Zieh Leine!

Unterwegs in der Bergmannstraße. „Tiefstes Kreuzberg“. Hier tobt das Leben, und immer wieder fasziniert mich das. Vor mir auf dem Bürgersteig steht ein junger Mann um die 30. Der dünne Kerl hält eine rote Rose in der Hand und schaut verzweifelt an dem Haus hoch, vor dem er steht. Er macht mich neugierig. Ich bleibe stehen und schaue ebenfalls an der Häuserfassage hoch.

Mein Blick bleibt an einem rothaarigen Mädchen mit traumhafter Mähne haften, das aus einem der Fenster schaut. Sie macht ein missmutiges Gesicht. Das steht ihr gar nicht. Oh oh, ich ahne es: Diese Situation hier bedeutet Stress. Langsam und unauffällig bewege ich mich weiter.

„Mann, zieh endlich Leine! Ich will nichts von Dir!“ Sie schreit den jungen Mann an und knallt das Fenster zu. Ich fahre zusammen. Wie gemein. Mitleidig schaue ich ihn an. Er schaut zurück. „Da soll mir mal jemand sagen, dass ich nicht aufgeben soll. Ey, mir reichts!“ Er geht, die Schultern hängen. Ich kann ihn gut verstehen.

Mit der Redewendung Zieh Leine! fordern wir jemanden unsanft auf, endlich das Weite zu suchen. Höchstwahrscheinlich stammt sie aus der Binnenschifffahrt: Damals zogen noch Menschen und Pferde Kähne an dicken Leinen stromaufwärts. In ärmeren Gegenden wird noch heute „getreidelt“.

Auch ordentlich PS: Pferderennen in Hoppegarten

10 Gedanken zu „Zieh Leine!“

  1. Hola!

    Äääähm… Noch ’ne knorke Alternativerklärung hinterher schiebe:
    Hin und wieder rufen das Ehemänner den Gattinnen zu,
    wenn’s mal quasi wieder so weit ist. ;-D

    „ZIEH LEINE!“, Schatzi! 8==(o> ;-))

  2. Rewolve44: Genau, kein Sch**** ist so hart wie das Leben. *Lach und gleich wieder räusper*

    Fulano: Ich auch! Schon immer! „Hoppehoppe-Reiter“ kommt ja auch nicht von ungefähr. 😎

    Rosie: Du sagst es. Und Männer stehen da wohl auch heute noch unter einem besonderen Druck …

    Abidi: Ja, diese Filme finde ich auch sehr faszinierend. Und besonders witzig finde ich, wenn ein „Sie Flegel!“ dann auch noch von einem Schlag mit der Handtasche „untermauert“ wird. 😀

    Lilie: Ja, da sagst Du was … „nicht aufgeben“ setzt das ja vermutlich schon voraus.

    Quer: … genau wie wahrscheinlich Katzen in der Paarungszeit. LOL

  3. Mir kommt das vor wie ein mittelalterlicher Minnesänger vor dem Fenster seiner Geliebten. – Auch damals war wohl nicht jeder „willkommen“… 😉

    Liebe Grüsse,
    Brigitte

  4. Aber schöne Redewendung. Erinnert mich an Schwarz-Weiß-Slapstickfilme. Da herrschte so ein „Ton“, wenn auch auf Bildtäfelchen oder nachträglich vertont. „Zieh Leine“ und „her mit den Piepen“ und „Sie Flegel“ …

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