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Am seidenen Faden

„Mama, gleich hab ich gewonnen, ich brauch nur noch eine Drei!“, triumphiert zappelig mein vierjähriger Sohn, etwas zu früh, wie ich finde. Die Würfel sind ja noch nicht endgültig gefallen …
„Na, warte mal ab. Dein Sieg hängt am seidenen Faden! Lass mich eine Sechs würfeln, dann noch eine … “
„Mama, was heißt ‚am seidenen Faden‘?“ Stirnrunzeln seinerseits.

Gute Frage. Soviel ist schon mal klar: Hängt etwas „am seidenen Faden“, ist es nicht sicher, es ist gefährdet. Wie ein dünner Bindfaden eben, der beinahe zerreißt. Aber woher stammt der Spruch eigentlich?

Ich lese noch einmal genauer nach: Damokles aus der griechischen Sage bewunderte und beneidete seinen Herren, den Tyrannen Dionys, um seine Macht. Er müsse doch deshalb der glücklichste Mensch auf Erden sein! Kurzerhand bot Dionys seinem Schützling an, seinen Platz an der königlichen Tafel einzunehmen. Ein Rollentausch quasi. Über Damokles‘ Haupt ließ der König ein Schwert aufhängen, das nur an einem Fädchen festgebunden war. Dies, um Damokles zu zeigen, wie gefährlich so ein Amt doch war. Der junge Mann saß also speisend am Tisch und schaute irgendwann durch Zufall nach oben: Sofort verging ihm natürlich die Lust am Essen und Königsein …
Als ich fertig bin mit meiner hoffentlich kindgerechten Erklärung, würfelt mein Junge. Eine Drei.
„Gewonnen!“
Na, das war wohl nix mit dem Faden heute für mich.

Sohn 1.0 beim Spielen in einem Ärztewartezimmer.

Kindermund

Mein dreijähriger Sohn und ich spielen Kaufmannsladen. Er ist Verkäufer, ich Kundin.

„Guten Tag, ich hätte gern … äääh … was brauch ich denn … sechs Eier.“
Stirnrunzeln beim Verkäufer.
„Nein, leider kannst Du keine haben.“
„Hä? Wieso das denn, sind sie etwa schon wieder aus?“
Das Söhnchen grinst.
„Näääh, die Eier sind heute nuuur Deko!“
Eierdekoration? Ostern ist doch vorbei?
„Waaas? Ich brauch sie aber dringend zum Kuchenbacken!
Energischer Verkäuferblick.
„Nnnnein!“
„Och Mann. Dann geh ich woanders hin.“
Kurze Pause. Das Grübeln steht ihm im ins Kleinkindergesicht geschrieben.
„Neeein, Mama, mein Liiiiebewicht! Bleib hier!“
Jetzt lacht die Kundin lauthals.
„Gut gut, dann krieg ich sechs Eier, Milch, Ho- …“
„Mamaaa, die Eier sind doch nur Deko!“
Sohni versteckt die Eier hinter seinem Rücken.

Das Spiel wird durch maßloses Knuddeln und Gekichere unterbrochen.
Kindersprache ist eben einfach die beste. Oder, wie mein Kind manchmal sagt, die „guteste“.

Abwarten und Tee trinken

Ich warte. Schon so lange und nicht weniger sehnsüchtig. Worauf, das sei an dieser Stelle noch nicht verraten. Auf Godot jedenfalls nicht, der kommt ja sowieso nie …
Na denn, heißt es eben weiterhin noch eine kleine Weile abwarten und Tee trinken.

Abwarten und Tee trinken: Wieder so ein Spruch, der es auf jeden Fall wert ist, hinterfragt zu werden, findet ihr nicht auch? Soviel wissen wir schon mal: Er drückt aus, dass noch etwas Geduld erforderlich ist, wo eigentlich schon längst brennende, nagende oder wie auch immer geartete Ungeduld weilt.

Verwendet wird die Phrase wohl bereits seit Mitte des 19. Jahrhunderts, doch woher sie stammt, ist bis heute nicht eindeutig geklärt. Sprachwissenschaftler vermuten, dass hinter „abwarten und Tee trinken“ eine alte Ermutigung beziehungsweise Ermahnung an Erkrankte steht, doch bitte Ruhe zu wahren und brav den verordneten Kräutertee zu trinken. Die Gesundung würde dann schon folgen.

Und ich? Ja, auch meine Ungeduld wird sicher bald mehr und mehr schwinden. Ganz bestimmt. Fürs Erste jedoch: ab in die Küche und – ganz alternativ – ein duftiges Tee-Mischgetränk zubereitet.

chai_latte… Und zwar einen „Chai Latte“. 😉