Allerhöchste Eisenbahn

Ich bin spät dran. Gleich kommt meine Bahn. Zeit für die nächste habe ich nicht; sie kommt erst wieder zehn Minuten später. Hastig stopfe ich noch ein paar Unterlagen in meine Umhängetasche und verlasse die Wohnung. Die Tür knallt etwas lauter zu als beabsichtigt. Zwei Minuten noch. Ich renne, denn es ist wirklich höchste Zeit. Es ist höchste Eisenbahn.

Diese Redewendung stammt vom Berliner Autor Adolf Glaßberger. Er schrieb 1847 das Theaterstück Ein Heiratsantrag in der Niederwallstraße. Darin vertauscht der zerstreute Protagonist – ein Briefträger namens Bornike – andauernd irgendwelche Wörter. Eines Tages stellt er fest, dass der Postzug bereits vor Stunden eingetroffen ist. Im Schrecken entfährt ihm:
„Es ist höchste Eisenbahn, die Zeit ist schon vor drei Stunden angekommen.“
Allmählich haben sich diese geflügelten Worte zu einer festen Redewendung etabliert.

Gerade noch geschafft!
Ich liege noch in der Bahn und erwische meine Zeit.

S-Bahnhof Warschauer Straße

Alles in Butter

So lasse ich den Tag doch gern angehen: Die Sonne strahlt, der heiße Kaffee vor mir dampft, seichte Musik ertönt aus den PC-Lautsprechern. Herrlich! Es ist einfach alles in Butter heute Morgen. Alles in Butter. Ich stelle mir Gemüse und Fisch in zerlassener Butter vor. Hat die Redewendung vielleicht durch kulinarische Genüsse ihren Hintergrund?

Nö, zumindest nicht so ganz direkt. Wie viele andere stammt auch dieser Spruch aus dem Mittelalter. In dieser Zeit wurden teure Gläser aus Italien über die Alpen nach Deutschland transportiert. Das war eine wackelige Angelegenheit, und schnell gab es – im wahrsten Sinne des Wortes – „Bruchware“.

Irgendwann hatte ein cleverer Händler eine geniale Idee: Er legte die zerbrechlichen Gläser vorsichtig in Fässer und goss anschließend heiße Butter darüber. Man ahnt es: Die Butter kühlte ab und wurde fest. Die Gläser hatten jetzt sicheren Halt. Und auch, wenn es dann einmal besonders stark ruckelte: Sie blieben in der Regel heil. Unheil gebannt, alles in Butter.

Butter hat aber vor allem eine tolle Qualität: Sie lässt sich wunderbar streichen … Angeregt durch das Schreiben gehe ich erst einmal in die Küche und schmiere mir ein wunderbares Butterbrot.


Besonders lecker: Butterbrot mit gekochten Eiern.
(Das „verrückte Huhn“ auf dem Bild findest Du übrigens HIER.)

Suchet, so werdet ihr (mich) finden – Teil 2

Nachzuvollziehen, wie und woher welche Menschen auf meinen Blog stoßen, ist für mich eine äußerst spannende Angelegenheit. Ich staune oft über die Suchbegriffe, die dem Finden vorangehen: Sie sind witzig, traurig oder einfach nur sehr wunderlich. Ein paar ganz aktuelle Impressionen der seltsamen Expressionen:

  • anja in kapuze video
  • reichtum und armut in berlin
  • Der Heimat entgegen.
  • wann wird das wetter schön spruch
  • trevi brunnen 2 mio euro im jahr
  • bild wurm im ohr
  • Aber trotz des wetters liebe ich Berlin
  • leben ist wie eine zugfahrt



Brother Google is watching you.

Hinters Licht geführt

Unterwegs im Kaufhaus. Zwei Mädchen um die 16 probieren Klamotten an. Eine Blonde und eine Brünette. Sehen ganz schnieke aus, die beiden. Die Blonde hält ein tolles, sattgrünes Oberteil in den Händen.

“Ey, meinsdu das steht mir?” Sie hält sich das Kleidungsstück demonstrativ an den Körper.
Die Brünette runzelt die Augenbrauen, schürzt die Lippen, schaut skeptisch.
“Näh, findisch gar nisch. Nääääh … sieht voll komisch aus.” Finde ich gar nicht, ich finde, das Teil würde der Blonden bestimmt gut stehen!
“Was? Wieso?! Was isn faul dran?” Die Blonde kann es einfach nicht glauben.
“Voll hässlisch!”
“Was: ich oder das Shirt, ey?”
“Beide.” Die Brünette lacht aus voller Kehle.
“Du bist voll bescheuert, ey!”
“Ey wartma, komma kurz mit.” Die Augen der Brünetten blitzen auf. Ihr sitzt der Schalk im Nacken.
“Wieso das denn jetz?” Die Blonde versteht die Welt nicht mehr. Warum soll sie jetzt woanders hingehen? Ausgerechnet jetzt, wo die Freundin sie ach so mies behandelt?
“Komm dochma mit, ey. Zeigisch Dir!” Die Brünette zerrt die Blonde an der Hand in eine Ecke, hinter eine Stehlampe. Dann lässt sie ihre Hand los.
“Ey, willst Du mich verarschen!?” Die Blonde verliert langsam die Geduld, während die andere dasteht und ein fettes Grinsen auf den Lippen hat.
“Nee, ich wollt Dich nur hinters Licht führn, ey!” Die Blonde schaut ungläubig. Es dauert etliche Momente, bis sie begriffen hat. Dann gackern beide los.

Jemanden hinters Licht führen. Ursprünglich bedeutete diese Wendung, dass jemand dorthin geführt wurde, wo das Licht einer Lampe abgeschirmt war. Hier konnte man also nicht sehr gut sehen, was vor sich ging …

Ich muss mir selbst eingestehen, auch ich finde die AKtion der Brünette sehr komisch – und ziemlich intelligent. Ich gackere mit.


Schaufensterpuppe in Friedrichshain

Das geht doch auf keine Kuhhaut!

Gerd aus Mecklenburg-Vorpommern schreibt: „[…] Mir ist gerade Folgendes entwichen: Das geht doch auf keine Kuhhaut! Woher stammt diese Redewendung?“

Ich habe für Dich recherchiert, lieber Gerd: Der Ausruf Das geht auf keine Kuhhaut stammt aus dem Mittelalter. Damals schrieb man noch nicht auf Papier, sondern auf Pergament. Dieses Material gewann man aus verschiedenen Tieren: Schafen, Ziegen oder Kälbern. Je größer das Tier, desto größer auch das Pergament. Und so ein Pergament aus Kuh ist eben ein ganz besonders großes. So weit, so gut. Und nun?

Damals jedenfalls glaubten die Menschen, der Teufel würde all ihre Sünden auf Pergament notieren und sie ihnen nach ihrem Ableben darlegen. Ah, man ahnt es schon: Passten all diese Sünden nicht einmal auf eine Kuhhaut – nämlich auf ein besonders großes Pergament! –, so hatte der betreffende Sünder mächtig viel auf dem Kerbholz

Die Redensart Das geht auf keine Kuhhaut drückt heute aus, dass etwas zuviel des Guten – oder eben des Schlechten – ist. Ja, und manchmal ist es auch der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. Doch dazu später.

Das geht doch auf keine Kuhhaut! – Bullen auf Pferden (in Denver, Colorado/USA)