Bismarck mit Zahnlücke und Sommersprossen

Regelmäßige Leser des Magazins Stern dürften ihn kennen – und wenn nicht ihn selbst, so doch zumindest seine Cartoons: Gotthard-Tilmann Mette, kurz: Til Mette. Der Cartoonist, Maler und Buchautor verzeichnet Themen aus Gesellschaft und Politik auf witzige bis skurrile Weise. Oft verarbeitet der 55-Jährige dabei aktuelle Ereignisse aus aller Welt. 2009 erhielt er für seine Werke den Deutschen Karikaturpreis in Gold. Til Mette studierte Geschichte und Kunst in Bremen, heute lebt er mit seiner Frau in den USA. Ich habe mich mit dem Künstler über sein Leben und Schaffen unterhalten.

Herr Mette, wie kamen Sie zum Cartoonzeichnen, und wann wurde aus dem Hobby Beruf?
In der Schule habe ich oft meine Schulbücher vollgekritzelt, Bismarck zum Beispiel eine Zahnlücke und Sommersprossen und Hitler ein paar Schläfenlöckchen verpasst. Erste Cartoons habe ich in Schülerzeitungen veröffentlicht, später als Student dann in alternativen Stadtzeitungen. Ich finde am Cartoonzeichnen toll, dass man schon mit einer Zeichnung fertig ist. Noch nie in meinem Leben habe ich einen Comic gezeichnet. Da würden mir nach dem ersten Bild der Geschichte schon die Ideen ausgehen.

Haben Sie auch Lehrgänge oder Schulungen fürs Zeichnen absolviert?
Nein, ich war immer Autodidakt. Und das sieht man meinen Zeichnungen auch an. Vor fünfzehn Jahren beschwerten sich viele Stern-Leser über meinen wackelig-krakeligen Strich. Das höre ich heute nicht mehr, obwohl es immer noch wackelt und krakelt. Ich bin meinem Redakteur sehr dankbar, dass er mich einfach hat machen lassen.

Sie zeichnen Gesellschaftskritisches. Haben Politik und Wirtschaft Sie schon immer interessiert?
Menschen interessieren mich – und damit vielleicht auch Wirtschaft und Politik. Andere Zeichner kümmern sich um lustige Mäuse und Bären oder Pinguine. Ich mag Tiere nicht besonders, höchstens in freier Wildbahn – oder als Kotelett. Mir gefällt, wenn der Leser mithilft, den Witz zu entwickeln, wenn er mitdenkt. Deshalb zeichne ich auch eher kompliziertere Cartoons. Manchmal ist mein Humor den Lesern zu schwarz, aber meist kommt er gut an.

2009 haben Sie den Deutschen Karikaturenpreis in Gold gewonnen. Wie war das für Sie?
Ich wurde ein paar Wochen nach der Jurysitzung angerufen. Man sagte mir, dass ich einer der Preisträger bin und damit auch zur Verleihung nach Dresden fahre. Ich saß dann im Dresdener Schauspielhaus in der dritten Reihe neben meiner Frau und habe mich sehr über den ersten Preis gefreut.

Haben Sie Vorbilder in Sachen Cartoonzeichnen?
Ja, zum Beispiel Leo Cullum. Das war ein amerikanischer Cartoonist, der leider im vergangenen Jahr verstorben ist. Er war ein unglaublich witziger Zeichner. Ich habe ein paar Bücher von ihm und habe ihn immer bewundert. Vorbilder erleichtern einem auch die Arbeit, weil man sich an ihnen orientieren kann. Da sollte man aber nicht nur ein Vorbild haben, sondern eine ganze Reihe. Zum Beispiel sind meine Vorbilder für bekloppte Sportarten heterosexuelle Synchronschwimmer.

Sie haben auch das Thema Weihnachten verzeichnet. Wie stehen Sie persönlich zum Fest?
Wenn Sie Kinder haben, kommen Sie gar nicht um Weihnachten herum. Und so war das ja auch, als ich Kind war. Es ist eine schöne Familientradition.
Ich wünsche allen ein tolles Jahr 2012!

Karrikaturist Til Mette

4 Gedanken zu „Bismarck mit Zahnlücke und Sommersprossen“

  1. Liebe maranaz3,

    das ist er in der Tat: unglaublich sympathisch. Und er hat viel zu erzählen, auch, wenn er eigentlich gar keine Zeit hat. Soweit ich weiß, pendelt er zwischen Deutschland und den USA. Im Sommer ist er mal wieder hier. 🙂

    Herzliche Grüße zu Dir!
    Coralita

  2. Da bin ich aber überrascht, dass Herr Mette in den USA lebt, denn wenn er die Bremer Szene im KURIER am SONNTAG karrikierte, erschien er mir voller Insiderwissen, das nicht unbedingt überregional von Interesse war, dass ich mir einbildete, er würde in Bremen im Ostertor, dem A 13-Viertel, wohnen. Ein sympatisches Gesicht zu seinen sympatischen Cartoons.
    🙂

  3. Hallo, meine liebe Clara,

    in Ordnung! Dein Wunsch sei mir Befehl. 🙂 Der Hintergrund – Du denkst es Dir wahrscheinlich ohnehin bereits – ist schlichtweg die fehlende Zeit!
    Recht hast Du, mit meinen (alltäglichen und sprachlichen) Beobachtungen fing alles an!

    Herzliche Grüße und danke für diesen Wink!
    Deine Coralita

  4. Hallo Coralita, wenn ich deine Seite aufmache, fallen mir immer gleich die Scrabble-Buchstaben ins Auge, und ich denke: „Nicht immer nur Doppelkopf spielen, mal wieder Scrabblepartner suchen.“
    Witzig, am 8. Jan. verweise ich auch auf einen, der regelmäßig für den Stern und seine Deckblätter arbeitet. Ich war in einer seiner Ausstellungen und sehr begeistert.
    Coralita, ich weiß, was mir an deinem Blog so ein wenig fehlt, seit du aus Berlin weg bist: die private Coralita. Ich lese meist Sachen, die du dienstlich exzellent recherchiert hast, die z.T. abgedruckt werden – aber die joggende, staunende, sich mit Schwester treffende oder sonstwas Coralita ist verschwunden – vielleicht zeigst DU dich auch mal wieder, das wäre schön.
    Beste Jahresanfangsgrüße kommen von
    Clara (aus Berlin)

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