Archiv der Kategorie: Sprache

Vom Tuten und Blasen

Nein, dies ist kein erotischer Beitrag. Sehr wohl aber ein sprachwissenschaftlicher. Und das ist ja auch nicht schlecht. Ich ärgere mich gerade über jemanden, der vom Tuten und Blasen keine Ahnung hat. Mann, könnte ich mich über den aufregen! Mache ich aber nicht, denn das bringt ja nichts – außer vielleicht dem Verlust zahlreicher wichtiger Nerven. Nein, da beschäftige ich mich doch lieber mit Sprache und gehe diesem Spruch mal auf die Spur. Vom Tuten und Blasen keine Ahnung haben.

Wir haben es schon erfahren: Viele Phrasen und Wendungen gehen bis weit ins Mittelalter zurück – so auch diese. Wir wissen auch, dass es im Mittelalter keine Alarmanlagen oder ähnliche Warnsysteme gab. Auch eine 110 in Tastenform auf dem Handy nicht. Was – oder wen – es aber sehr wohl gab, waren Nachtwächter, die nachts durch die Straßen patrouillierten und für Ruhe und Ordnung sorgten. Musste jemand vor etwas gewarnt werden, blies der diensthabende Nachtwächter in sein Horn. Irgendwie muss man sich ja bemerkbar machen.

Eine ehrenvolle Aufgabe? Sollte man meinen. Aber Nachtwächter zu sein, war zu dieser Zeit nicht besonders hoch angesehen. In den Augen der Menschen gehörte nicht viel zu diesem Beruf: umherlaufen und ins Horn blasen, das konnte schließlich jeder. Und wer nicht einmal dazu fähig war, der galt als ganz besonders dumm, der hatte eben vom Tuten und Blasen keine Ahnung.
So ist das bis heute geblieben.

Jetzt geht es mir schon viel besser. Sprache hilft bei Unmut meist.
Ich wünsche allen ein erholsames Wochenende!

Haben Ahnung vom Tuten und Blasen: Musiker bei der Probe

Am Riemen gerissen

Sie ist aufgeregt. Hat richtig Angst. Ich versuche, meine Freundin mit Worten ein bisschen aufzumuntern: „Na komm, reiß dich nur noch ein kleines bisschen am Riemen, dann hast Du es hinter Dir. Du packst das!“ In der kommenden Woche hat sie ihre Abschlussprüfung.

Jemandem Mut zuzusprechen ist ganz löblich, finde ich. Aber warum sagt man in solchen Kontexten eigentlich sich am Riemen reißen? Das klingt doch irgendwie total bescheuert.

Reißt sich jemand am Riemen, diszipliniert er sich. Er nimmt sich zusammen, strengt sich an, kneift die A****backen noch einmal richtig zusammen. Das wissen wir ja schon. Und der Ursprung? Geht auf das Militär zurück.

Saß der Gürtel (der Riemen) einer Soldaten-Uniform beim morgendlichen Appell nicht ordnungsgemäß, musste sich der betreffende (und betroffene) Soldat im wahrsten Sinne des Wortes am Riemen reißen. Er musste seinen Gürtel in die vorgeschriebene mittige Position bringen.

Meine Freundin wird ihre Prüfung mit Sicherheit bestehen. Sie ist nämlich eine der Besten. Und das auch ganz ohne Gürtel.

Lernen

Mein lieber Scholli

Kennt ihr eigentlich Ferdinand Joly? Nein? Ich auch nicht. Persönlich schon mal gar nicht. Na, inzwischen weilt er ja leider auch nicht mehr unter den Lebenden. Schon lange nicht mehr …

1783 flog Ferdinand Joly von der Salzburger Universität und zog danach als Dichter, Sänger und Schauspieler durchs Land. Ihm war total egal, was andere von ihm dachten. Er zog sein Ding durch, lebte sein Leben, wie es ihm in den Kram passte.

Prima. Und auch wirklich sehr interessant. Aber: Warum berichte ich von diesem unbekannten Mann, der tat, wonach ihm der Sinn stand? Ich finde ja eigentlich nicht ihn sonderlich beeindruckend. Und uneigentlich? Ist er der Namensgeber einer ganz bekannten – und von mir geliebten – Redewendung: Mein lieber Scholli (= Joly).

Diese Redewendung gebrauchen wir heute, wenn wir erstaunt oder empört sind. Damals verwendete man sie, wenn man fand, dass jemand Flausen im Kopf hatte oder den Boden der Tatsachen nicht einmal annähernd berührte. Und so jemand war eben dieser Ferdinand Joly …

Auch aus dieser Kategorie: Mein lieber Schwan.

Mir schwant da was!

Allerhöchste Eisenbahn

Ich bin spät dran. Gleich kommt meine Bahn. Zeit für die nächste habe ich nicht; sie kommt erst wieder zehn Minuten später. Hastig stopfe ich noch ein paar Unterlagen in meine Umhängetasche und verlasse die Wohnung. Die Tür knallt etwas lauter zu als beabsichtigt. Zwei Minuten noch. Ich renne, denn es ist wirklich höchste Zeit. Es ist höchste Eisenbahn.

Diese Redewendung stammt vom Berliner Autor Adolf Glaßberger. Er schrieb 1847 das Theaterstück Ein Heiratsantrag in der Niederwallstraße. Darin vertauscht der zerstreute Protagonist – ein Briefträger namens Bornike – andauernd irgendwelche Wörter. Eines Tages stellt er fest, dass der Postzug bereits vor Stunden eingetroffen ist. Im Schrecken entfährt ihm:
„Es ist höchste Eisenbahn, die Zeit ist schon vor drei Stunden angekommen.“
Allmählich haben sich diese geflügelten Worte zu einer festen Redewendung etabliert.

Gerade noch geschafft!
Ich liege noch in der Bahn und erwische meine Zeit.

S-Bahnhof Warschauer Straße

Alles in Butter

So lasse ich den Tag doch gern angehen: Die Sonne strahlt, der heiße Kaffee vor mir dampft, seichte Musik ertönt aus den PC-Lautsprechern. Herrlich! Es ist einfach alles in Butter heute Morgen. Alles in Butter. Ich stelle mir Gemüse und Fisch in zerlassener Butter vor. Hat die Redewendung vielleicht durch kulinarische Genüsse ihren Hintergrund?

Nö, zumindest nicht so ganz direkt. Wie viele andere stammt auch dieser Spruch aus dem Mittelalter. In dieser Zeit wurden teure Gläser aus Italien über die Alpen nach Deutschland transportiert. Das war eine wackelige Angelegenheit, und schnell gab es – im wahrsten Sinne des Wortes – „Bruchware“.

Irgendwann hatte ein cleverer Händler eine geniale Idee: Er legte die zerbrechlichen Gläser vorsichtig in Fässer und goss anschließend heiße Butter darüber. Man ahnt es: Die Butter kühlte ab und wurde fest. Die Gläser hatten jetzt sicheren Halt. Und auch, wenn es dann einmal besonders stark ruckelte: Sie blieben in der Regel heil. Unheil gebannt, alles in Butter.

Butter hat aber vor allem eine tolle Qualität: Sie lässt sich wunderbar streichen … Angeregt durch das Schreiben gehe ich erst einmal in die Küche und schmiere mir ein wunderbares Butterbrot.


Besonders lecker: Butterbrot mit gekochten Eiern.
(Das „verrückte Huhn“ auf dem Bild findest Du übrigens HIER.)