab. Ähnliche Wendung: eine trübe Tasse sein.
„Zu tun!“ Sie keift. „Drei Stunden lang ohne Bescheid zu sagen? Du kannst mich mal. Du hast echt nicht alle Tassen im Schrank!“
Sie steht auf, rennt an meinem Tisch vorbei – und verlässt das Lokal. Ein Windhauch auf meinen Armen. Er trabt hinterher.
Camerota/Kampanien (Süditalien, 2003)
Jahrelange Erinnerung an eine Pizza? Könnt ich nicht. Aber es gibt ein Pana Cotta, an das ich immer wieder gerne zurück denke. Mein Lieblingsitaliener ist vor 4 Monaten bei mir eingezogen:-)
Wenn Sie es leiser gesagt hätte, würde ich die Frau ohne weiteres unterstützen. Aber das Lokal darüber zu informieren, dass Sie sauer ist, find‘ ich blöd! Kein Wunder, dass Frauen als schwierig beschrieben werden.
Grantig find ich auch nicht gut, aber wart ihr schon mal im Bayrischen Hof? Die Unterwürfigkeit dort ist einfach nur unappetitlich. Versucht es mal, das sind ganz neue Dimensionen. In sofern ist grantig immer noch besser; so kann man auch grantig zurück sein und steigt in der Achtung des Personals.
LG, Ursula
Liebe Coralita,
da bekomme ich ja richtig Lust auf Pizza, grantige Kellner und Rotwein. Am liebsten mit Dir!
Kann mir das so richtig vorstellen. Danke, für die Studie der Redewendung, find ich super.
So….mit deiner schoenen Geschichte im Kopf gehe ich nun Pizza essen… 😉
Liebe Grüße
Alice
Aber Hut ab, drei Stunden in ’nem Restaurant warten – wer macht denn sowas?
Mmhh, aber wenn ich mir Qype anschaue, na ich weiß nicht. Das erinnert mich so ein bisschen an die Osteria N° 1, ein furchtbarer Laden, wobei, wahrscheinlich hängt das von der Tagesform der Pizzatruppe ab.
..Irgendwo liegt der Hund begraben. 😉
Selbst dem Italiener seines Vertrauens sollte man nicht wirklich trauen.
(Nachdem Analog-Käse-Schlonz nachwievor tonnenweise hergestellt und verhökert wird.)
Mein Vertrauen ist vollend dahin. (Tiefkühlpizzamampf kommt mir a priori nicht in die Stube!)
Da bleibt nur eins – SELBERMACHEN.
(Mehl – Wasser – Hefe – Salz – Olivenöl. Mit etwas Übung wird die Teigfertigung
zum Kinderspiel. Man muss nur wollen. 😉
Saludos! (Hoch die Kabatassen! ;-D
Ich verfolge Deinen Blog jetzt schon etwas länger… Bei diesem Post musste ich nun endlich ein Kommentar los werden. Ich liebe Italien und ich war ebenfalls 2002 dort. Es war wohl die beste Reise meines Lebens und ich bin seither wirklich viel rum gekommen :)) – wahrscheinlich lag es auch daran, dass ich mit sehr lieben Menschen in Italien war und ich zudem noch sehr jung *lach*
Danke für den Reminder. Mach weiter so. Dein Blog gefällt mir unglaublich gut..
Ich finde es schön, dass Du die Redewendungen, die so weit verbreitet sind, und deren Ursprung so wenige Menschen kannen, hier erklärst.
Ich war schon mal auf der Suche nach einem Buch mit eben diesen Erklärungen, inzwischen finde ich (wenn ich denn danach suche) meistens die Erklärung im Internet, Wikipedia z. B.
Ich hoffe die Pizza hat Dir trotzdem geschmeckt, ich meine trotz des lauten Wortwechsels am Nebentisch.
Was ich nicht verstanden habe, wieso gefällt Dir das Lokal weil u. a. Kellner grantig ist?
Ich persönlich mag keine grantigen Kellner.
LG
Agnes
Ich befüchte, dass sich der Spruch
– du hast nicht alle Tassen im Schrank
ebenso auf etwas bezieht, von dem es zwar viel gibt aber nicht alles vorhanden (fehlerhaft aka fehlend) ist, wie
– er hat nicht allen Nadeln an der Tanne
– sie hat nicht alle Latten am Zaun
oder ganz allgemein
– er/sie/es hat sie nicht alle
„sie“ ist einfach variabel ergänzbar.
– nicht alle Platten im Schrank
– nicht alle Blumen im Kasten
– nicht alle Socken im Korb
Was auch immer … Da oben sind sie wieder: Die Pinien! Allein dafür hat sich mein Kommen schon gelohnt! *thx
Ich wünsche Dir einen unschlagbar zauberhaften Abend! ;o)
Liebe Grüße, skryptoria/skriptum
Grantige Kellner sind mir übrigens lieber als solche, die sich arrogant geben …
Hallo Agnes,
ja, die Pizza schmeckt mir dort immer. Da ist es ganz egal, was um mich herum passiert. (Naja, es gibt schon einige wirklich unangenehme Vorstellungen, aber die Aufführung erspare ich uns hier mal …). 😀
Ansonsten: grantig – in Verbindung mit temperamentvoll, ehrlich und schnell. Nicht überfreundlich. Das mag ich nicht. Das hängt mir schnell zum Hals raus. 😉
LG,
Coralita
Oh ja, mir auch. Und wenn sie dann noch schnell sind und nicht lange fackeln … perfetto! 😉