Lang war ick ooch mal!

Achtzehn Uhr. Feierabend. Ich stehe an der Supermarktkasse und möchte meinen Einkauf bezahlen. Vor mir steht eine alte Frau um die achtzig Jahre. Sie trägt ihr langes, silber glänzendes Jahr zu einem wallenden Pferdeschwanz gebunden. Ein ungewöhnlicher Anblick angesichts ihres Alters, wie ich finde.

Ich finde sie schön. Sie ist klein, leicht gebeugt und schiebt ihren Einkaufswagen mit aller Kraft vor sich her. Man sieht ihr an, dass sie sich sehr anstrengen muss. Nun ist sie mit dem Bezahlen an der Reihe. Der Display an der Kasse zeigt einen Betrag über zwanzig Euro und fünfundsiebzig Cent an.

Die alte Frau stochert mit ihren zarten, zerbrechlich wirkenden Fingern in den Fächern ihres Portemonnaies herum. Sie zieht einen Zwanzig-Euro-Schein hervor und gibt ihn der Kassiererin. Dann wühlt sie zwischen den Münzen herum und kann nicht recht erkennen, was sie da herauszieht. „Meine Liebe, sind Sie so freundlich und suchen sich den fehlenden Betrag zusammen?“

Sie artikultiert sich klar, jung. Ich bin leicht erschrocken, hätte ich doch etwas anderes erwartet. Zum Beispiel eine Vibration in ihrer Stimme. Die Kassiererin nickt lächelnd und kramt in der Börse der alten Dame. Das Restgeld ist rasch zusammengesucht. Immer wieder bin ich erstaunt über das Vertrauen der Menschen, das sie wieder erlangen, wenn sie alt geworden sind.

Die Dame rückt einen Schritt weiter und packt nun sehr bedächtig ihre Produkte in den Einkaufswagen. Nun bin ich an der Reihe. Eine Ware nach der nächsten rückt nach dem gewohnten Scannerpiepen in das Ablagefach am Ende des Laufbands. Die alte Frau ist noch immer beschäftigt, weswegen die Kassiererin ihren Einkauf mit einem hölzernen Trenner von meinem trennt, der nun auf die hintere Seite befördert wird.

Da ich gleich bezahlen muss, möchte ich ungern einen Bogen um die Dame machen, um meine Sachen einzupacken. Also greife ich über ihren Einkauf hinweg und packe langarmig ein. „So kommen Sie doch herum, junge Frau. Sie müssen sich nicht verrenken“. Die Dame macht mit ihrer Hand eine entsprechende Geste und schaut mich dabei wach und ein bisschen verständnislos an. „Ach was, das geht schon so“, erwidere ich freundlich lächelnd. „Ich bin doch lang.“

Kurze Stille. Dann: lautes Lachen. Ich habe nicht damit gerechnet und zucke ein wenig zusammen. Sie kann einfach nicht aufhören zu lachen, ihre Schultern bewegen sich auf und ab, der Mund ist geöffnet, und ihre Augen sind von Lachfalten umspielt. Und dann, auf Berlinerisch: „Lang? Ja, lang war ick ooch mal!“ Langsam schiebt silberhaarige Dame ihren Wagen in Richtung Ausgang.

Ente gut, alles gut?

Reges Treiben ist momentan in den Parkteichen Berlins zu beobachten – so auch am Schloss Charlottenburg.

Dieses schicke Erpelexemplar hier war kürzlich ganz rege dabei, die vielen hübschen Entenweibchen zu hofieren. Mit einigem Erfolg, wie zu beobachten war.

Ente gut, alles gut.

Doch die Konkurrenz schläft ja bekanntlich nicht.
Auch nicht im Ententeich:

Die Konkurrenz schläft nicht.

Doch am Ende haben sich die beiden Erpel einigen können.
Ente gut, alles gut.

Berlin: Begegnungen und Begebenheiten

+++ Eigenwerbung-Alert! +++

Geschafft! Das Buch zum Blog Berlin: Begegnungen und Begebenheiten ist fertig!
Am Wochenende habe ich es in Druck gegeben. In circa vier bis sechs Wochen dann wird es hoffentlich auf dem Markt sein.
Die Themen: Berlin, Menschen und Alltagssituationen.

Im Band enthalten sind 25 Kurzgeschichten sowie 25 Fotografien, die unsere Hauptstadt in den verschiedensten „Gemütslagen“ zeigen. Jede Geschichte wird gewissermaßen mit einem Bild abgerundet und zusammengefasst.

Und so sieht das Buch aus:

Berlin - Begegnungen und Begebenheiten

Klappentext:

Leben erleben in Berlin ist wie eine außergewöhnliche Symphonie hören: wie eine Mischung aus harmonischem kulturellen Wohlklang auf der einen und sozialer Kakophonie auf der anderen Seite. Die deutsche Kapitale ist eine der spannendsten Städte des Erdballs.

Zahllose Besucher strömen jedes Jahr in die charmante Hauptstadt, um das zu erleben, wovon Alteingesessene und Neuberliner so leidenschaftlich schwärmen: eine vielschichtige Kulturlandschaft, die Verschmelzung von Ost und West, Alt und Modern, Konservativ und Progressiv. Turbulent, aufbrausend und niemals schlafend wird das „dicke B oben an der Spree“ einfach nicht langweilig.

Berlin nervt und fasziniert gleichermaßen: Hedonistischer Lebensstil, Ausschweifung und Verschmutzung gehen Hand in Hand mit Internationalität, Offenheit und Neugierde. Man kann einfach nicht genug kriegen vom beliebten „Spreeathen“.

Vorliegende Kurzgeschichtensammlung ist eine Hommage an die Hauptstadt, eine Metropole voller Superlative und Gegensätze.

Und weil Schreiben in den meisten Fällen – zumindest materiell – eher arm als reich macht: Wer möchte, kann natürlich schon ein Exemplar (Kosten: 12,90 Euro) bei mir vorbestellen oder einfach warten, bis das Buch im Handel (unter anderem bei Amazon, ISBN 978-3-8370-3614-5) erhältlich ist. 🙂

Synchronschaukeln

Spielplätze sind Orte der Begegnung. Kleine und große Kinder tummeln sich in Sandkästen und auf  Klettergerüsten. Sie lernen hier im wahrsten Sinne des Wortes spielerisch soziales Verhalten und knüpfen erste Freundschaften. Wichtige Lebenerfahrungen werden gemacht. Der Kollwitzplatz im Berliner Bezirk Prenzlauer Berg ist so ein Ort.

Ein kleines blondes Mädchen um die zweieinhalb Jahre mit geröteten Pausbäckchen ist äußerst ungeduldig: Zu gerne möchte sie schaukeln. Sie hat sich doch so sehr darauf gefreut. Bereits während des Mittagessens hatte sie munter vom Spielplatz geplappert. Doch ein anderes Mädchen ist schon länger da und wartet ebenfalls darauf, dass das Objekt ihrer Begierde frei wird.

Die Kleine mit den Pausbäckchen nähert sich der Schaukel, doch das andere Mädchen ist wagemutiger und traut sich noch dichter an das Gerüst heran. Sie ist etwa ein Jahr älter. Ein paar abschätzige Blicke, und im gegenseitigen stillen Einvernehmen sind die Fronten innerhalb weniger Sekunden geklärt: Die Ältere setzt sich auf die Schaukel, resignierte Blicke von der Jüngeren in Richtung Mama. Die Mundwinkel rutschen nach unten.

Auf einer Bank sitzt ein älterer Herr mit sympathischen Lachfältchen und rot-grau kariertem Baret. Er blättert in einer Zeitung, bis er einen Artikel findet, der ihm offensichtlich zusagt. Ein paar Minuten liest er aufmerksam, dann hebt er den Kopf und schaut dem munteren Treiben der Eltern und Kinder zu. Er scheint zu sinnieren, nachzudenken über den Artikel. Vielleicht erinnert er sich aber auch daran, wie es war, als seine Kinder noch klein waren. Ein Lächeln huscht über sein Gesicht.

Auf der anderen Seite des Spielplatzes gibt es noch ein weiteres Gerüst mit zwei Schaukeln. Das kleine blonde Mädchen mit den Pausbacken und ihr Papa sehen, dass eine davon frei geworden ist und eilen hin. Der Vater schubst an, die Tochter jauchzt. In der Schaukel daneben sitzt ebenfalls ein Mädchen. Sie ist im gleichen Alter und hat dunkles Haar. Ihr roter Mantel flattert im Wind, während Papi die Schaukel lustlos in Schwung bringt. Auch der andere Vater verliert nach einer Weile die Geduld, schaut dann und wann auf die Uhr und signalisiert der Tochter, dass sie gleich aufbrechen werden. Bei dem anderen Papa das gleiche Prozerede: „Jetzt müssen wir aber los.“ Die Gesichtchen der beiden Kleinen verlieren abrupt ihr Strahlen.

„Ich will aber noch nicht nach Hause!“, sagt die Kleine mit den Pausbacken echauffiert. „Ja, und ich auch nicht!“, erwidert die andere. Die Kleinen schauen sich an, mustern sich interessiert und lassen sich noch eine Weile anschubsen. Die Väter werfen sich belustigte Blicke zu. „Na gut, aber wirklich nicht mehr lange!“, sagt der Papa der Kleinen mit dem roten Mantel.

Gemeinsam und im Takt schubsen die beiden Männer ihre Kinder an. Gleichzeitig gehen die Schaukeln nach vorn, dann wieder nach hinten. Im Moment des Anschubsens geben beide Mädchen Kicherlaute von sich. Auch den Väter sieht man jetzt Freude über das Synchronschaukeln an.  Kommunikation und Interaktion – und zwei Kinder als Verbündete.

Winter ade…

… Doch Scheiden tut nicht wirklich weh. Seit drei Tagen ist offiziell Frühling – und das ist auch gut so.

Dennoch: Folgenden Schnappschuss habe ich eben auf meinem (relativ) pixelstarken Fotohandy entdeckt und möchte dem Winter damit nostalgisch hinterherwinken. Bis zum nächsten Mal!

Schnee-Idyll

Mein Leben mit Söhnen