Archiv der Kategorie: Sprache

Hinters Licht geführt

Unterwegs im Kaufhaus. Zwei Mädchen um die 16 probieren Klamotten an. Eine Blonde und eine Brünette. Sehen ganz schnieke aus, die beiden. Die Blonde hält ein tolles, sattgrünes Oberteil in den Händen.

“Ey, meinsdu das steht mir?” Sie hält sich das Kleidungsstück demonstrativ an den Körper.
Die Brünette runzelt die Augenbrauen, schürzt die Lippen, schaut skeptisch.
“Näh, findisch gar nisch. Nääääh … sieht voll komisch aus.” Finde ich gar nicht, ich finde, das Teil würde der Blonden bestimmt gut stehen!
“Was? Wieso?! Was isn faul dran?” Die Blonde kann es einfach nicht glauben.
“Voll hässlisch!”
“Was: ich oder das Shirt, ey?”
“Beide.” Die Brünette lacht aus voller Kehle.
“Du bist voll bescheuert, ey!”
“Ey wartma, komma kurz mit.” Die Augen der Brünetten blitzen auf. Ihr sitzt der Schalk im Nacken.
“Wieso das denn jetz?” Die Blonde versteht die Welt nicht mehr. Warum soll sie jetzt woanders hingehen? Ausgerechnet jetzt, wo die Freundin sie ach so mies behandelt?
“Komm dochma mit, ey. Zeigisch Dir!” Die Brünette zerrt die Blonde an der Hand in eine Ecke, hinter eine Stehlampe. Dann lässt sie ihre Hand los.
“Ey, willst Du mich verarschen!?” Die Blonde verliert langsam die Geduld, während die andere dasteht und ein fettes Grinsen auf den Lippen hat.
“Nee, ich wollt Dich nur hinters Licht führn, ey!” Die Blonde schaut ungläubig. Es dauert etliche Momente, bis sie begriffen hat. Dann gackern beide los.

Jemanden hinters Licht führen. Ursprünglich bedeutete diese Wendung, dass jemand dorthin geführt wurde, wo das Licht einer Lampe abgeschirmt war. Hier konnte man also nicht sehr gut sehen, was vor sich ging …

Ich muss mir selbst eingestehen, auch ich finde die AKtion der Brünette sehr komisch – und ziemlich intelligent. Ich gackere mit.


Schaufensterpuppe in Friedrichshain

Das geht doch auf keine Kuhhaut!

Gerd aus Mecklenburg-Vorpommern schreibt: „[…] Mir ist gerade Folgendes entwichen: Das geht doch auf keine Kuhhaut! Woher stammt diese Redewendung?“

Ich habe für Dich recherchiert, lieber Gerd: Der Ausruf Das geht auf keine Kuhhaut stammt aus dem Mittelalter. Damals schrieb man noch nicht auf Papier, sondern auf Pergament. Dieses Material gewann man aus verschiedenen Tieren: Schafen, Ziegen oder Kälbern. Je größer das Tier, desto größer auch das Pergament. Und so ein Pergament aus Kuh ist eben ein ganz besonders großes. So weit, so gut. Und nun?

Damals jedenfalls glaubten die Menschen, der Teufel würde all ihre Sünden auf Pergament notieren und sie ihnen nach ihrem Ableben darlegen. Ah, man ahnt es schon: Passten all diese Sünden nicht einmal auf eine Kuhhaut – nämlich auf ein besonders großes Pergament! –, so hatte der betreffende Sünder mächtig viel auf dem Kerbholz

Die Redensart Das geht auf keine Kuhhaut drückt heute aus, dass etwas zuviel des Guten – oder eben des Schlechten – ist. Ja, und manchmal ist es auch der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. Doch dazu später.

Das geht doch auf keine Kuhhaut! – Bullen auf Pferden (in Denver, Colorado/USA)

Es zieht wie Hechtsuppe

Meine Güte, ist das windig draußen! In unserer schönen Berliner Altbauwohnung sind ein paar Fenster geöffnet. Sie schlagen kräftig gegen die Rahmen. Es zieht wie Hechtsuppe!
Schluss mit dem Lüften. Hingeeilt, und die Fenster geschlossen. Ruhe – und Windstille.

Doch keine Stille in meinen Gedanken: Bezieht sich die Redensart Es zieht wie Hechtsuppe auf ein Fischgericht? (Hmmm, schmackhafte Hechtsuppe mit vielen Zwiebeln und frischem Suppengrün! Abgeschmeckt mit leckerem Weißwein …) Ja, das könnte man meinen oder: möchte man wohl eher.

Denn: Was hat ein kalter Luftzug mit einem leckeren Mahl zu tun?
Hier die Erklärung für alle Wissenshungrigen:
Hechtsuppe ist eine Verballhornung der jiddischen Wörter hech („wie“) und supha („Sturm“). Oh ja, das klingt wie Hechtsuppe.

Es zieht wie Hechtsuppe bedeutet also: Es zieht wie bei einem Sturm.
Wie ich diese Sprachverdreher liebe!

Kein Hecht, aber auch nicht schlecht: Dieses unscharfe (und nicht gerade appetitanregende) Handyfoto entstand bei „Rogacki“ in Charlottenburg

Stockfinster

Gerade noch von der Karibik geträumt und jetzt das: total verregnet ist es draußen. Und stockfinster. Was für ein ungemütlicher Anblick.
Wieder so ein Wort. Stockfinster. Hat das was mit einem Stock zu tun? Vielleicht mit seiner Farbe? Hm, es gibt doch aber auch helle Stöcke.

Der Stock war in früheren Zeiten das Gefängnis. Es wurde nach den Holzblöcken (aha!) benannt, in denen die Füße der Inhaftierten steckten, um einer Flucht vorzubeugen. Der Gefängniswärter hieß deswegen auch Stockmann.
Stockfinster heißt also: dunkel wie im Gefängnis.

Wieder ein bisschen schlauer – und ganz froh, dass ich so einen Stock nicht von innen sehen muss.
Ich hoffe trotzdem, dass es noch einmal richtig schön warm – und hell! – wird.

Warmer Herbst im Chinesischen Garten (Berlin-Marzahn)

Ganz aus dem Häuschen (2)

Viele Glückwünsche und Komplimente erreichten mich gestern und heute bezüglich des „Blogger Marathons“ – und meines Blogs. Ich bedanke mich an dieser Stelle noch einmal ganz herzlich für so viel Engagement und positive Resonanz! Und ich bin noch immer ganz aus dem Häuschen. Da ich gestern versprochen habe zu erklären, woher denn diese Redewendung stammt, lege ich gleich mal los.

Die Bedeutung dürfte den meisten bereits klar sein: (freudig) aufgeregt sein. Ganz klar. Und woher stammt nun diese Redensart?
Diese Frage ist schnell beantwortet: Wenn damals in einem Dörfchen jemand eine ganz spannende oder aufregende Nachrich erhielt, rannte er aus seinem Haus – oder eben Häuschen – und verkündete es freudig erregt allen. Ja, und für alle anderen war dann dieser jemand eben umgangssprachlich ganz aus dem Häuschen. Das bin ich auch gleich – und zwar im wahrsten Sinne des Wortes: außer Haus!

Allseits einen schönen Samstag!

Ein Häuschen, in dem man mal sein möchte: „Russische Kolonie“ (Potsdam)