Böhmische Dörfer

Morgendlicher Spaziergang durch den Park. Ich überhole zwei ältere Frauen und schnappe auf, wie die eine die andere fragt, ob diese ihr bei einer Häkelarbeit behilftlich sein könnte. „Meine Liebe, ich konnte noch nie gut häkeln oder stricken. Das sind für mich böhmische Dörfer.“ Böhmische Dörfer. Diese Wendung gebrauchen wir, wenn wir von etwas keine Ahnung haben – oder haben wollen. Soweit klar, aber was haben Unwissenheit oder Desinteresse mit Dörfern in Böhmen zu tun?

Ein kleiner Abstecher in die Geografie: Böhmen ist eine Region in Tschechien, die im 16. Jahrhundert sogar Königreich war. Westlich liegt Deutschland. Okay, prima. Und jetzt zur Sache: Trotz dieser Nachbarschaft unterscheiden sich die deutsche und die tschechische Sprache sehr. Der Deutsche hatte schon immer Probleme vor allem mit böhmischen Ortsnamen, konnte sie einfach nicht aussprechen. Für mich sind das böhmische Dörfer. So begann er schließlich auch auszudrücken, dass er von einer Sache nichts versteht …

Die Tschechen haben übrigens eine ähnliche Redewendung: Sie sprechen von spanischen Dörfern (die allerdings sind von Tschechien aus gesehen richtig weit weg) … Und auf Englisch sagt man bei etwas Unbekanntem It’s Greek to me (Das kommt mir Griechisch vor).

Aber letztlich ist es ganz egal, ob böhmische Dörfer oder doppeltes Niederländisch: Die ältere Frau aus dem Park hat vom Häkeln einfach keine Ahnung.

Kein böhmisches Dorf, dafür aber tschechisches Prag: Musiker auf der Karlsbrücke

13 Gedanken zu „Böhmische Dörfer“

  1. Kalispera!

    Zu Kommentar 9:
    Mir bringt das schon was. Ich werde mich nie mit einem
    typisch deutschen „Sä“ blamieren! (Ti-Äitsch 😉

    So! Ich muss mich jetzt um die Bügelwäsche kümmern
    und danach die Vorhänge abnehmen.
    Weiterhin kommt später meine beste Freundin mit einer Flasche
    Rotpäppchen vorbei. (Wir gucken gemeinsam die Lena-Telenovela im ZDF.)
    Hach! – Irgendwie ist alles sooo stressig. ;-D

  2. Coralita, ganz allgemein glaube ich schon, dass die heutige Hektik und der oft notwendige Existenzkampf tatsächlich weniger Zeit für privates lassen.
    Aber bei mir speziell: In der DDR war ich noch verheiratet, hatte Kinder und war beruflich recht zufrieden. Die Kinder sind jetzt älter als du, verstreut in die „Welt“ und wenn sie, wie Sohn, noch in Berlin, dann so mit Aufbau seiner Selbständigen-Existenz (mit 40) befasst, nachdem er entlassen wurde, dass ihm sehr wenig Zeit bleibt.
    Wenn ich nicht meine Kinderbetreuung hätte, die mir unendlich viel Spaß macht, ich würde manchmal verzweifeln.
    Bei mir auf dem Blog gibt es ja unter „DDR“ sehr vieles zu lesen, denn mit 40:25 Jahren war sie nun mal der größere Teil meines Lebens.
    Lieb grüßt die Clara

  3. Liebe Clara,

    das hast Du wunderschön – und ziemlich präzise – beschrieben. Glaubst Du, dass die Menschen heute weniger Zeit im allgemeinen und weniger Zeit speziell für Ihre Familien haben?

    Wir haben heute viel zu viel und eigentlich permanent zu tun. Und dann irgendwann stellen wir voller Erschrecken fest, dass die einzig wichtigen Dinge auf der Strecke geblieben ist: Liebe und Freundschaft. So scheint es mir manchmal. Deswegen kämpfe ich jeden Tag für ein „rechtes Maß“ an allem.

    Ich bin zu kurz auf der Welt, um die DDR-Zeiten wirklich bewusst miterlebt zu haben, kann mich nur an einzelne Dinge wie Süßigkeiten und dergleichen erinnern … Aber ich spitze gespannt die Ohren, wann immer mir jemand mehr zu berichten weiß. Danke also für Deine Einschätzungen und Erzählungen. 🙂

    Nachdenkliche und herzliche Grüße schickt Dir
    Coralita.

  4. Coralita, das mit der männlich/weiblich-Zuordnung habe ich hoffentlich dauerhaft abgespeichert. –
    Fehlt sie mir? Wenn, dann nicht wirklich, weil die heutige Zeit bewegt genug ist für mich, um kaum Zeit dafür zu haben, alten Zeiten hinterher zu weinen.
    Vielleicht fehlt sie mir mehr indirekt als direkt – zu diesen Zeiten war auch familiär vieles mehr in Ordnung als heute, und das ist oft viel wichtiger als eine perfekt sanierte Hausfassade. Letztere ist schön(er) fürs Auge, ersteres für die Seele.
    Lieb grüßt dich Clara

  5. Liebe Clara,

    eine kleine Aufklärung: Das AWTchen ist – zumindest mir bewusst ist – ein Mann. 😎
    (Nicht, dass er sich eines Tages noch aufregt.)

    Die „gute alte“ DDR: Fehlt die Dir eigentlich manchmal?

    Ganz herzliche Grüße schickt Dir
    Coralita

  6. Liebes AWTchen,

    ich schick Dir ein kräftiges HOLA zurück!
    Du sprichst – und schreibst – Griechisch? Wow, ich bin fast schon ein bisschen beeindruckt. 😉
    Und was bitte hast Du heute von Deinem perfekten „th“? 😛
    Nein, im Ernst: Toll! Griechisch wollte ich auch schon immer lernen. Mach ich auch noch, wenn die Zeit dafür „reif“ ist.

    WALDmannsheil! 🙂
    Coralita

  7. Liebe Abidi,

    […] die “Dörfer” machen die Redewendung erst richtig charmant. Ist doch viel netter, es so auszudrücken, als einfach nur “keine Ahnung” zu sagen …

    Genau so ist es!
    Wie langweilig wäre die Welt, wenn wir alles immer nur unbildlich, „stumpf“ rational – und exakt wörtlich – ausdrücken würden? 😉

    Liebe Grüße,
    Coralita

  8. Coralita, die böhmischen Dörfer wurden bei uns auch oft an- und ausgesprochen. – Meine Vorgängerin hat ja schon die „Potjomkinschen Dörfer“ angesprochen, die früher auf der Protokollstrecke „aufgebaut“ waren, damit unsere Regierung denken konnte oder musste, alles ist so in Ordnung in ihrer guten DDR.
    LG von Clara

  9. Hola!

    Gott sei Dank hat mir meine Mutter ihre Muttersprache beigebracht. (Griechisch)
    Im Englisch-Schulunterricht war ich meist der Einzige in der Klasse,
    der das „Ti-Äitsch“ korrekt beherrschte.
    (Weil im griechischen Alphabet das δέλτα-Delta-„D“ wie das englische „Ti-Äitsch“
    ausgesprochen wird. Lob war mir sicher beim Vorlesen. 😉
    Ich selbst konnte nie verstehn, warum meine Mitschüler meist nur einen S-Laut
    zustande brachten. Einfach flink die Zungenspitze an die Frontzähne stubsen
    und kurz ausatmen. Kinderleicht! 😉 (Die Briten sind a priori zu doof dazu. ;-D

    Bin ich gekommen Zug war Bahnhof weg!
    (Potemkinsches Dorf. 😉

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