Archiv der Kategorie: Sprache

Feige Ohrfeige

Hua. Nass draußen – und ziemlich kalt. Der Herbst hält Einzug. Die ersten Blätter sind zu Boden gefallen, die Abende kürzer geworden. Doch ich gebe die Hoffnung auf einen schönen Spätsommer noch nicht auf. Immerhin haben wir noch den halben September und den ganzen Oktober. Und letzterer dürfte ja wohl mal gülden werden. Wenigstens ein paar Tage lang. Trotz des Regens schlüpfe ich in meine Joggingschuhe und mache mich auf in den Schlosspark Charlottenburg. Keine Menschenseele unterwegs. Ich liebe das.

Die zweite Runde ist geschafft. Frische Luft und Bewegung tun gut. Eine Frau um die 30 und ein kleiner Junge kommen mir aus einiger Entfernung entgegen. Der süße Bengel hüpft ausgelassen auf und nieder, immer wieder. Die Frau schaut missmutig drein, und irgendwann reicht es ihr: Sie gibt dem Jungen – vermutlich ihr Sohn – eine Ohrfeige. Im Vorbeijoggen werfe ich ihr einen vorwurfsvollen Blick zu. Ohrfeigen finde ich doof, sogar richtig feige …

Ohrfeige. Was ist das eigentlich wieder für ein merk- und denkwürdiges Wort? Hat das vielleicht sogar etwas mit feige zu tun? Oder mit der gleichnamige Frucht? Vielleicht hat Friedrich Schiller in Kabale und Liebe ( „Ohrfeig um Ohrfeig – das ist so Tax bei uns – Halten zu Gnaden.“) ja wirklich an Feigen gedacht, die ihn an die  Schwellung erinnerten, die eine Ohrfeige auslöst. Vielleicht ist das jetzt aber auch zu weit hergeholt. Eine andere Erklärung: Die Ohrfeige kommt vom Fegen im Sinn einer ausholenden Bewegung. Ja, das ergibt einen Sinn für mich.

Und die Backpfeife? Ist mit der Ohrfeige verwandt: Pfeife ist anscheinend eine Umdeutung der Feige. Eigentlich müsste es also heißen: Backfeige. Dieses Wort erinnert mich an frisch gebackenen Kuchen: wohl duftend, weich und lecker. Ich habe Appetit bekommen … richtige Esslust…
Innerlich ohrfeige ich mich selbst. Eine Runde muss ich noch.

Herumtollender Junge

Am liebsten blaumachen

Ich zähle Geld. Bei 101.587 Euro und elf Cent bin ich angelangt als der Wecker klingelt. Wie unhöflich. Ja, und was für ein Traum! Eine Straße voller Geldscheine … Ich reibe mir die Augen und verachte den Wecker, diesen Spaßverderber!

Aus dem Bett gequält, die Vorhänge zurückgezogen. Kalt! Und grau. Ein Anblick zum Abgewöhnen. Ich denke kurz darüber nach, mich klammheimlich wieder unter meiner Bettdecke zu verkriechen – und dann den ganzen Tag einfach zu verpennen. Was für ein verlockender Gedanke – den ich schnell wieder verwerfe. Denn die Arbeit ruft, schreit förmlich nach mir.

Am Schreibtisch. Beim Verfassen einer E-Mail ein erneuter Blick aus dem Fenster. Wie ungemütlich! Wah. Ich würde doch zu gern blaumachen heute. Noch während mir dieses Wort durch den Kopf schießt, sinniere ich über seine Bedeutung. Warum sagt man das eigentlich: blaumachen? Was macht man denn blau? Oder ist man blau, weil man zuviel getrunken hat und am nächsten Morgen nicht arbeiten kann? Oder weil jemanden der Blues erwischt hat?

Ich schlage nach und finde zwei Erklärungen. In beiden hat das Fernbleiben am Arbeitsplatz nichts mit dem Genuss von Alkohol zu tun.

Erklärung Nummer 1: Wenn Färber damals etwas blau einfärbten, mussten sie den Stoff einen ganzen Tag lang im Färbebad liegenlassen. Denn die blaue Farbe musste sich – anders als andere Farben – erst durch einen chemischen Prozess entwickeln. Eine ziemlich langwierige Angelegenheit also. Blaumachen: sich einen Tag lang nicht um die Stoffe kümmern.

Erklärung Nummer 2: Werktätige brauchten am Montag vor Fasnacht (auch blauer Montag genannt) nicht zu arbeiten. Im Laufe der Zeit wurden aus dem blauen Montag eben viele blaue Montage – und Dienstage und Mittwochs …

Das Telefon klingelt. Ich schrecke aus meinen Gedanken hoch.
Nichts mit blaumachen heute.

Einen Tag blaumachen – und ein Eis essen gehen, zum Beispiel

Du bist so dämlich!

„Du bist so herrlich dämlich!“ Das sagt sie zu mir. Einfach so. Meine Freundin aus Jugendtagen. Die eine. Die, die ich nie vergessen konnte und die mir immer wieder begegnet ist – obwohl ich sie aus den Augen verloren hatte: Grit. Die, bei der ich den Nagel auf den Kopf getroffen habe. Und nur sie wird jetzt verstehen. Und dann fragt sie mich: „Warum sagt man das eigentlich: dämlich?“

Wie gut, dass ich die Antwort auf ihre Frage sofort parat habe, denn mich selbst hat es auch immer gefesselt, dieses Wort: dämlich. Wenn herrlich von Herr abstammt, kommt dann dämlich von Dame?
Zum Glück nicht! Dämlich stammt von dem niederdeutschen dämeln ab. Okay, und was heißt das? Nichts anderes als nicht recht bei Trost sein.
Und sonst? Gibt es noch den Dämlack, der genau daher seine Wurzeln hat.

Der Duden schreibt noch: „Verwandt ist z. B. bairisch-schwäbisch damisch, dem älteres, heute untergegangenes dämisch entspricht, ferner im außergermanischen Sprachbereich z. B. lateinisch temetum (= berauschendes Getränk), temulentus (= berauscht), mittelirisch tam (= Krankheit, Tod) und russisch tomit (= quälen, bedrücken).“

Keine so dämliche Idee …

Dienst tun am Dienstag

Schon wieder Dienstag! Noch während ich mich an meinen Schreibtisch setze, überlege ich, warum der Dienstag eigentlich Dienstag heißt. Klarer Fall für meine Recherche.

Und hier das Resultat: Schon im Mitteralter glaubten die Menschen, dass man an einem Dienstag zu dienen hat. Man ging sogar so weit, den Namen mit Dies servitii (Tag des Dienens) ins Lateinische rückzuübersetzen.

Das ist aber nicht richtig: Ursprünglich hieß der Dienstag Martis Dies. Tag des Mars. Denn so wie alle anderen Wochentage wurde auch der Dienstag nach einem Gott benannt (siehe Freitag). Und in diesem Fall war es eben der Kriegsgott Mars, dem auch der „rote Planet“ seinen Namen zu verdanken hat.

Okay, soweit alles klar. Aber warum heißt jetzt der Dienstag nicht Marstag oder Martistag – oder so? Ganz einfach: Die Germanen haben statt des römischen Gottes einfach ihren eigenen genommen und den Tag nach diesem benannt: Ziu. Daraus ist dann der Ziestag und später unser Dienstag geworden.

Na dann: Allen einen schönen Dienstag!

Schweißer im Dienst

Ein richtiger Vielfraß

Heute Abend haue ich ordentlich rein. Zum Abendessen gibt es Gulasch! Ich liebe das. Gulasch mit Maccaroni. Kein ungarisches, aber ein anständig improvisiertes. Scharf – und mit Petersilie (wer ist eigentlich dieser Peter Silie?) Der Süße schaut mich erstaunt an.
„Da hat aber jemand so richtigen Appetit heute.“ Er grinst anerkennend.
„Ach, Du weißt doch: Ich bin ein richtiger Vielfraß!“ Und grinse zurück.

Der Vielfraß heißt Vielfraß, weil er besonders viel frisst? Ja, diesmal stimmt meine Ableitung. Doch leider nur indirekt: Der Vielfraß frisst tatsächlich viel: jede Menge Beeren, kleinere Vögel und viel Aas. In Wirklichkeit aber hat er seinen Namen vom norwegischen fjeldfross. Was ist denn das nun schon wieder? Es ist ein „Bergkater“. Das wiederum ist eine ziemlich große Art Marder. Ja, ich erinnere mich an meine Schulzeit. Da hat es auf dem Mädchenklo auch einmal einen gegeben. Uha. Mit Respekt sind wir austreten gegangen. Und dann? Ganz schnell wieder zurück ins Klassenzimmer. Als wäre „ein Geist“ hinter uns her. Wer kennt das nicht, dieses Kribbeln, das einem in den Rücken schießt, wenn man jemanden unmittelbar hinter sich wähnt?

Zurück zum eigentlichen Thema: Hansische Pelzhändler haben das Wort fjeldfross im 15. Jahrhundert ganz in ihrem Sinne umgedeutet: nach dem bereits vor 900 Jahren bekannten zweibeinigen filvfráz. Ja, und das entspricht eben dem heutigen Vielfraß.

Bin ich eben ein verfressener Marder. Na und?

Ich stehe auf und hole mir noch eine letzte Portion Gulasch – für heute. Ich bin da ganz Vielfraß.