Ein Leben mit Söhnen ist anders als ein Leben mit Töchtern? Das mag sein. Andererseits ist jedes Kind ein Individuum und somit schon an sich ‚anders‘; Verallgemeinerungen sind mir fremd, aber Tendenzen gibt es in meinen Augen so einige. Ich habe einmal eine Reihe von „wahren und unwahren Klischees“ aus meinem eigenen Zusammenleben mit dem männlichen Geschlecht zusammengetragen. Viel Spaß beim Lesen – und überseht bitte nicht das Augenzwinkern zwischen den Zeilen. (Dies ist eine Kolumne und keine wissenschaftliche Arbeit.)
1. Stellt euch auf laut und lebhaft ein
„Bitte seid etwas leiser!“ Ich weiß nicht, wie oft ich diesen Satz während meines bald neunjährigen Mamaseins bisher gesprochen – oder vielmehr: gebrüllt – habe. Ihn zu sagen oder zu rufen ist in etwa so effektiv wie … Nein, wir wollen es nicht vergleichen. Denn das Gefühl des Nicht-Erhörtwerdens ist unvergleichlich grausam, vor allem für meine Ohren. Jungs, Kinder, müssen ja laut sein – sage ich mir dann –, um sich zum Bespiel „ihren Platz in der Nahrungskette“ zu erarbeiten. Mein Verständnis ist da, gute Nerven leider manchmal nicht. Und was mache ich, wenn es mir zu bunt wird? Dann wechsele ich den Raum – oder besser gleich die Etage.
2. Jungs lachen über Gase
Ein Klischee? Leider nicht. Es ist die reine Wahrheit – zumindest bei uns zu Hause. Wenn der Achtdreivierteljährige laut rülpst, kriegt sich der Fünfdreivierteljährige vor Lachen nicht mehr ein. Es ist ein Gekicher und Gegacker sondergleichen. Das Gleiche gilt für Mundgeräusche, Körpergeräusche, Fürze jeder Art. (Das erinnert mich spontan an meine Kindheit und diesen einen Freund. Kennt ihr das Spiel „Furz anzünden“? Nicht? Besser so.)
3. Jungs vergleichen ihre Schniedel
Ist so. Und wird vermutlich immer so sein und so bleiben. Was sagte vor einer Weile gleich noch der Größere zum Kleineren? „Dein Pullermatz ist echt hübsch.“ – „Ja, danke. Deiner aber auch!“ Mehr gibt es dazu eigentlich gerade nicht zu sagen.
4. Jungs sind „körperlicher“
Ja, körperlich sind Mädchen auch, ich weiß. Ich bin ja selbst eins. Und was war ich für ein Wirbelwind, der mit Ästen durch den Wald rannte und auf Bäume kletterte. Ich meine jetzt aber diese ganz spezielle „Körperlichkeit“, die Jungs da an den Tag legen. Sie raufen, rangeln miteinander und reißen sich zu Boden. Sie „kämpfen“ (und dabei ist es egal, ob sie jemals mit Kampf-Thematiken in Berührung kamen oder nicht), um dann kuschelnd und ineinander versunken auszuruhen. Wie war das noch gleich mit der Rangfolge? Jungs „klären“ manchmal auch ihre Streitereien „anders“ als Mädchen. Aber das ist wieder ein Thema für sich. Fakt ist: Jungs wollen (sich und ihre Grenzen) spüren.
5. Jungs sind sensibel
Meine zwei Buben sind meist wild und frech – und frei (und das eben finde ich wunderbar und wünsche es mir für alle Menschen dieser Welt). Ja, aber sie haben auch diese andere Seiten: die sensible. Und eine ganz loyale und aufrichtige: Sie unterstützen sich gegenseitig, verteidigen und schützen den anderen – sogar vor uns Eltern. Und sie machen sich viele tiefgründige Gedanken. Deshalb brauchen sie von uns Eltern Aussagen wie: Du darfst sein wie Du bist; Du bist auch – und gerade dann – ein ganzer Kerl, wenn Du über Deine Emotionen sprichst. Ich liebe Dich genau so wie Du bist. Et cetera perge perge.
6. Einfach immer schmutzige Kleidung
Tatsache: Es ist des Waschens kein Ende. Meine Freundin nennt es „den Kampf mit der Waschmaschine“. Und sie hat recht: Das Shirt oder/und die Hose stellen spätestens am Abend eine Art „Aktivitäten-Landkarte“ an den lebenden Objekten – meinen beiden Söhnen nämlich – dar. Was gab es heute zu essen? Wie und wo haben die Kinder gespielt? Alles abzulesen an besagter Karte. Die Hose kann er doch morgen noch mal anziehen? Kannste vergessen.
7. Autos, Dinos und Fußball
Kann sein. Muss es aber nicht. Also vor allem bei Rennautos, Rollern und Raubsauriern sage ich: Ja, hier auch. Doch der Fußball hat bei uns leider keine Chance. Da das bei vielen anderen Bengelchen aber anscheinend genetisch bedingt ist: Stellt euch als Eltern zumindest auf irgendeine Ballsportart ein (es gibt ja auch noch Badminton). 😉 Bei unseren Acht- und Fünfjährigen Lausbuben stehen zur Zeit Themen wie das Universum, Beyblade und Schach (oh – und wie!) hoch im Kurs.
8. Jungs sind „nicht so schulkompatibel“
Mein bald Neunjähriger hat eine – wohl von mir ererbte – „Sauklaue“. Belohnt wird in der Schule ja aber die „schöne und saubere Schrift“, das motorisch feine Malen. Leider kommt die Grobmotorik (das Stichwort ist hier: Kraft) da etwas zu kurz. Jungs sehnen sich nach Abenteuern. Und die bietet Schule selten. Ich bin froh, dass unser Junge wenigstens das Fach „Werken“ hat. Hier darf er hämmern, basteln, feilen, mit seinen Händen anpacken. Jungs sind meiner Erfahrung weniger bereit, zu büffeln, um tolle Note zu erhalten. Doch genau das wird dann als „schulisch faul“ bewertet. Hinzu kommt: Die Lebendigkeit, die viele Jungs ausstrahlen, empfinden viele Lehrer als störend. Mädchen werden mit ihrer ruhigeren art da als „angenehmer“ empfunden.
9. Jungs wollen kuscheln!
Bitte was? Sind es nicht immer die Kerlchen, die schreiend vor Mamas und Papas Zärtlichkeiten davon laufen? Eben nicht! Von Anfang konnte ich ihnen an Zärtlichkeiten eigentlich nie genug geben. „Mama, streichelst Du meinen Rücken?“ oder „Mama, kraulst Du meinen Kopf?: Immer wieder suchen sie meine Nähe, nehmen in unsicheren Augenblicken meine Hand oder möchten eine Umarmung. Zärtliche Berührungen setzen Oxytocin frei, ein Hormon, das die Bindung fördert. Das gilt natürlich für Jungen wie für Mädchen. Aber ich hörte schon so oft Aussprüche wie: „Schade, dass Jungs nicht so gern kuscheln.“ Und das stimmt einfach nicht. Deshalb möchte ich mit diesem Vorurteil aufräumen.
10. Bleibt locker – und entspannt
Jungs brauchen entspannte Eltern. Bei allem, was sie tun. Sie tun es nicht gegen Dich. Sie tun es einzig für sich. Wann, zum Geier, hat der Mensch eigenen begonnen, alles persönlich zu nehmen? Und wann haben wir begonnen, so ein Gewese ums Geschlecht zu machen? Entspannt euch! Bleibt locker! Kinder sind Kinder. Sie sind noch klein, sie wollen alle nur drei Dinge: Liebe, Liebe. Ach ja – und Liebe.