Archiv der Kategorie: Sprache

Abwarten und Tee trinken

Ich warte. Schon so lange und nicht weniger sehnsüchtig. Worauf, das sei an dieser Stelle noch nicht verraten. Auf Godot jedenfalls nicht, der kommt ja sowieso nie …
Na denn, heißt es eben weiterhin noch eine kleine Weile abwarten und Tee trinken.

Abwarten und Tee trinken: Wieder so ein Spruch, der es auf jeden Fall wert ist, hinterfragt zu werden, findet ihr nicht auch? Soviel wissen wir schon mal: Er drückt aus, dass noch etwas Geduld erforderlich ist, wo eigentlich schon längst brennende, nagende oder wie auch immer geartete Ungeduld weilt.

Verwendet wird die Phrase wohl bereits seit Mitte des 19. Jahrhunderts, doch woher sie stammt, ist bis heute nicht eindeutig geklärt. Sprachwissenschaftler vermuten, dass hinter „abwarten und Tee trinken“ eine alte Ermutigung beziehungsweise Ermahnung an Erkrankte steht, doch bitte Ruhe zu wahren und brav den verordneten Kräutertee zu trinken. Die Gesundung würde dann schon folgen.

Und ich? Ja, auch meine Ungeduld wird sicher bald mehr und mehr schwinden. Ganz bestimmt. Fürs Erste jedoch: ab in die Küche und – ganz alternativ – ein duftiges Tee-Mischgetränk zubereitet.

chai_latte… Und zwar einen „Chai Latte“. 😉

Lunte geleckt

Eine Freundin ruft an. Sie eröffnet mir, dass sie sich neuerdings total für Gartenarbeit begeistern kann. Jede freie Minute verbringt sie auf dem Hof, pflanzt dies ein und baut jenes an. „Ich hab da richtig Lunte geleckt!“, sagt sie freudig erregt. Ich runzele die Stirn, schweige. Meine Freundin sagt ebenfalls nichts. Wir merken, dass da irgendetwas nicht stimmt mit ihrem Spruch – und lachen los: Soeben hat sie die beiden Redensarten „Lunte riechen“ und „Blut lecken“ vermischt.

„Riecht“ jemand „Lunte“, erkennt er eine Gefahr rechtzeitig. Im ursprünglichen Sinne ist eine Lunte eine brennende Zündschnur, zum Beispiel an einer Sprengladung. Brennt diese runter, kann man das riechen und weiß, dass gleich eine Explosion folgt. „Blut lecken“ hingegen bedeutet soviel wie: plötzlich an etwas Gefallen finden. Hintergrund: Riechen Raubtiere oder Jagdhunde Beuteblut, wird ihr Verfolgungseifer geschürt und verstärkt.

Letztere Redensart trifft eher auf die neue Leidenschaft meiner Freundin zu. Ihre Phrase „Lunte geleckt“ finde ich aber wesentlicher besser und kreativer als die beiden erklärten. Sie bleibt auf jeden Fall in meinem Sprachgebrauch bestehen.

Gibt es in unseren Gärten nicht: Libelle im indischen Punjab.

Herbei, lieber Mai!

Ach nee, Du bist ja schon da. Und wie schön und strahlend hast Du uns gestern begrüßt – mit tollen, frühlingshaften Gerüchen und wärmenden Temperaturen. Mit Vogelgezwitscher und anderem Ohrenschmaus. Wenn das alles mal keine Wohltat für unser durch den Winter doch ziemlich stark gebeuteltes Gemüt ist.

Der Monat Mai ist uns ja unter anderem als Wonne- und Liebesmonat bekannt. Aber warum heißt der Mai eigentlich „Mai“?

Einigen Quellen zufolge ist er nach der in der römischen Mythologie bekannten altitalienischen Göttin Maia benannt (im Germanischen bedeutet Mai „jung“; das junge Mädchen etwa ist uns als „Maid“ bekannt).

Andere Quellen wiederum behaupten, die Bezeichnung Mai leite sich von „Iupiter Maius“ ab, dem wachstumbringenden Jupiter. Dem Sohn des Saturn und der Ops. Blitz und Donner soll der „Gott des Humors“ gebracht haben.

Tja, und dann gibt es natürlich noch viele weitere mögliche Erklärungen.
Suchen wir uns doch einfach die für uns am schönsten klingende aus – und genießen.

Von grünen Neunen

In nicht einmal einer Woche ist Weihnachten. „Nur noch sechs Mal schlafen“, sagen Eltern ihren Kindern jetzt gern. Es ist wirklich einfach unglaublich, wie schnell die Zeit vergeht und dass sich 2012 schon wieder dem Ende zuneigt. Und dabei hatte ich mich gerade erst an diese Jahreszahl gewöhnt. „Ach du grüne Neune!“, drückten damals meine Großeltern gern ihre Überraschung oder ihr Erstaunen darüber aus, „ist es denn schon wieder soweit?“. Bei meinen Eltern hörte beziehungsweise höre ich diese Redewendung nur noch selten, ich selbst gebrauche sie eigentlich nicht.

Doch warum sagt man das eigentlich so: „grüne Neune“? Die Entstehung dieser Redewendung soll mit dem Berliner Tanzlokal „Conventgarten“ zu tun haben, das im 19. Jahrhundert sehr populär war im „dicken B oben an der Spree“.  Der Sitz der Lokalität war damals in der Blumenstraße 9, doch der Haupteingang befand sich um die Ecke, im Grünen Weg nämlich. Die Berliner nannten ihren Conventgarten also schon bald liebevoll die „Grüne Neune“.

Das ist aber nur eine Theorie, die von vielen Sprachwissenschaftlern stark angezweifelt wird. Sie vermuten eher, dass es „Ach du grüne Neune!“ schon weit vor dem Conventgarten gab. Nämlich in einer Zeit, als man den Jahrmarkt-Besuchern mithilfe von Spielkarten noch ihre Zukunft las. Tja, und die „Pik Neun“ (die „grüne Neune“) war eben diejenige Kerte, die nicht immer Gutes verhieß.

grüne_neune… Bald ist schon wieder Weihnachten.

Kein Blatt vor dem Mund

Shoppen in Oldenburg. Ich stöbere in einem Klamottenladen, greife nach dem einen oder anderen Kleidungsstück, lege es mir zum Anprobieren über den Arm. „Nicht mehr als drei Teile“ steht an der Kabinentür. Ich habe ganze zehn – damit es sich lohnt eben. Ein Blick nach links und einer nach rechts: Niemand ist in Sichtweite, also schlüpfe ich unbemerkt durch die Tür.

Als ich mir gerade ein wirklich cooles, schmuddelgelbes Oberteil über den Kopf ziehe, höre ich aus der Nachbarankleide eine junge Frau in hilflosem Tonfall fragen: „Mama, wie sieht das aus? Was meinst Du, ich bin mir nicht so sicher?“ Schweigen. Offenbar mustert die Mutter ihre Tochter. Dann: „Nee, das ist nicht gerade vorteilhaft, macht Dich irgendwie dick.“

Nochmaliges Schweigen. Darauf die Tochter: „Na toll, Mutter. Du nimmst auch echt kein Blatt vor den Mund, was?“ Sie ist sauer. Ich hingegen halte mir die Hand vor den Mund, um nicht urplötzlich und unkontrolliert loszuprusten. Kichere also lediglich in mich hinein und beschließe sofort, diese Begegnung später ganz unbedingt aufzuschreiben.

Kein Blatt vor den Mund nehmen. Die Bedeutung ist klar: Man sagt jemandem ungeschönt und sehr direkt seine Meinung. Aber warum sagt man das so? Was haben Blätter mit Meinung zu tun?

Hier die Aufklärung – kurz und knackig: In Theaterstücken ging es damals bisweilen ziemlich schonungslos zu. Wer Molières Komödien oder Tragikomödien kennt, weiß, wovon ich hier schreibe: Edelmänner und Staatsleute, sogar Könige nahm er zusammen mit seinen Kollegen aufs Korn, zögerte nicht, sie auch lächerlich zu machen. Ein sehr waghalsiges Unterfangen, wie man sich nun denken kann.

Denn wer so offen seine Meinung auf der Bühne zeigte, musste damit rechnen, später persönlich und vis-à-vis Rechenschaft abzulegen. Um das zu vermeiden, versteckte man sein Gesicht hinter Masken. Doch da es zu Beginn des Theaterzeitalters noch keine Masken gab, benutzte man Blätter. Tja, und besonders mutige Mimen, die das eben nicht taten, zeigten ihre Gedanken und Gefühle mit ihrem „wahren“ Gesicht; ganz so wie die Mutter in meiner Geschichte.

Blätter gehören an – oder vom Baum – und nicht vor den Mund. Es lebe die Offenheit!