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Nass bis auf die Haut …

… stehe ich an dieser Ampel, die einfach nicht grün werden will. Die Autofahrer nehmen – natürlich – keine Rücksicht auf so eine arme Fußgängerin, wie ich gerade eine bin. Platsch, spritz. Wieder was abgekriegt. Und das, obwohl ich extra noch einen Meter zurückgewichen bin. Sauerei! Ich will doch bloß über die Straße!

Da! Es hat aufgehört zu regnen! Fühle ich. Aber meine Augen zeigen ganz klar: Regentropfen, die nach wie vor auf mich niederprasseln müssten. Wah, da ist ein Schirm! Direkt über mir! Ich schaue nach links, und da steht sie: meine Rettung.
Eine alte Frau lächelt mich an. „Sind zwar schon so naß, müssen aber nich noch nasser werden, wa?“ Und lacht. Was das Zeug hält. Laut. Die Leute gucken abwechselnd sie, dann mich, dann wieder sie an.

Sie ist sehr klein. Ich muss mich regelrecht zusammenziehen, damit ich weiterhin unter den Schirm passe. Ich bücke mich und gehe mit ihr über die Straße. „So ein Sauwetter“, höre ich mich sagen. Und erwarte ordnungsgemäße Zustimmung von ihr. „Aaach watt!“, sagt sie dann aber wider mein Erwarten. „Det muss ja ooch allet irgendwohin. Det Pack da oben freut sich ooch, wennet trockner is.“ Ja dann …

„Jehn’se ooch zur Straßenbahn?“ Ja, glücklicherweise oder auch unglücklicherweise: zum einen bedeutet das, dass ich nicht nass werde; auf der anderen Seite jedoch fühle ich meinen schmerzenden Rücken – vom Bücken. Doch ich komme gar nicht richtig zu, mir Sorgen oder was auch immer zu machen, denn schon sind wir an der Haltestelle angelangt.
Da löst sie sich auch schon abrupt von mir. „Na denn, kommse man gut nach Hause, ick hab nochn bisschen Weg vor mir.“ Weg vor mir? Ich denke spontan: weg von mir. Und fühle mich plötzlich fast ein bisschen einsam. Menschen kommen – und Menschen gehen wieder.
Und das ist ja auch nichts, was mir neu wäre.

Eine Tür, drei Passanten

Er kommt von innen und will nach draußen. Da sieht er sie. Sie ist etwa 35, trägt einen karamelfarbenen Trenchcoat. Umwerfend sieht sie aus mit dem schwarzen Haar und den rotgeschminkten vollen Lippen. Er möchte ihr die gläserne Tür aufhalten, doch sie hält bereits den Türgriff entschlossen in der Hand. Er lässt die Schöne gewähren und wartet geduldig. Sie lächelt ihn an. Weiß sie doch genau, was er jetzt denkt.

Der Dritte kommt aus Richtung Fahrstuhl und möchte ebenfalls nach innen gelangen. Er sieht sie. Sie ist wunderschön. Er möchte ihr die Tür nach innen drücken, bemerkt jedoch ebenfalls ihre Entschlossenheit, es selbst zu tun.

Als sie die Tür öffnet, wartet Nummer drei darauf, dass sie zuerst den Raum betritt. Höflich drückt sie das sperrige Holz nach innen und macht Platz für Nummer drei.
„Sie zuerst, meine Liebe“, sagt er.
„Wann kommt es schon einmal vor, dass ich einem Mann die Tür aufmachen darf? Ich bitte Sie – gehen sie“, erwidert sie und gibt ein strahlendes Lachen von sich. Wie kann er da widerstehen?
„Wie charmant“, sagt er, will die Tür passieren und blickt auf Nummer 1 – noch immer von innen wartend.
„Oh, hallo junger Mann! Na, wie es die Regel verlangt: zuerst raus, dann rein“, spricht er und tritt wieder zurück.

Nummer 1 passiert die Tür, nicht ohne der Schönen ein freundliches „Danke“ entgegenzuwerfen. Er dreht sich noch einmal um, ein wenig Eifersucht überkommt ihn. Ungern möchte er sie jetzt mit dem anderen zurücklassen. Ich sehe seinen golden blitzenden Ehering und schüttele den Kopf.
Als ich mich der Tür nähere, schlüpfe ich ohne zu Zögern zwischen den beiden Verbleibenden hindurch.

Lang war ick ooch mal!

Achtzehn Uhr. Feierabend. Ich stehe an der Supermarktkasse und möchte meinen Einkauf bezahlen. Vor mir steht eine alte Frau um die achtzig Jahre. Sie trägt ihr langes, silber glänzendes Jahr zu einem wallenden Pferdeschwanz gebunden. Ein ungewöhnlicher Anblick angesichts ihres Alters, wie ich finde.

Ich finde sie schön. Sie ist klein, leicht gebeugt und schiebt ihren Einkaufswagen mit aller Kraft vor sich her. Man sieht ihr an, dass sie sich sehr anstrengen muss. Nun ist sie mit dem Bezahlen an der Reihe. Der Display an der Kasse zeigt einen Betrag über zwanzig Euro und fünfundsiebzig Cent an.

Die alte Frau stochert mit ihren zarten, zerbrechlich wirkenden Fingern in den Fächern ihres Portemonnaies herum. Sie zieht einen Zwanzig-Euro-Schein hervor und gibt ihn der Kassiererin. Dann wühlt sie zwischen den Münzen herum und kann nicht recht erkennen, was sie da herauszieht. „Meine Liebe, sind Sie so freundlich und suchen sich den fehlenden Betrag zusammen?“

Sie artikultiert sich klar, jung. Ich bin leicht erschrocken, hätte ich doch etwas anderes erwartet. Zum Beispiel eine Vibration in ihrer Stimme. Die Kassiererin nickt lächelnd und kramt in der Börse der alten Dame. Das Restgeld ist rasch zusammengesucht. Immer wieder bin ich erstaunt über das Vertrauen der Menschen, das sie wieder erlangen, wenn sie alt geworden sind.

Die Dame rückt einen Schritt weiter und packt nun sehr bedächtig ihre Produkte in den Einkaufswagen. Nun bin ich an der Reihe. Eine Ware nach der nächsten rückt nach dem gewohnten Scannerpiepen in das Ablagefach am Ende des Laufbands. Die alte Frau ist noch immer beschäftigt, weswegen die Kassiererin ihren Einkauf mit einem hölzernen Trenner von meinem trennt, der nun auf die hintere Seite befördert wird.

Da ich gleich bezahlen muss, möchte ich ungern einen Bogen um die Dame machen, um meine Sachen einzupacken. Also greife ich über ihren Einkauf hinweg und packe langarmig ein. „So kommen Sie doch herum, junge Frau. Sie müssen sich nicht verrenken“. Die Dame macht mit ihrer Hand eine entsprechende Geste und schaut mich dabei wach und ein bisschen verständnislos an. „Ach was, das geht schon so“, erwidere ich freundlich lächelnd. „Ich bin doch lang.“

Kurze Stille. Dann: lautes Lachen. Ich habe nicht damit gerechnet und zucke ein wenig zusammen. Sie kann einfach nicht aufhören zu lachen, ihre Schultern bewegen sich auf und ab, der Mund ist geöffnet, und ihre Augen sind von Lachfalten umspielt. Und dann, auf Berlinerisch: „Lang? Ja, lang war ick ooch mal!“ Langsam schiebt silberhaarige Dame ihren Wagen in Richtung Ausgang.

Ente gut, alles gut?

Reges Treiben ist momentan in den Parkteichen Berlins zu beobachten – so auch am Schloss Charlottenburg.

Dieses schicke Erpelexemplar hier war kürzlich ganz rege dabei, die vielen hübschen Entenweibchen zu hofieren. Mit einigem Erfolg, wie zu beobachten war.

Ente gut, alles gut.

Doch die Konkurrenz schläft ja bekanntlich nicht.
Auch nicht im Ententeich:

Die Konkurrenz schläft nicht.

Doch am Ende haben sich die beiden Erpel einigen können.
Ente gut, alles gut.