Archiv der Kategorie: Sprache

Total verknallt!

Ich treffe mich mit einer „guten alten“ Freundin aus Jugendzeiten im Brauhaus Lemke am Schloss. Lange Zeit ist vergangen, seit ich sie zuletzt gesehen habe. Sie ist schlank geworden, trägt einen Minirock und sieht insgesamt recht glücklich aus.

Auf meine – total überflüssige – Frage hin, wie es ihr denn ginge, strahlt sie bis über beide Ohren.
„Ich bin total verknallt!“ Sie verschränkt die Hände kraftvoll ineinander und grinst mich an.
Ich freue mich sehr für sie. Verliebt sein ist doch immer wieder was Schönes.

Gleichzeitig frage ich mich natürlich, warum man das eigentlich so sagt: verknallt. Knallt man da mit seinem Traummann/seiner Traumfrau zusammen? Ich halte Ausschau nach blauen Flecken bei meiner Freundin. Sie schaut mich fragend an. Ich erkläre ihr kurz meine Gedanken. Sie lacht laut – und weiß auch nicht, warum man verknallt sagt.
Wir widmen uns wieder dem derzeit aufregendsten Thema in ihrem Leben: dem Verknalltsein.

Zu Hause recherchiere ich: Verknallt steht angeblich für verschossen. Quasi wie bei einer verschossenen Patrone, die man jetzt nicht mehr verwenden kann.
Wer verknallt ist, ist sozusagen aus dem Rennen.
Ich wünsche meiner Freundin, dass sie noch ganz lange aus dem Rennen ist.

Total verknallt: Pärchen im Zoologischen Garten/Berlin-Charlottenburg

Heimchen, Herde – und Charles Dickens

Manchmal wünschte ich, unsere Altbauwände wären nicht so hellhörig. Und doch: Auch aus ungewollt an- und mitgehörten Gesprächen (oder Gebrüllen) kann man eine Menge lernen.

Ein Paar streitet sich. Sie sind über den ganzen Hof zu hören. Sie schreit rum, er habe nie Zeit für sie. Er beschwert sich, es sei ja auch nicht einfach, sie zu begeistern. Da würde er lieber mit seinen Freunden etwas unternehmen. Sie sagt, sie würde gern mal wieder etwas Schönes mit ihm kochen und ein Glas Wein mit ihm trinken. Mit ihm reden. Daraufhin bezeichnet er sie als Heimchen am Herd. Eine Tür knallt. Das Gespräch ist zuende.

Das „Heimchen am Herd“ hallt noch eine Weile in mir nach. Ich habe neuen Nährstoff für mein Sprachwissenschaftlerhirn gefunden. Ist eine Frau ein Heimchen, wenn sie sich gern daheim am Herd befindet?
Ich blättere in einem Bedeutungswörterbuch und staune: Das „Heimchen“ ist eine Verniedlichungsform von „der Heime“. Der. Männlich. Licht ins Dunkel: Der Heime ist eine männliche Grille!

Die Verniedlichung „Heimchen“ wurde bei uns vor allem durch die deutsche Übersetzung einer bekannten Erzählung von Charles Dickens bekannt: Cricket on the hearth. Die Grille am Herd. Die Geschichte endet mit dem Satz: „Ein Heimchen singt am Herde, ein zerbrochenes Kinderspielzeug liegt am Boden, und nichts ist mehr übriggeblieben.“

Ich lausche hinüber zu unseren Nachbarn. Noch immer Stille.

Grotten, Schwaben und Kröten

In der Damenabteilung einer bekannten schwedischen Modekette. Eine Frau mittleren Alters befühlt den Stoff eines Kleidchens. Sie runzelt die Stirn. Eine andere Frau stellt sich neben sie. „Grottenhässlich“, sagt jetzt die mit dem Kleid. Die andere nickt bestätigend. Grotten. Ich war einmal in einer. Mit zwölf Jahren. In Tschechien. Und ich erinnere mich sehr genau daran, wie da das Licht ausging … Aber das ist eine andere Geschichte.

Warum sagt man eigentlich „grottenhässlich“? Kommt das denn von den Grotten?
Wieder zu Hause, recherchiere ich: Der Begriff kommt aus dem Schwäbischen! Da bedeutet nämlich „krott“ Kröte.  Kröten sind also hässlich. Weiß ich nicht. Nee, finde ich eigentlich nicht. Oh, und da gibt es noch eine andere Theorie. Und die besagt, dass „grott“ aus dem Niederdeutschen kommt. Und da bedeutete das wohl verrottet. Ja, verrottet ist meist auch hässlich.
Damit kann ich mich anfreunden. Aber nichts gegen Kröten!

Großonkel

Eben habe ich mir den Fuß gestoßen. Besonders weh tut der große Onkel. Und noch während ich damit beschäftigt bin, im übertragenen Sinne meine Wunden zu lecken, frage ich mich: Warum sagt man eigentlich „großer Onkel“? Der große Zeh ist groß, ja – zumindest größer als die anderen. Aber Onkel? Sind die anderen Zehen dann die kleinen Onkel? Oder Neffen oder Nichten?

Ich schlage nach: Der große Zeh hat seinen Spitznamen aus dem Französischen! Aha: Grand ongle. Da ich des Französischen mächtig bin, weiß ich auch gleich, was das übersetzt heißt: großer Nagel. Stimmt, ongle klingt wirklich ein bisschen wie Onkel. Wieder etwas dazugelernt.

Bleibt nur zu hoffen, dass der Schmerz jetzt auch ganz schnell nachlässt.

Eifersucht – mit Eifer gesucht?

„Ich bin ja so schrecklich eifersüchtig!“, beklagte sich neulich eine Freundin bei mir. Das ist wohl jeder mal – mehr oder weniger. Heißt „Eifersucht“ jetzt eigentlich so, weil man „mit Eifer sucht, was Leiden schafft“ (Hermann Kurz)? Guter Gedanke, doch weit gefehlt: Das Wort „Eifer“ stammt vom altdeutschen „eivar“ (bitter) ab, hat aber im Laufe der Zeit eine eher positive Bedeutung angenommen. Bei der „Eifersucht“ handelt es sich auch nicht um eine Sucht, sondern vielmehr um ein Siechen. Um ein „bitteres Siechen“ also – etwas, das krank machen kann.

Herr Kurz noch einmal lang:
„O Eifersucht, Eifersucht, du Leidenschaft, die mit Eifer sucht, was Leiden schafft.“