
Flussball
Urlaub. Sommer, Sonne und ein paar Stunden an der Spree. Ich bin in eine hin- und mitreißende Lektüre vertieft. Erst ein paar Seiten gelesen und schon sympathisiere ich mit dem jungen Clown und seinen weisen Ansichten. Dann und wann beim Nachdenken der Blick auf ein vorbeischipperndes Boot, eine schnellere Yacht oder die „Charlottenburg“, die gleich in der Nähe anlegen wird, um neue Passagiere aufzunehmen. Es ist Nachmittag, viele Leute sind unterwegs, um sich Berlin vom Schiff aus anzusehen. Ein paar Enten und eine Schwanenfamilie schwimmen ebenfalls vorbei. Mensch und Natur – zumindest hier scheinbar im Einklang.
Der laute Schrei eines Jungen reißt mich aus meinen Leseträumen. Ich spüre einen leichten Windhauch in meinem Rücken – in der Vorahnung, dass sich etwas oder jemand rasend nähert. Tatsächlich: Als ich mich umdrehe, kommt er geflogen: ein Fußball. Ich versuche, ihn aufzuhalten. Leider kann ich nicht verhindern, dass er im Fluss landet. Einen Meter vom Ufer entfernt prallt er auf das Wasser, dreht sich ein paarmal mit Kraft um die eigene Achse, pendelt sich dann wippend aus und liegt dann beinahe still auf dem Fluss.
Ich beuge mich vorn über, hoffe, dass die Strömung den Ball etwas in meine Richtung schiebt. Ein Schiff oder ein Boot könnten jetzt behilflich sein. Doch gerade ist nichts in Sicht. Der Fußball treibt davon, langsam und immer in Richtung Osten. Ich lege das Buch beiseite und folge ihm ein paar Meter.
Hinter mir ein herbeieilender Junge. Wahrscheinlich der, zu dem der Schrei von eben gehört. Als er mich ratlos anschaut, zucke ich die Achseln und sage ihm, dass ich alles versucht hätte. Er weiß Bescheid, doch die Enttäuschung steht ihm ins Gesicht geschrieben. Er runzelt die Augenbrauen und überlegt. Als er versucht, den Ball zu fassen, verliert er beinahe das Gleichgewicht. Heftig rudert er mit den Armen und macht dabei dennoch eine erstaunlich elegante Figur. Sportlich. Ich bin beeindruckt, muss mir aber dennoch ein Grinsen verkneifen. Und doch atme ich tief durch, als er sich wieder aufrichtet.
Das Rund treibt immer weiter und kommt noch immer nicht nahe genug ans Ufer heran. Der Junge holt einen Stock und versucht, den Ball zu erreichen als er sich einer Böschung nähert. Doch dann bewegt er sich plötzlich weiter ins Zentrum des Flusses hinaus. Ein lauter Verzweiflungsseufzer – und der Junge rennt zurück zum Sportplatz. Wahrscheinlich gibt es dort noch einen anderen Ball. Eine Weile noch sehe ich dem davonschwimmenden Leder zu, dann setze ich mich und vertiefe mich wieder in die Lektüre. Der Clown und Marie kommen sich näher.
Wieder ein Schrei. Derselbe Junge. Doch diesmal ist es ein Freudenschrei. Ich orte die Richtung, aus der er kommt und sehe den Kleinen auf der anderen Seite der Spree winken. Er hält den Fußball stolz in seinen Händen. Er hat ihn also tatsächlich erwischt. Wie lange hat er wohl dort gestanden und dem Ball in sehnsuchtsvoller Erwartung kommen sehen? Ich bewundere seine Geduld und Konsequenz. Strahlend schaut mich der kleine Kerl an, ich sehe selbst auf die Entfernung den „Sieg“ in seinen Augen glitzern. Dann brüllt er mir zu: „Ich haaab‘ iiihn!“. Ich winke zurück, als er auch schon auf sein Rad steigt und davonrauscht. Der Clown weint, als er seinen Bruder Chopin spielen hört.
Menschen als CMS?
Es geschieht ganz unbewusst. Es passiert, um uns selbst klarzumachen, wie ein bestimmter Mensch – das Objekt unserer Beobachtung – wohl ist: Wir stecken ihn in eine Schublade.
Dieses Schicksal ereilt jeden von uns. Wir sehen uns, scannen uns förmlich mit den Augen ab, riechen, hören und erleben uns. Dabei entwickeln wir die sich erst formenden Bilder bereits in unseren Köpfen zu unserer individuellen Realität. Einer Realtität, die uns so gefällt – genau so, wie sie ist. Ob wir nun recht haben oder nicht… Wir verleihen Menschen Eigenschaften, und im Idealfall behalten wir mit unserer Einschätzung recht. Manchmal irren wir uns jedoch gewaltig.
Ich denke an ein CMS – ein Content Management System: Menschen, denen wir begegnen, ordnen wir Kategorien zu, genau wie wir im CMS unsere Beiträge den Kategorien zuordnen und diese wiederum in bestimmte Bereiche schieben…
Doch Vorsicht: Auffällig ist, was sich in keine Schublade pressen lässt. Man sollte sie deshalb immer ein wenig geöffnet lassen, denn sie könnte unverhofft aufgehen… und wir wären verletzt.
Menschen im Großraumbüro
Für viele ist das Büro der Ort, an dem sie die meiste Zeit ihres Tages verbringen. Oft geht es hier ganz lauschig, doch bisweilen auch sehr ungemütlich zu. In einem Redaktionsbüro arbeiten die unterschiedlichsten Charaktere. Auf grausame Weise sind sie in einem einzigen Raum zusammengepfercht und sind gezwungen, das Beste daraus zu machen.
In einem solchen Büro kann man werktäglich seltsame Begebenheiten beobachten. Es entwickeln sich dann und wann – zum Teil sehr brisante – Diskussionen zu den Themen Politik, Wirtschaft oder Fußball. Oft hört man die Frage „Was meinst Du denn dazu?“ und wünscht sich sogleich, die bezaubernde Jeannie zu sein und durch ein simples Augenzwinkern von der Bildfläche zu verschwinden – jedoch nicht unbedingt in einer engen Flasche, sondern vielleicht in Costa Rica.
Es gibt die verschiedenen Typen von Kollegen. Der Kollege des Typs 1* macht eine wahre Zeremonie daraus, sich auf seine Arbeit vorzubereiten. Zunächst einmal legt er sich seinen Bleistift und seinen Kugelschreiber griffbereit. Auch der Memoblock wird gerade gerückt und so positioniert, dass der Mitarbeiter jederzeit schnell darauf zurückgreifen kann. Dann erst schaltet er seinen Rechner an. Manchmal vertippt er sich bei der Eingabe seines Passwortes, und ein Signalton verrät ihn. Dann versucht er es erneut. Bisher hat er noch keine drei Versuche gebraucht.
Der Kollege des Typs 1, der dafür bekannt ist, jedes Wort auf die goldene Waagschale zu legen, ist der von allen am besten organisierte. Betritt er den Raum, hat er meist einen Stapel Kopien in der Hand, denen er sich gleich widmen wird. Niemand weiß, was auf ihnen steht, nie hat sie jemand aus der Nähe zu Gesicht bekommen. Nach dem Lesen werden sie geordnet, gelocht und abgeheftet. Ohne Ordnung keine Struktur (oder andersherum) – das ist seine Devise.
Kommt es zu einer der oben genannten Diskussionen, hält sich unser vorbildlicher Kollege meist raus oder antwortet äußerst diplomatisch, ohne jemandem zu schaden. Zu gefährlich erscheint es ihm, Stellung zu beziehen. Vielleicht ist er ja aber auch einfach nur schüchtern oder hat Angst vor den Konsequenzen seiner wahren Meinung. Er macht es jedoch richtig, denn auf schweigsame Weise läuft er nur selten Gefahr, eins auf den Deckel zu bekommen.
* Hinweis: Natürlich sind alle Kollegen in meiner kleinen Geschichte allesamt frei erfunden…
Zu Gast beim Kopfschüttler
Vielen ist die Website mit den witzigen Geschichten rund um die „Besonderheiten“ der Frau bereits bekannt: Der Kopfschüttler entlockt so manchem zumindest ein Schmunzeln; andere wiederum werden sich die Bäuche halten.
Mit jeder Anekdote aufs Neue hält er auch meine Lachmuskeln auf Trab und bereitet mir gute Laune. Ich besuche den Kopfschüttler daher regelmäßig. Umso mehr freue ich mich, dass ich in dieser Woche als „Blog der Woche“ auf seinen Seiten verlinkt bin.
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