Die UEFA EURO 2008™ läuft, und überall auf den Straßen sieht man hupende Autos mit Fahnen oder Wimpeln und geschminkte Gesichter mit kämpferisch blitzenden Augen. Manch einer färbt sich sogar sein Haar in den Farben der favorisierten Mannschaft oder lässt sich ein Bodypainting machen. Hingucker! Oder Weggucker – wie man es nimmt.
Das Spiel Deutschland gegen Polen erlebe ich am Helmholtzplatz in Berlin Prenzlauer Berg. Meine beiden Begleiter und ich sitzen draußen in einem Café auf ziemlich bequemen, gepolsterten Stühlen – und stehen unter Hochspannung. Einer wackelt nervös mit dem Knie, der andere spielt mit seiner frisch gedrehten Zigarette herum, die er pünktlich zum Anpfiff anzünden und rauchen wird. Er überlegt kurz, sie sich noch eine Weile hinter das Ohr zu klemmen, zögert dann aber und lässt sie wieder zwischen den Fingern hin- und hergleiten.
Die Kristallweizen stehen auf dem Tisch, bereit, gleich in die Untiefen unserer fußballgierigen Hälse hinuntergestürzt zu werden. Gleich geht es los! Wir bringen unsere Körper in eine aufrechte, konzentrierte Haltung. Noch eine Minute… Anpfiff! Erst jetzt stoßen wir an! Begleiter Nummer zwei zündet sich zeremoniell seine Zigarette an und zieht beunruhigend lange daran.
Wirklich sehr spannend, die erste Halbzeit, vor allem die erste halbe Stunde: In der fünften Minute bekommt Klose einen Steilpass von Ballack, und der spielt ihn dann Gomez zu. „Jaaaaa…!“, hört man es überall raunen – vor allem von Begleiter Nummer zwei mir zur Rechten. „Schöööön…!“ Doch der Fußballer, der dafür bekannt ist, dass er vor jedem Spiel links außen pinkelt, verfehlt das Tor um wenige Zentimeter. Der Pass ist zu steil, und der Ball bekommt nur Gomez’ Fußspitze zu spüren.
Kloses Sturmpartner hat versagt. Wüste Beschimpfungen fallen in seine Richtung; wie gut, dass er sie nicht hören kann. Ärger und Unverständnis auch bei meinen Begleitern: Nummer zwei nuschelt etwas, und Nummer eins brabbelt zurück. Ich habe kein Wort verstanden. Dann kommt mir eine Idee, wie ich ihrem nicht enden wollenden Unmut entgegen steuern kann: „Naaaa…“, sage ich und hoffe, dass meine Rechnung aufgeht, „… abwarten, da ist doch noch alles drin. Das wird!“. Es funktioniert: Die Jungs beruhigen sich und nicken bedächtig – und einsichtig. Ja, das wird schon noch…
Eine junge, sehr attraktive Frau nähert sich von rechts. Ich sehe sie aus den Augenwinkeln; die Männer verfolgen aufmerksam das Spiel. Sie trägt einen geblümten Rock und ein weißes Top – tief ausgeschnitten. Sie hat langes, dunkelglänzendes Haar und schöne Augen. Nicht zu vergessen der umwerfende Gang und ihre eindrucksvollen Formen. Wir sitzen gegenüber dem Café – zwischen uns befindet sich nur der Bürgersteig.
Die Frau geht an den Tischen vorbei und versperrt für nur wenige Sekunden die Sicht auf den Monitor. Meine beiden Begleiter verrenken sich panisch die Köpfe, um ja keinen Augenblick des Spiels zu verpassen. Eine urkomische Situation. Wenn einige Männer Fußball gucken, sind sie meist derart auf das Spiel fixiert, dass vor ihren Augen die schönste Frau der Welt leicht bekleidet umherstolzieren kann, ohne dass sie ihren Blick vom Fernseher oder der Leinwand abwenden. Es könnte – anders ausgedrückt – nebenbei auch einfach nur die Welt untergehen…
Klose spielt Poldi einen Querpass zu, dieser schießt vor, erzielt ein Tor. Jaaaaaaaaa! Die Masse reißt die Arme hoch und jubelt – mit ihr auch die beiden Männer. „Schööööööön gemacht“, sagt mein Begleiter Nummer eins lautstark. Der andere nickt eifrig. 1:0 für uns! Die Hände der Jungs zittern. Ein großer Schluck aus dem Bierglas. Ende der ersten Halbzeit und Pause. Zeit für erste Analysen; Zeit zum Wasserlassen.
Es geht weiter in die zweite Halbzeit. Sie verläuft nicht ganz so aufregend und nicht ganz so aktionsreich wie die ersten 45 Minuten. Deutschland scheint ein bisschen defensiver und ruhiger geworden zu sein. Ich gähne. Fußball schauen ist anstrengend. Ich bin mir sicher, dass man beim Zuschauen als „Passivspieler“ vor Aufregung zahlreiche Kalorien verbrennt. Wir bestellen noch ein Kristallweizen. Okay, vielleicht nimmt man auch zu.
Löw tauscht Fritz gegen Schweinsteiger – und das ist gut so: Klose bekommt „Schweinis“ Pass und spielt „Poldi“ zu. Der stürmt dann heldenhaft über links nach vorne… Poldi vor, zweites Tor! Hua! 2:0.
Einzig Podolski jubelt nicht. Sein Herz schlägt eben auch für sein Geburtsland. Er verzieht kaum eine Mine, tritt bescheiden auf und scheint sich nicht sonderlich für seinen Sieg zu interessieren. Meine beiden Begleiter schauen sich das Ganze gerührt an und sympathisieren mit dem jungen Stürmer. Am Ende dann trägt Poldi das Trikot der Polen. Die beiden Männer beobachten ihn aufmerksam und fast schon ein wenig bewundernd. Diese Jugend… Diese Reife! Hach ja, auch das ist Fußball…
Viele verschiedene Charaktere, die auf so einem Spielfeld aufeinanderprallen – von bescheiden und zurückhaltend bis hin zu aufbrausend oder gar cholerisch. Fußball, das bedeutet an- und aufregende Situationen, viele Emotionen und auch Sensibilität.
Mein Fazit: Fußball repräsentiert nicht Männlichkeit, sondern Menschlichkeit.
* Dieser Beitrag wurde einem Augenzwinkern versehen. Es empfiehlt sich, dieses nicht zu ignorieren. 😉
Servus Coralita!
Ich habe vorhin nach „allerweltsteufelchen“ gegoogelt,
weil ich sehen wollte, was Google noch so alles indexiert.
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Ich dachte mir: „Mei, die Coralita… Was die wohl jetzt macht…“
Im Juni vor 11 Jahren habe ich hier kommentiert.
Wie doch die Zeit vergeht… (Bin jetzt 56 und welke dahin..;-)
Ich finds cool, dass wir quasi die Explosion des Web2.0
miterlebt haben, als vieles im Bau/Umbau/Weiterentwicklung
war, Community-Plattformen wie blog.de unkomplizierte
Kommunikation ermöglichte. Inzwischen alles Geschichte..;-)
Mal gucken, ob du noch guckst..:-D
Herzliche Grüße aus der guten Stube!
Schön, dass Du wieder mal ein bisserl Zeit
für mich hast. 😉
(Ich wollte dich eigentlich gar nicht ausfragen. 😉 )
Unsere Art des Zusammenkommens erinnernt mich
an eine ähnliche interessante Zufalls/Schicksalsbegegnung.
Vor etwa 10 Jahren, ich weiß es nicht mehr so genau,
läutete abends das Telefon. Ich meldete mich mit “Pronto!”,
meiner Standardansage, und gleich darauf entschuldigte sich
eine weibliche Stimme schmunzelnd mit einer der üblichen Standardphrasen.
Ich glaube, es war dieses “Entschuldigung! – Da hab ich mich verwählt!”
Irgendwie fand ich Timbre und Dialekt ansprechend, was mich spontan
dazu brachte, nach der Herkunft zu fragen. Es entwickelte sich ein
spassiges Gespräch und wir verblieben dabei, wieder mal
miteinander zu telefonieren. Der Kontakt hielt über mehrere Jahre.
Wir haben uns nie getroffen/gesehn.
Quasi ein offenes Telefonschnackverhältnis. 😉
(Du weißt ja – hätte ich seinerzeit nicht die SZ gelesen,
würden wir jetzt wahrscheinlich nicht miteinander texten. 😉
Überzeichnen ist manchmal gar nicht verkehrt. Ironie und Sarkasmus auch nicht. Immer dann, wenn es denn passt.
Behaart? Lieber nicht. Groß und stark? Muss nicht, kann aber. Und ein wirklicher Mann ist er für mich erst dann, wenn er mir auch in der Öffentlichkeit und vor seinen Freunden sagen und zeigen kann, dass er mich liebt – und es mir nicht nur ins Ohr flüstert.
Du hast den Hasen aus den Augen verloren… 😉
Ich überzeichne halt gerne. 😉
Ich weiß, dass Frauen keine Luschen wollen.
Groß, behaarrt und kräftig muss er sein.
Nicht zuviel Testosteron, aber auch nicht zu wenig.
Charmant, gebildet, ein “Ich-liebe-Dich-ins-Ohr-Flüsterer”.
Ich weiß, wie der Hase läuft. 😉
Gehauchter Handkuss.. 🙂
Allerweltsteufelchen:
Ganz so überspitzt würde ich es nicht formulieren. Obwohl da ja etwas Wahres dran ist. 😉
Männer mit nur wenig Testosteron sind in meinen Augen allerdings noch viel mehr Zombie als die ganz “Wilden”.
Und – so ganz allgemein – nehmen alle Frauen alles Mögliche hin, wenn sie lieben… Aber das ist dann bei den Herren der Schöpfung wohl gleich.
Ich riskiere mal wieder einen Kommentar. 😉
Mit wirklich geringen Ausnahmen sind männliche Fussball-Fans
nichts anderes als wilde Testosteron-Zombies!
(Und die meisten Frauen nehmen es hin, weil Liebe halt Grenzen
überwindet, gelle. 😉