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Kohldampf wie nix Gutes

Sonniger Sommernachmittag. Mit einer Decke und einem Buch habe ich es mir am Ufer der Spree so richtig gemütlich gemacht. Dann und wann fährt ein Boot vorbei. Kinder spielen Fußball auf der Wiese. Zwei junge Männer in meiner unmittelbaren Nähe sind in ein Kartenspiel vertieft. Ein paar Enten watscheln vorbei. Hach ja, welch ein Idyll – und das mitten in einer Metropole.

„Ha! Gewonnen!!“ Ich zucke zusammen. Naja, vielleicht ist es manchmal auch ein bisschen laut in Berlin.
„Boah, hab ich einen Kohldampf! Aber wie nix Gutes, ey. Komm, lass uns was futtern gehen.“
Die Jungs mit den Karten packen ihre Sachen zusammen und schlendern schlaksig davon.
„Zum Asiaten um die Ecke?“
„Klaro.“ Die kurze Hose des einen hat ein Loch ausgerechnet an der hinteren Mittelnaht. Vielleicht hat er sich bei einem Umzug verhoben oder so. Ob er von dem Loch weiß?

Kohldampf haben. Wieder so eine Phrase. Hängt das mit Kohl und Dampf zusammen? Gar mit dampfendem Kohl oder mit Kohlen? Nein: Kohldampf ist aus den rotwelschen Wörtern Kohler und Dampf entstanden. Und alle beide heißen übersetzt: Hunger. Aha, dann heißt Kohldampf also Hungerhunger. Das muss also ein besonders großer Hunger sein, der einen da plagt. Und Kohldampf schieben? Man schiebt den Hungerhunger vor sich hin? Auch nicht: Schieben stammt vom rotwelschen Verb schefften ab. Und das wiederum heißt sitzen, liegen oder machen. Im Hunger „darben“ – oder so.

Mich hat er jetzt auch im Liegen und Sitzen gepackt, der Kohldampf. Aber darben muss ich Gott sei Dank nicht: Ich krame ein Brötchen aus meinem Rucksack und beiße genüsslich hinein.

Mit leichter asiatischer Küche kann man seinen Kohldampf besonders gut stillen.

Freitag den Freiern

Heute ist Freitag! Endlich. Ich mache mir Gedanken über die Herkunft des Wortes. Freitag. Nennt man diesen Tag so, weil die „Freiheit“ – nämlich das Wochenende – naht? Oder hat das Wort Freitag etwas mit freien (entspricht quasi: jemanden unbedingt heiraten wollen) zu tun?

Der Freitag ist zwar ein ziemlich oft gewählter Tag für Hochzeiten. Seinen Namen aber hat er allerdings von der germanischen Liebesgöttin Freya – sozusagen der nordgermanischen Venus. Der „Tag der Freya“, Freitag eben, entspricht dem Veneris dies, dem Venustag. (Ha! Und deswegen sagt man in Frankreich auch vendredi und in Italien venerdi.)

Der Freitag ist also seit der Antike den Liebesgöttinnen gewidmet.
Eben doch gut geeignet zum Heiraten!

Alles schick?

Beim Aufräumen einer Festplatte voller Fotografien entdecke ich das Porträt einer beeindruckenden Frau. Einer Dame. Ich habe sie vor ein paar Jahren auf einem Abiturball abgelichtet. In ihrer gesamten Erscheinung hat sie mich fasziniert. Ihr Gesichtsausdruck, ihre Kleidung und Körpersprache: Sie zog mich regelrecht in ihren Bann. Ich fand sie todschick.

Warum ist jemand todschick? Vielleicht, weil man bei seinem Anblick vor Bewunderung tot umfallen könnte? Ja, gar nicht so übel, diese Ableitung. Sie stimmt nur leider nicht: Todschick hat seinen Ursprung – schon wieder! – im Französischen. Die Phrase tout chic bedeutet so etwas wie total schick. Aha! Ja, das leuchtet ein.

Jetzt wird es richtig spannend: Nur das erste Wort des Ausdrucks – nämlich tout – entstammt der französischen Sprache. Chic hingegen stammt vom Deutschen schick ab – nicht andersherum, wie man glauben könnte!

Etwa seit dem 15. Jahrhundert bedeutete das Wort schick bei uns so viel wie von gutem Benehmen oder eben von gutem Aussehen. Und weil das Wort irgendwann als veraltet galt, gebrauchte man es hierzulande gar nicht mehr. Später allerdings kam es dann als chic aus dem Französischen wieder zu uns zurück – nachdem es wohl über die Schweiz und das Elsaß ausgewandert war.

Wieder was dazugelernt? Na dann ist ja alles schick!

Weiß, was sich schickt: todschicke Dame


Raus da, Du Wurm!

Unterwegs in der Wilmersdorfer Straße. „Druckerpatronen“ steht da auf meiner Einkaufsliste. Teuer sind die Dinger, aber was sein muss, muss eben sein. Und manchmal braucht man ja auch einen gewissen „Druck“, um anständig arbeiten zu können. Ich kichere vor mich hin ob dieses Wortspiels. Ein Lied geht mir nicht mehr aus dem Kopf. Wer hat soviel Pinkepinke, wer hat so viel Geld ... Ausgerechnet das. Was Werbung alles mit einem macht. Hoffentlich werde ich den bald wieder los, diesen Ohrwurm.

Was haben Würmer eigentlich mit Musik zu tun? Sind Ohrwürmer Würmer, die sich – sinnbildlich – tief in das Ohr graben und nicht mehr herauszukriegen sind?
Nein, Ohrwürmer sind keine Würmer, sondern Insekten, lese ich. Und sie hatten ursprünglich auch nichts mit Musik zu tun.
Man lese und staune: Würmer wurden in der Antike getrocknet und zerrieben, um dann anschließend als Heilmittel gegen Ohrenkrankheiten gebraucht zu werden.
Na, wenn’s denn hilft …

Im Laufe der Zeit jedenfalls fand das Wort (genau wie das Heilmittel) immer weniger Anwendung im Sprachgebrauch. Es wurde immer weniger verstanden und sogar mit etwas Schädlichem in Verbindung gebracht: Ohrwürmer würden durch das Ohr ins Hirn kriechen, glaubte man. So wurde es Kindern erzählt, die an Ohrenschmerzen litten. Die armen Kinder – alleingelassen mit ihren Fantasien. Dabei muss ich an meine kleine Schwester denken. Als Kind verschluckte sie einmal einen Kirschkern.
„Jetzt wächst in Dir ein Baum! Und dann kommen Zweige aus Deinen Ohren!“, so die andere Schwester.
Angstvoll heulend rannte die Kleine damals zur Mutter – und wir großen Schwestern lachten. Heute bereue ich diese Schadenfreude natürlich zutiefst!

Zurück zum Thema: Der Ohrwurm, so wie wir ihn heute kennen, wurde erst mit Paul Lincke in Verbindung gebacht. Im Jahr 1897 soll er die Melodien seiner Operette „Frau Luna“ Ohrwürmer genannt haben.

Das kann doch kein Schwein lesen!

Ich reiche dem Liebsten ein handschriftlich von mir verfasstes Schriftstück. Er liest, lächelt, liest weiter. Scheint ihm zu gefallen, was da steht. Schön schön. Doch dann bleibt er sekundenlang an einem Satz hängen. Er senkt seinen Kopf, um das Papier den Augen noch näherzubringen. Stirnrunzeln. „Das kann doch kein Schwein lesen.“ Ich kläre ihn auf, sage ihm, was da steht. Und ärgere mich über meine Handschrift. Schon in der ersten Klasse hatte ich keine sonderlich gute Note in Schönschrift. Es war zum Verzweifeln. Na, das wird wohl jetzt auch nicht mehr. Wie gut, dass da Tippen heute so in Mode ist.

Kann kein Schwein lesen … Warum sollten Schweine auch lesen können? Das ist doch absurd. Schon wieder so ein Spruch: oft gehört – und keine Ahnung, woher er kommt. Da hilft nur eins: nachschlagen. Kurz und knackig ist die Erklärung: Das kann kein Schwein lesen stammt ab von: Dat kann keen Swyn lesen. Bitte was? Oder wer? Ach so: Die Swyns aus Dithmarschen in Schleswig-Holstein waren eine sehr gebildete Familie. Man nahm sich ein Beispiel an ihr. Und wenn selbst die Swyns ein Schriftsstück nicht entziffern konnten, wollte das etwas heißen: Dat kann keen Swyn lesen! eben. Na, und diese Aussage hat sich bis in die heutige Zeit gehalten. Und kein Schwein weiß mehr, wer die Familie Swyn war.