Bertas Zug fährt in den Bahnhof ein. Sie schnallt sich den Rucksack  fester und steigt aus. „Hier will ich leben,“ denkt sie, als sie durch  das Menschengewimmel auf die Straße drängt. Großstadtluft nimmt ihr den  Atem. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite blinkt eine Neonreklame:  MITDEMBÄRZUMMILLIONÄR.
Berta liest es zweimal. Es dämmert bereits. Sie geht los, steigt die  Stufen zur U-Bahn hinab, lächelt dem russischen Akkordeonspieler zu und  wartet am Gleis. Selbst hier unten ist es heiß. Die einfahrende Bahn  wirbelt herumliegendes Papier auf. Als sie einsteigt, gibt es kein  zurück.
Die große Stadt wartet auf Opfer. Sie hat Berta schon gesehen. „Du  entkommst mir nicht mehr,“ sagt sie und bläst die Lichter an, die bis  zum Morgengrauen alles beleuchten werden, was nicht beleuchtet werden  will.
Berta hört ihre eigenen Schritte auf dem Asphalt. Lichter spiegeln sich  in Pfützen, weisen den Weg. Da lang. Sie steht vor einem Haus mit  Graffiti. Beim Hineingehen bleibt ihre Jacke an einer Schraube in der  Tür hängen. Sie reißt sich los.
„Hätten Sie ein Zimmer frei?“ Sie stellt ihren Rucksack ab. Erst jetzt  merkt sie, wie schwer er war. Die Frau ihr gegenüber oder ist es ein  Mann, fragt, wie lange sie bleiben will.
„Ein paar Tage, vielleicht länger“, sagt Berta und fühlt sich etwas  unwohl. Zuhause in ihrem Dorf sitzen jetzt alle beim Abendbrot. Die  Turmuhr schlägt, und der letzte Bus aus der Kreisstadt fährt durch den  Ort.
Die Mannfrau legt einen Schlüssel hin, an dem ein Plastikbär baumelt.  Berta nimmt ihn, hebt den Rucksack an, der nun viel schwerer scheint als  vorher und steigt die Treppe hoch, die zu ihrem Zimmer führt. Ein  kleiner Raum, auf einem Holztischchen schlägt eine Polyestertischdecke  Falten. Die junge Frau legt sich aufs Bett und beobachtet die  Scheinwerfer der vorbeifahrenden Autos. Berta weint.
„Schlaf Berta“, raunt die große Stadt. „Du wirst dich schon daran  gewöhnen. Ich singe dir ein Wiegenlied. Schlaf, Berta, schlaf.“
Sie hört eine Melodie, die aus einem Lokal neben dem Hotel herüberweht.  Sie kennt das Lied, versucht den Text zu flüstern. Bevor sie sich  erinnert, schläft sie ein.
Als der Morgen durchs Fenster kriecht, rumpeln Müllkästen in der Größe  von Kleiderschränken über den Asphalt. Müllmänner schreien sich  undeutliche Wortfetzen zu. Berta schaut hinaus. Der Verkehr stockt, da  die Kleiderschränke die Straße versperren. Zwei Männer streiten sich,  ein Hund hebt sein Bein am Müllauto, Radfahrer beanspruchen den  Bürgersteig. Als Berta nach einer halben Stunde auf die Straße tritt,  hat sich das Verkehrsknäuel aufgelöst. Die Häuser sind viel höher als  zuhause. Fußgänger rempeln sie an im Vorbeigehen. Auf der anderen  Straßenseite stehen Stühle und Tische vor dem Laden. Sie durchquert den  fließenden Verkehr und lässt sich auf einem Draußenstuhl fallen. Sie  bestellt einen Kaffee bei der Kellnerin und sieht sich um. Ab und zu  kann sie zwischen den vorbeifahrenden Autos ihr Hotel erkennen. Es wirkt  freundlich am Tag.
„Ist hier frei?“ Berta blickt zu einer Frau in schwarz hoch, die neben  ihrem Tisch steht. Ihre roten Haare leuchten in der Sonne. „Ja, klar“,  sagt Berta. Sie lächeln sich an. Die Rote holt eine Zeitung aus ihrer  Jacke, beginnt zu lesen.
„Neu hier?“, fragt sie, ohne aufzublicken.
„Äh, merkt man das?“ Bertas Gesicht verfärbt sich etwas.
„Ja.“ Die Rote blättert in ihrer Zeitung, legt die dann zur Seite. „Studium?“
Berta schüttelt den Kopf: „Zu viel Provinz, versuche es jetzt hier.“
„Was kannst du?“ Die Rote sucht in ihren Taschen nach Zigaretten, findet welche, zündet sich eine an.
„Ich war bei uns im Drogeriemarkt, hab‘ eine Lehre angefangen, nicht zu  Ende gemacht.“ Die Kellnerin kommt, bringt Berta den Kaffee. Die Rote  nimmt einen Tee: „Lädst du mich ein?“, fragt sie Berta. Die nickt.
„Ich schlage mich hier seit acht Jahren durch“, sagt ihr Gegenüber.  „Anfangs wollte ich nur einen Monat bleiben, aber dann … Irgendwas hielt  mich hier. Ich konnte nicht weg.“
„Jaja“, sagt die Stadt lächelnd und beobachtet die beiden.
„Was machst du so?“, fragt Berta.
„Alles. Modeln, verkaufen, eine Weile habe ich bei einem reichen, alten  Knacker gewohnt. Der ist verstorben. Dann erbten seine Kinder. Ich ging  leer aus, musste wieder auf die Straße.“
„Und jetzt?“ Berta hüstelt. Der Rauch weht ihr ins Gesicht. „Jetzt suche  ich neue Leute in der Stadt, die mir mal einen Tee ausgeben.“ Die Rote  drückt ihre Zigarette aus. „Ich heiße übrigens Vanity. Das heißt  Eitelkeit. Gut, ne? So hat mich mein Sugardaddy genannt. Eigentlich  heiße ich Doris. Kein Mensch heißt heute noch Doris. Meine Oma war ein  Fan von dieser Amitussi, die immer mit dem schwulen Typen in den Filmen  spielte. Kennste?“ Berta schüttelt den Kopf.
Die Kellnerin bringt den Tee. Die Rote trinkt hastig. „Du wirst sicher  irgendwas finden“, sagt Vanity und erhebt sich „Muss weiter, ciao.“ Sie  rennt über die Straße, mehrere Autos halten mit quietschenden Reifen.  Vanity steht auf der Fahrbahn und winkt. Berta sieht ganz klein aus an  ihrem Tisch auf dem Draußenstuhl.
„Man, kannste nich einmal pünktlich sein?“ Elsa schleppt Kisten mit  Klamotten auf den Bürgersteig. „Los, schieb den Ständer mit den Jacken  nach draußen, ist schon spät.“
„Keine Hektik. Das Leben ist früh genug zu Ende.“ Vanity zieht ihre  schwarzen Schnürstiefel aus und setzt sich hinter die Ladentheke.
„Auch du lebst von diesem Schuppen. Mach endlich.“ Elsa verschwindet im  hinteren Teil des Ladens und kommt mit gefüllten, blauen Säcken nach  vorne.
„Guck die Klamotten mal durch und häng sie auf. Gute Teile acht, die nicht so dollen fünf oder drei.“
„Hast du eigentlich schon mal über dein Leben nachgedacht?“, fragt  Vanity und holt sich die letzte Zigarette aus ihrer Jacke. „Ich meine,  so richtig.“
„Du sollst im Laden nicht rauchen, Mensch.“ Elsa ist schon wieder  draußen, ordnet auf dem Bürgersteig Kleidungsstücke an einem Ständer.
„Leben ist ein ständiges Geben und Nehmen“, überlegt Vanity laut.
„Ja, besonders Nehmen“, murmelt Elsa und räumt leere Kartons und Plastiksäcke weg.
„Als ich noch bei Sugardaddy wohnte …“
Elsa bleibt stehen. „Also entweder du machst jetzt was oder …“
Vanity erhebt sich mühsam, wirft die Kippe durch die Ladentür auf die Straße.
Sie nimmt sich einen Plastiksack vor und wühlt darin herum: „Wow, guck  dir das Teil an.“ Sie zieht sich ein rosafarbenes Babydoll über. „In dem  Ding könnte ich mich wieder Doris nennen.“
Es ist schon spät, als Elsa in die U-Bahn steigt. Selbst alle  Stehplätze sind besetzt. Ein Jugendlicher beißt in einen Kebap. Geruch  von Hammelfleisch. Elsa versucht sich irgendwo festzuhalten. Die Bahn  hält, viele steigen aus, noch mehr wieder ein. Der Mann neben ihr riecht  nach Giraffenhaus. Im Bahnhof dichtes Gedrängel. Alles strebt aus dem  U-Bahnschacht. Luft. Luft.
„Stellt euch nicht so an“, raunt die Stadt „Ihr habt es so gewollt.“
Auf der Straße vor Elsas Haus stapelt Fatih Erbasan leere Obstkisten  zusammen. Als er sie sieht, nimmt er eine Hand voll Feigen und hält sie  ihr hin: „Hallo Elsa.“ „Danke.“ Sie nimmt die Früchte, beißt in eine  hinein. „Wie lief das Geschäft heute?“ Fatih verzieht das Gesicht. „Und  bei dir?“
„Geht so.“ Sie greift sich mit der linken Hand in die blonden Haare.
Fatih lächelt. „Hast du Zeit für einen Tee?“
„Cay?“ lächelt Elsa.
„Ja, Cay.“ Der junge Türke zeigt mit der Hand auf seine Ladentür.
„Nee, muss los. Adrian wartet.“
„Lass ihn warten“, sagt Fatih „Er lässt dich auch warten.“
„Wie kommst du darauf?“ Elsa verschluckt sich.
„Weil ich es sehe, jeden Tag.“ Er gibt den Obstkisten einen leichten Stoß mit dem Fuß.
„Das kommt dir nur so vor.“ Elsa lächelt ihn wieder an und geht über den  Hof ins Hinterhaus. Drei Kinder kommen ihr entgegen, reißen sie fast  um, die restlichen Feigen fallen auf den Boden. „Hee, aufpassen.“ Elsa  steigt die Treppen hoch.
Als sie die Tür aufschließen will, merkt sie, dass die nicht verschlossen ist.
„Bist du schon da?“, ruft sie in den Flur. Niemand antwortet. Im  hinteren Zimmer sind Geräusche zu hören. Sie geht zu der verschlossenen  Tür, öffnet sie leise. Adrian und eine unbekannte Frau sind zu vertieft,  um sie wahrzunehmen. Beide liegen in eindeutiger Position auf seinem  Sofa. Sie glaubt zu ersticken, hat die Luft angehalten, schließt dennoch  die Tür ganz leise wieder. Nicht leise genug. Beide auf dem Sofa  schrecken hoch. „Elsa, warte mal …“, ruft Adrian. Er bindet sich eine  herumliegende Decke um und rennt hinter ihr her. An der Wohnungstür kann  er sie aufhalten. „Du hast es doch gewusst, oder?“ Er hält sie mit der  rechten Hand fest, die Linke versucht, die rutschende Decke zu greifen.
„Nein, lass mich los.“
„Komm, es war doch schon lange nichts mehr zwischen uns.“
„Lass mich los!“ schreit sie und rennt aus der Wohnung, aus dem Haus.  Als sie über die Straße will, kann ein Auto im letzten Moment halten.  „Bescheuert, was?“, brüllt der Fahrer aus dem Auto heraus, prescht  davon. Elsa sinkt zusammen und heult. Eine Hand legt sich auf ihre  Schulter. Es ist Fatihs Hand. Sie lässt sich von ihm aufhelfen. „Komm  mit“, sagt er. Beide gehen in den Laden. Fatih schließt ab. „Ich habe  deinen Freund gesehen mit … schon oft. Du bist zu schade für ihn.“  Elsa heult. Der junge Mann macht einen Tee. Als er drei Stunden später  die Lichter löscht, bleibt sie bei ihm.
Die Stadt ist zufrieden und bläst die Laterne aus, die direkt vor dem Haus wacht und noch nie kaputt war.
„Musste das sein?“ Die Frau in Adrians Arm bläst Zigarettenqualm in die  Luft.„Irgendwann musste sie es doch erfahren. Heute war eine gute  Gelegenheit.“
„Du bist brutal“, sagt die Frau und nimmt ihre Sachen, verschwindet damit ins Badezimmer. Sie kennt sich aus hier.
„Willst du nicht bleiben?“, ruft er durch die Tür „Elsa kommt bestimmt nicht mehr. Heult sich irgendwo aus.“
„Nein“, tönt es dumpf aus dem Bad. Die Frau kommt wieder heraus, stellt  sich vor den Flurspiegel, kämmt sich mit den Fingern durchs kurze Haar  und malt die Lippen nach.
„Wozu machst du das?“ raunt Adrian und hält sie von hinten fest. „Du sollst keine anderen Typen anmachen.“
„Ich mache an, wen ich will“, sagt die Frau, drückt seine Hände weg und zieht sich die Jacke an.
„Ich bringe dich.“ Adrian greift zu seiner Jacke an der Garderobe.
„Nein“, sagt die Frau und geht zur Tür „Du bleibst hier.“
Sie rennt auf die Straße, blickt zum türkischen Obstladen. Es ist alles  dunkel. Die Straßenlaterne scheint kaputt. Sie geht ein paar Schritte,  winkt einem Taxi zu. Im Halten öffnet der Fahrer das Fenster: „Wo soll’s  hinjehen?“ Sie steigt ein, und er braust davon. Die Frau holt ein Handy  aus ihrer Tasche und beginnt zu telefonieren: „Ich komme jetzt nach  Hause. Ja, jetzt schon. Ich gehe nicht mehr zu ihm. Nein, bestimmt  nicht. Was? Ja, jetzt gleich … Können sie mich da vorne aussteigen  lassen?“ Sie tippt dem Fahrer auf die Schulter.
„Jeht klar.“ Er sieht ihr nach, wie sie im Dunkel verschwindet. Der  Fahrer startet wieder, fährt ein paar Straßen weiter und hält an.
„Morjen Maxe.“ Eine brünette Frau kommt aus einem Mietshaus auf ihn zu, rennt weiter.
„Lass dir nich klaun, Elisabeth“, ruft er ihr nach und packt seine Brote aus.
Zufrieden räkelt sich die Stadt. Fast hätte sie verschlafen. Sie pustet die Laternen aus und weckt ihre Leibeigenen.
Elisabeth rennt zum ersten Bus am Morgen. Jeden Tag sitzt um diese Zeit  der Penner auf den Stufen der Wäscherei, neben sich einen Pappteller. Ab  und zu wirft Elisabeth eine Münze darauf. Heute nicht, da sie es sehr  eilig hat. Der Penner sieht ihr nach, überlegt, ob es im Bus wohl schon  geheizt ist. Eine Gruppe Lachender erweckt seine Aufmerksamkeit. Sie  kommen langsam die Straße hoch, haben eine Flasche, die von einem zum  anderen wandert. „Dann habe ich dem Kellner in den Arsch getreten …“,  lacht einer von ihnen. Er trägt einen feinen schwarzen Anzug, sein Hemd  ist bis auf die Brust aufgeknöpft, eine Samtfliege baumelt rechts am  Hals. Die anderen kichern, können kaum weitergehen. Als sie auf der Höhe  des Penners ankommen, beginnt das offene Hemd in seiner Hosentasche zu  kramen. „Och, guckt mal da …, der Arme“, gickert eine Frau in weißem  Pelz. Der suchende Mann wird nicht fündig, torkelt etwas, als er dem  Sitzenden seine Champagnerflasche hinhält: „Da, sollst nicht leben wie  ein Hund.“ Er schüttet die Flüssigkeit auf dem Boden. Alle lachen,  ziehen weiter. Ihre Stimmen sind noch lange zu hören. „Sie brauchen  dich“, flüstert die Stadt. „Du bist wichtig für sie, damit sie sich gut  fühlen können.“
Der Geruch des Alkohols steigt dem Penner in die Nase. Da er noch nichts  gegessen hat, kommt’s ihm vor, als würde es ihn betrunken machen. „Weiß  ich noch, wie ich heiße?“, denkt er. Er stellt sich die Frage jeden  Tag. Er hat sich geschworen, seinen Namen niemals zu vergessen, denn der  ist ihm noch geblieben. „Richard, glaube ich.“ Er überlegt angestrengt.  Schnellen Schrittes kommt ein junger Mann die Straße herauf. Er bleibt  stehen: „Wie geht’s dir heute?“, fragt er den Mann auf der Treppe und  gibt ihm eine Tüte mit Brötchen in die Hand „Willste nicht mitkommen?  Ich fahre nach Britz in die Papierfabrik, fünf Euro die Stunde. Los,  komm.“
„Die nehmen mich nicht,“ sagt der Sitzende.
„Faule Ausreden, Mann. Ich muss los. Biste abends noch hier?“ Der junge  Mann verschwindet im U-Bahn-Schacht, rennt die Treppen hinunter, schafft  gerade noch die Bahn, die bereits die Türen schließt. Die Fahrt ist  lang. Zunächst muss er stehen, erwischt dann aber einen Platz. Neben ihm  sitzt ein dicker Mann. Immer wieder reibt der sich schnaufend die  Schweißperlen von der Stirn. Der junge Mann blickt sich um. Einige  Gesichter sieht er jeden Tag, manche sind neu. Ihm gegenüber hält eine  Frau eine Zeitung vor ihr Gesicht, sodass er etwa auf Augenhöhe die  Schlagzeile „Blutrache in Neukölln“ lesen kann. Der Zug hangelt sich  durch die Stationen, macht dabei eintönige Geräusche. Der junge Mann  wird müde. Ab und zu nickt er weg, schreckt immer nur dann auf, wenn die  Bahn ruckartig hält. Die Neuköllner Blutrache macht knisternde  Geräusche. Mit geschlossenen Augen vermutet er, dass die Frau gegenüber  die Zeitung zusammenfaltet. Er blickt kurz hoch und lächelt, weil sie  sich fast umbringt mit den einzelnen Seiten, die der Reihe nach auf den  Boden fallen.
„Gleich gibt’s eine Blutrache in der U-Bahn“, sagt er, und sie lächelt zurück. Er hilft ihr beim Aufheben der Blätter.
„Danke“, sagt sie. „Ach, entschuldigen Sie, kennen Sie sich aus in der Stadt?“
„Na klar.“ Er weiß noch nicht, ob er sich freuen soll über diese  Begegnung. Sie kramt einen Zettel hervor, auf dem eine Adresse zu lesen  ist.
„Wissen Sie, wo das sein könnte?“, fragt sie, und ihr Gesicht verfärbt sich leicht, als sie ihn ansieht.
„Das ist auf meinem Weg. Sie müssen nun leider mit mir mitkommen bis zu  meiner Haltestelle.“, antwortet er und blickt aufgeregt zur Seite. Wie  gut, dass ich diese Bahn noch geschafft habe, denkt er, und wie gut,  dass sie nicht weiß, wo ich arbeite.
„Arbeiten Sie dort?“, fragt sie.
„Nein, ich besuche jemanden.“, antwortet er. „Und Sie?“
„Ich soll mich da vorstellen in einem Drogeriemarkt. Ich bin neu in der Stadt, suche eine Stelle.“
„Ich heiße Robert“, sagt er. Sie lächelt. „Und ich Berta.“
Die Stadt genießt befriedigt, wie Busse und Bahnen durch ihren Körper  jagen und angenehmes Kribbeln erzeugen. Die Menschen kitzeln wie  Ameisen. Sie streckt sich und ächzt dabei, dehnt sich und atmet tief  durch. Technisches Versagen war es nicht, sagen die Menschen dann immer,  wenn in solchen Momenten eine Jahrmarktsgondel aus ihren Halterungen  springt. Das U-Bahn-Abteil mit Robert und Berta macht in diesem  Augenblick einen kleinen Hopser, aber beide glauben, dass das am großen  Glück liegt, den anderen getroffen zu haben.
Marlene Pardeller – Insussuration in French