Anja Polaszewski

Mondzeit: Wenn Frauen bluten

Autsch. Da ist es wieder, dieses Ziehen im Bauch – jeden Monat aufs Neue. Der „rote Baron“ ist gelandet, so sagt der Volksmund.
Ein heißer Tee, die Wärmflasche auf den Bauch.
Missmut und Misslaune, Unwohlsein und Unreinheit: Mit diesen und vielen anderen negativ behafteten Begriffen bringen viele Menschen vor allem aus dem westlichen Kulturraum den weiblichen Zyklus in Verbindung.


Nichts als Scham

Auffällig ist: Ausgerechnet hier, in der Welt des Fortschritts, der Aufklärung und Toleranz, schweigt man zu diesem Thema noch immer weitgehend schamhaft.
In einigen Teilen Deutschlands glaubten einige noch bis in die 1980er-Jahre hinein, das Blut menstruierender Krankenhaus-Assistentinnen würde die Qualität der Röntgenfilme beim Entwickeln beeinträchtigen …

Über die Jahrtausende hinweg ist selbst heutzutage in Industriestaaten von üblen magischen Kräften, bösen Flüchen und anderen Aberglauben die Rede. Und auch in der nicht weit zurückliegenden Vergangenheit lässt sich die Menschheit noch immer von derartigen Mythen beeinflussen.

Irgendwie erinnert mich das an ein anderes Thema: das „Langzeitstillen“. Wo man auch hinschaut: Brüste, mehr oder weniger offen zur Schau gestellt. Und da sitzt dann die stillende Mutter („Mama“: Lateinisch für „Brust“) eines Kleinkindes auf einer Parkbank. Man sieht eigentlich nur, dass das Kind trinkt. Eigentlich doch rührend. Aber da wird auch schon geschimpft und gelästert, was das Zeug hält.
Unter hinter besagtem Park an einem Hochhaus prangt das Plakat mit dem leicht bekleideten Model, das einen sexy Bra präsentiert. Eine ziemlich paradoxe Welt, in der wir da leben.


Lakotas und Mondzeit

Dabei hat das Thema Menstruation für viele Völker dieser Erde eine gewichtige Bedeutung. Naturvölker sehen den weiblichen Zyklus und insbesondere das Blut als wichtigen Bestandteil von Schöpfungsmythen. Das Blut als Inbegriff des Lebens symbolisiert seit jeher den Zyklus von Leben und Sterben und gilt aus diesem Grund als heilig.

Die Lakota-Indianer glauben, die Menschheit sei aus „Mondblut“ erschaffen worden. Mondzeit: So nennen sie auch den weiblichen Zyklus. Ist das nicht einfach zauberhaft? Ehrerbietend?
Beginnt also die Mondzeit („Menses“), reinigt die Natur die Frau, verbindet sie mit der „Erdmutter“. Es ist gewissermaßen die respektvolle Zelebrierung des Urweiblichen. Begriffe, die damit in enger Verbindung stehen: spirituelle Energie, kosmische Kräfte, Universum und Meditation.

Bei den Lakotas wird die erste Menstruation regelrecht zelebriert. Unter anderem mit dem „Werfen des Balls“. Gebete die ganze Nacht, und am Morgen kleiden die Stammesangehörigen die junge Ftau in weißes Hirschleder. Angesehene weibliche Verwandte dürfen mit Rat und Tat an diesem besonderen Tag zur Seite stehen. Anschließend versammeln sich alle an einem zentralen Ort; das Mädchen wirft nacheinander vier respektierten Chiefs oder Medizinmännern einen kunstvoll mit Perlen verzierten Ball zu. Die Männer segnen die „neue“ junge Frau. Danach gilt sie als spirituell „geboren“.

Aufklärung, bitte!

Bei Gott oder dem Universum (oder wem oder was auch immer): Warum also nicht auch hier unsere heranwachsenden Mädchen über diese Traditionen und Bräuche aufklären und ihnen zeigen, dass ihre erste Blutung nicht mit Schmerz, Unwohlsein und Tabus, sondern mit Weiblichkeit, Fruchtbarkeit und Stärke zu verbinden ist?
Dass Blut Lebenskraft bedeutet. Dass es wunderbar ist, Kinder bekommen zu können und einfach eine Frau zu sein. Keinen Grund zum Schämen – aber so viele zum Feiern!


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