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ROTA – rotzig frech und leidenschaftlich rotiert

Gerade bin ich zur Tür rein. Gemeinsam mit meiner Freundin Laura habe ich mir die Erfolgsproduktion ROTA der brasilianischen Choreografin und Tänzerin Deborah Colker im Admiralspalast nahe dem Bahnhof Friedrichstraße angeschaut. Sie hat vor 14 Jahren in Rio de Janeiro die Tanzgruppe Companhia de Dança gegründet, die seit damals erfolgreich nicht nur in Brasilien, sondern auch in der Welt erfolgreich auf Tournée ging – und zuletzt ist sie nun noch bis zum 12. August mit ROTA in Berlin unterwegs.

Vorweg: Das Wort „rota“ (gesprochen wird es wie das Spanische „j“ [xota]) stammt aus dem Lateinischen (und somit Portugiesischen) und bedeutet „Rad“. Was es damit auf sich hat? Etwas später.

Colker hat in ROTA klassische Musik und Soundtracks (ich habe sogar Leitmotive aus dem Film „Der Pate“ darin vernommen…) mit pochenden Elektro-Beats , Balletttanzszenen mit heißem Tanz und anmutig schwebende Körper mit frechen, sich bisweilen selbst ohrfeigenden Personen (ein beliebtes Stilelement von Colker) kombiniert.

Das Tanzereignis teilt sich in zwei Häften:
In den ersten 20 Minuten gibt es also moderne Ballettszenen, loungige Beats und freche „Kampf“-Szenen zu sehen, die bisweilen zum Schmunzeln und – sieht man die Künstler sich selbst scheintbar aus dem Stand in 50 Zentimeter Höher katapultierend – zum Staunen anregen.

Nach einer 20-minütigen Pause geht es zunächst sehr konzentriert weiter: Personen kommen im muskulös angespannten Schwebeschritt daher, recken und strecken mit nur scheinbarer Leichtigkeit die Glieder immer wieder in die verschiedensten Richtungen (dies erinnerte mich an Variétékünstler…), bevor am Ende mit einem großen Rad aufgewartet wird und die Tänzer/Performisten gewissermaßen Kopf stehen… Rota – das Rad.

Es hat sich gelohnt dabei zu sein. Laura konnte mein reges Interesse an dieser Show und mein Staunen teilen. Bei einem Bier haben wir uns anschließend noch ein wenig darüber ausgetauscht.

Ich habe an manchen Stellen rote Augen vor Rührung bekommen, so ergriffen war ich auf der einen Seite von der (hinter den Tänzern doch gewiss erahnten) starken Selbstbeherrschung in den langen Trainings/auf der Bühne und auf der anderen Seite der Anmut der Körper…

Komm‘ mit mir, sagte das Mädchen

In der Nacht saß die junge Frau im Schneidersitz auf ihrem Bett und weinte, den Kopf in ihren zarten Händen geborgen, wilde Tränen der Verzweiflung. Atemlos löste ein Schluchzer den anderen ab – das Herz erfüllt von Schmerz und tiefer Trauer. Eine Decke umhüllte ihren nackten, gebrochenen Körper, der soviel schon erfahren hatte und der ihr jetzt so sehr schmerzte – ihr Körper, der sich ruhelos vor und zurück bewegte, die Schultern verkrampft, der Rücken gebeugt. Doch der physische Schmerz war eine milde Gnade gegenüber den Schmerzen in ihrem Herzen. Ihre Seele brannte bis aufs Mark.Seit Stunden saß sie so da, schluchzte um ihre Vergangenheit, trauerte um die Zukunft, die sie nie haben würde und hasste angsterfüllt und schweigend die Gegenwart, in der nur die nagende Einsamkeit lauerte. Niemand hörte ihre Hilferufe.

Ein leises Rascheln mischte sich in die Stille der Nacht. Die junge Frau schaute skeptisch auf, ihre verlorenen Augen suchten nach der Quelle des Geräusches. Durch das Fenster ließ der Mond einen schmalen Lichtflur scheinen, in dem – eben noch leer – plötzlich ein wunderschönes kleines Mädchen stand. Die müden und trostlosen Augen der jungen Frau erschraken, doch die engelsgleiche Kleine näherte sich mit sanften Schritten. Eine Weile betrachtete die Eine die Andere.

„Du brauchst keine Angst zu haben“, sagte das Mädchen und legte ihre kleine Hand auf die Schulter der Frau.
„Wer bist Du? Ich bin sicher, ich habe Dich schon irgendwo einmal gesehen…“, sagte die Ältere, und ihre Augen suchten fragend nach der Antwort.

Die Zartheit des kleinen Wesens berührte die junge Frau. Sie musterte die Kleine mit ihrem langen, lockigen Haar, das ihr hübsches Gesicht umrahmte. Große, kluge Augen schauten sanft und ernst tief in die ihren hinein.
„Ich bin die andere. Ich bin die, die Du einmal gewesen bist. Ich fühle, was Du fühlst, ich leide, weil Du leidest. Ich bin gekommen, um Dich zu holen. Ich habe Dich rufen gehört und bringe Dich an einen sicheren, glückverheißenden Ort.“
Fassungslos hielt sich die junge Frau die Hand vor den Mund und wich ein wenig zurück.
„Hab‘ keine Angst, komm‘ mit mir“, sagte das Mädchen und ergriff die andere Hand der Trauernden, die ihre Angst gegen einen Zustand der Beruhigung austauschte.
Sie ließ die Kleine gewähren und stand von ihrem Bett auf. Langsam näherten sie sich dem Mondstrahl, der sie für immer in die ewige Höhe mitriss.

Ein paar Tage später fand man sie, blass und friedlich auf ihrem Bett liegend. Sie war ganz ruhig eingeschlafen, und nur ein winziges, seliges Lächeln umspielte ihren Mund.

Aus dem Alltag eines Stasi-Häftlings

Am vergangenen Samstag war ich in der Stasi-Gedenkstätte in Berlin-Hohenschönhausen. Auf die Idee, dort hinzufahren, bin ich gekommen, nachdem ich den Film „Das Leben der anderen“ gesehen habe und dieser mich stark beeindruckt und vor allem bewegt hat.

Ich nahm an einer Führung unter der Leitung des ehemaligen Stasi-Häftlings Hartmut Richter teil, der unserer Gruppe (wir waren wohl so um die 10 bis 15 Personen) sehr genau alle Details erzählte und geduldig alle unsere Fragen beantwortete. Der sympathische Mann saß ein Jahr in Hohenschönhausen. (Weitere Station als Gefangener: Bautzen II.)

Am meisten betroffen gemacht haben mich die ehemaligen Zellen des Kellergewölbes, das den Spitznamen „U-Boot“ erhielt, weil es dort keine Fenster gab und es demzufolge extrem dunkel war. Auch die Anordnung der Räume und Flure und die Türen erinnern mich an ein U-Boot. Sehr bezeichnend also. Diese „Räume“ wurden in der Nachkriegszeit als Gefängnisse genutzt und die Gefangenen unter menschenunwürdigen Verhältnissen „gehalten“.

Die Dunkelheit war nur eine der vielen Qualen verursachenden Facetten. Eine andere war schlimmer: die Feuchtigkeit. Viele Menschen erkrankten und starben in ihren „Kerkern“.

Die Insassen hatten eine kleine Zelle, die vielleicht höchstens sechs oder sieben Quadratmeter groß war. Darin standen nur eine hölzerne Pritsche und eine Fäkalien- tonne. Herr Richter erzählte uns, dass hier sowohl bei Tag als auch bei Nacht eine Glühbirne leuchtete, was dem Insassen schnell das Gefühl von Zeitlosigkeit vermittelt haben muss. Tagsüber durfte der Häftling nur sitzen, wurde er müde und fiel längs auf die Pritsche, war er durch Schreie oder An-die-Tür-Klopfen gewzungen, sich wieder aufrecht hinzusetzen…

Nur ganz wenige der Zellen hatten ein Fenster, das jedoch mit Milchglas gebaut war, sodass der Häftling nicht hinausschauen konnte.

Auf diese (und vermutlich jede für uns nicht vorstellbare andere grausame) Weise seien viele Insassen verrückt geworden, sagt Hartmut Richter. Viele haben versucht, sich das Leben zu nehmen.

Einige Häftlinge haben von so genannten Wasser-Folterzellen gesprochen, die in der Gedenkstätte Hohenschönhausen rekonstruiert wurden. Eine Foltermethode beinhaltete das monotone Tröpfeln von Wassertropfen auf den Schädel. Man kann sich vielleicht vorstellen, dass selbst solche harmlos klingenden Dinge auf die Dauer verrückt machen können. Auf die Dauer wird das dumpfe Tropfen schmerzen…

Die Zellen im „U-Boot“ wurden ab 1951 nicht mehr von den Sowjets belegt, wurden aber bis Anfang der 60er-Jahre (!) noch von der Stasi verwendet… Herr Richter hat hier aber Gott sei Dank nicht sitzen müssen… Was er während seiner Zeit in Hohenschönhausen hat durchmachen müssen, ist allerdings nicht minder schlimm.

Schlafen durfte man sowohl im „U-Boot“ als auch in den „moderneren“ Zellen im Neubau nur in einer bestimmten Position: Auf dem Rücken und mit den Händen sichtbar auf der Decke. Drehte sich ein Häftling im Schlaf, wurde er sehr unsanft darauf hingewiesen, dass er sich sofort in die vorgeschriebene Position zu bringen habe…

Mit einem Barkas 1000 wurden die Häftlinge einzeln in die verschiedenen Haftanstalten – so auch nach Hohenschönhausen – gebracht. Er war abgedunkelt, sodass der Inhaftierte nicht wusste, wohin er gebracht wurde. Meist waren die Wagen aus Gründen der Unauffälligkeit als Lebensmittelwagen o.ä. getarnt.

Um die Geständigkeit eines Insassen zu erzwingen, wurden sehr subtile Maßnahmen gebracht, so unter anderem monotone Geräusche oder das Versprechen der morgigen Entlassung aus der Haftanstalt. Glaubte sich der Häftling schon in Freiheit und fieberte dem Morgen entgegen, so wurde dann am Tag darauf einfach ignoriert – und kam natürlich nicht frei.

Diese und andere Geschichten erzählte uns Herr Richter während unserer knapp zwei Stunden dauernden Führung, die ich sehr interessant und packend fand. Einmal mehr wurde mein Bewusstsein darüber, wie gut es mir in meinem Leben geht, geschärft. Ich bin froh, in die heutige Zeit geboren zu sein…

Roma o morte! – 5. Tag

6.15 Uhr: Wir stehen auf und machen uns für den Heimflug bereit. Ein paar Sachen müssen noch zusammengepackt werden. Bei drei Mädchen in einem Hotelzimmer eine mühselige Aktion, die wir jedoch erfolgreich meistern. Nach dem Frühstück (jeden Morgen gab es hier Cornetti, Brötchen und Brot, verschiedene Joghurt- und Müslisorten, Marmelade, Käse und Wurst, Mozarella-Bällchen, Rührei und Speck und -siehe da- normalen Kaffee… ganz nach dem Bedarf der Mama) fahren wir mit einer Großraumtaxe (diesmal verhandeln wir nicht und zahlen 65 EUR; Die Fahrt dauert ca. 40 Minuten) zum Flughafen und checken ein.

Gegen 8.45 Uhr geht unser Flieger. Jeder ist mit den Gedanken bei dem Erlebten und würde am liebsten noch ein paar Tage oder gar Wochen bleiben. Viel zu schnell ist die Zeit vergangen, und viel zu schnell vergeht der Flug.

Als wir in Berlin landen, regnet es…