Dreier gefällig?

In der „Brotfabrik“ in Berlin-Weißensee läuft derzeit das Musiktheaterstück Dreierleben. Am 13. März wurde es dort uraufgeführt; ich habe es mir am Freitagabend angeschaut.

Jurastudent Fabian steckt in den Examensvorbereitungen. Nervenaufreibend. Vor allem mit dem Strafrecht hat er es schwer. „Ich hab‘ keinen Bock mehr.“ Resigniert pfeffert er sein Lehrbuch auf den Tisch, schaut genervt und verschränkt trotzig die Arme.

Sein Mitbewohner und angehender Arzt Albert hat es nicht leichter: Er schreibt an seiner Doktorarbeit. Und hat Liebeskummer. Warum musste seine Freundin Lara ausgerechnet nach Japan auswandern, um ihrer Musikleidenschaft zu frönen? Und warum ist dieses Land eigentlich so weit weg? Tag für Tag werden Laras Anrufe seltener… „Meine Freundin hat mich für Sushi verlassen!“, wütet Albert herum. Doch die Wahrheit ist, dass es die erste Geige ist, die es ihr angetan hat …

Als wäre das alles nicht anstrengend genug, muss jetzt auch noch ein neuer Mitbewohner her, denn der Dritte im Bunde, Peter, ist kürzlich mit seiner Liebsten zusammengezogen. Die Suche nach einer geeigneten Person gestaltet sich jedoch als schwierige Aufgabe, denn will niemand so recht in Frage kommen: zu flippig, zu nervig, zu anspruchsvoll sind die Bewerber. „Wir melden uns.“ Fabian und Albert lassen seufzend die Schultern hängen.

Dann stellt sich die junge Schauspielerin Renana vor. Sie macht einen guten, fröhlichen Eindruck und ist sehr nett. Daher entscheiden sich die Jungs für sie. Doch auch Renana muss sich im Alltag bewähren: Sie nimmt an Schauspielcastings teil – und kassiert Absagen… Aus der Augenweide wird eine Trauerweide. Doch da ist noch etwas anderes: Renana sorgt für so manche schlaflose Nacht bei Fabian … Gemütliche Drei-Herren-WG ade – es wird turbulent! Wird Renana die „Probezeit“ bestehen?

Sara Fonseca in der Rolle der Renana überzeugt vor allem durch Charme, große Kulleraugen und Lebensfreude. Sie hat ein Glitzern in den Augen, das den Zuschauer in den Bann zieht. Tibor Locher (Fabian) ist Sympathieträger vor allem durch seine tapsige, bisweilen gutmütige, dann und wann bärbeißerische Art; und Mario Zuber alias Albert rührt durch seine emotionale, tiefsinnige und ruhige Art.

An mancher Stelle kann man Humor vom feinsten erleben. Die Lachmuskeln arbeiten. Sehr unterhaltsam, dieses kleine Musical. Die schauspielerische Leistung der Darsteller wurde durch Songs und Balladen unterstützt, wobei mich die Gesangseinlagen nicht sonderlich überzeugt haben.

Den drei Musikern in der Ecke – ebenfalls zwei junge Herren und eine junge Frau an E-Piano, Drums und Cello – gebührt mein vollster Respekt. Vielleicht hätte ich mehr auf die Bühne statt auf die Hingebung der Instrumentalisten achten sollen … Mit ihrem Spaß bei der Arbeit haben sie mich berührt. Schon allein deswegen – und nicht zuletzt auch wegen des Ambientes der „Brotfabrik“ – lohnt es sich, das Stück zu sehen und zu hören. Das kann man dort noch bis zum 19. März.

Nachtlos

Mich fröstelt. Ich erwache mit einer Gänsehaut. Doch es ist nicht kalt, allenfalls kühl. Ich lasse den Blick neben mich gleiten. Er ist da, sein Atem geht ruhig und gleichmäßig. Ich streiche dem Liebsten über die Wange. Sein Körper macht eine Bewegung in meine Richtung; ein kurzer Seufzer, dann versinkt er wieder im Tiefschlaf. Ich wäre gern in seinen Träumen. Jetzt ist er losgelöst von mir; nur meine Hand hält er fest umschlossen. Er sieht zufrieden aus. In diesem Moment möchte ich ihn mir einverleiben, eine Einheit mit ihm sein. Sehen, was er sieht; fühlen, was er fühlt.

Stille Morgenstunde. Nur das Zirpen der Zikaden. Ich befinde mich in unserem Haus in der Provence. Eine Brise weht durch das halb geöffnete Fenster. Die Bewegung der dunkelblauen Stoffgardinen ist unvorhersehbar elegant: Sie beschreiben rauschende Wellen – wie das Meer draußen vor dem Haus. Ich bin hellwach. Meine Hand ruht noch immer in der des Liebsten. Behutsam mache ich mich von ihr los und richte mich auf. Ein paar Augenblicke verharre ich in dieser Position.

Nachts fühlen sich Minuten und Stunden anders an. Mein Bewusstsein bewegt sich nicht in der Dimension von Raum und Zeit. Ich habe ein Gefühl von Zeitlosigkeit. Der Funkwecker zeigt leuchtend die frühe Stunde an. Ein ausgeklügeltes System von sechs digitalen Zahlen, deren Dynamik der Reihenfolge nach zunimmt: Links vergeht die Zeit langsamer, rechts läuft sie schneller ab.

Leise stehe ich auf, drücke die Fensterläden weiter nach außen und verweile kurz, den Blick auf das Wasser gerichtet. Ein undurchsichtiges schwarzes Nass. Der Vollmond wirft einen Lichtkegel durch die Schlafzimmertür. Ich gehe ins Arbeitszimmer und zünde ein paar Kerzen an. In der Ecke am Fenster steht der schwere Mahagoni-Schreibtisch, der mich anzustarren scheint. Aus einem der Hängeregister ziehe ich einen Ringblock. Den Füllfederhalter zur Hand nehmend setze ich mich.

Meine Augen haben sich inzwischen an das Dämmerlicht gewöhnt. Gewöhnen kann man sich wohl an alles. Auch an völlige Finsternis? Ich schließe die Augen und versuche mir vorzustellen, wie es ist, blind zu sein. Eine Reise in die Vergangenheit – ans Ende des 19. Jahrhunderts. Auf einer Wiese in Alabama liegt ein Mädchen flach auf dem Bauch ausgestreckt, ein Kuscheltier unter dem Kopf. Die reglosen Hände zu beiden Seiten des Körpers platziert. Sie schläft nicht. Die Kleine liegt da und lauscht den Vibrationen des Bodens. Faszination steht ihr ins blasse Gesichtchen geschrieben. Doch so still wie heute erlebt man sie selten. Oft weint und schreit sie, ist wütend und schlägt um sich. Sie hat Angst. Und niemand versteht ihre Zeichen.

Um das Mädchen mit dem lockigen Haar ist es immer Nacht. Helen sieht und hört nichts, denn eine Krankheit hat sie in ihrem zweiten Lebensjahr taubblind gemacht. Sie musste lernen, sich in ihrer stummen Welt allein zurechtzufinden, sich Bilder vom Belebten und Unbelebten selbst zusammenzuphantasieren. Ihre Nase ist geschult, sie kann Dinge durch ihren Geruchssinn unterscheiden. Doch Helen weiß nicht mehr, was sie umgibt. Sie hat vergessen, wie ein Baum aussieht und wie das Gezwitscher von Vögeln klingt… Helen ist ein wildes Wesen, das nur physisch lebt und selten lächelt.

Doch dann taucht eine junge Frau auf und eröffnet der Kleinen eine Perspektive: Anne ist 20 und sehr geduldig. Sie selbst erblindete im Kindesalter fast völlig; viele Operationen gaben ihr das Augenlicht zurück. Anne bändigt und erzieht Helen, zeigt ihr, dass jedes Ding auf Erden einen Namen hat. Die Lehrerin bringt der Schülerin bei, wie man sieht, liest und schreibt – mithilfe des Fingeralphabets. Helen lernt Französisch, absolviert ein Studium cum laude und wird Schriftstellerin. Irgendwann spricht sie sogar. Jetzt ist es eine Gänsehaut der Ergriffenheit, die meinen Körper durchzieht. Ich fühle grenzenlose Bewunderung.

Doch ist Helen je wirklich glücklich gewesen? Hatte sie sich so sehr an die Dunkelheit gewöhnt, dass sie vielleicht sogar Angst davor gehabt hätte, sehen zu können? Zu geballt wären sie auf die Frau eingeströmt, die Farben, die das Leben malt…

Ich sitze noch immer an meinem Schreibtisch und schreibe nicht eine Zeile; nur ein einziges Wort. Es ist der Titel, den meine Gedanken tragen. Nachtlos. Das Meer tost jetzt. Irgendwo in der Ferne bellt ein Hund. Ich bin glücklich, weil ich sehen und hören kann. Weil ich riechen, schmecken und mich mitteilen kann. Mein Kopf sinkt auf den Schreibtisch. Ich bin schläfrig geworden. Jemand schaukelt mich sanft hin und her – wie in einer Wiege. Ein sicheres Gefühl von Geborgenheit umhüllt mich. Das Schaukeln wird schneller; ich werde hinausgeworfen…

Der Wecker surrt. Es ist 7.00 Uhr, und ich befinde mich in meiner Berliner Altbauwohnung. Die Sonne scheint. Ich blicke zur Seite und lächele: Der Liebste liegt neben mir. Dann stehe ich auf und gehe auf leisen Sohlen ins Arbeitszimmer. Ich bin hellwach.

Dann doch lieber Sardinien

Der Tag beginnt damit, dass ich aus dem Fenster schaue und statt Sonne Schnee sehe. Das fängt ja gut an. Automatisch beginne ich zu frösteln, stehe auf und mache mir einen Tee. Mit meiner Tasse stelle ich mich ans Fenster und sehe dem stürmischen Flockentreiben zu. Winterstimmung. Nur zu Weihnachten ist er nie da, wo man ihn wirklich braucht. Es ist März, und ich will Frühling. Trotzdem genieße ich den An- und Augenblick.

Als ich wenig später aus dem Haus gehe, verstärkt sich der Schneefall. Es ist kalt. Ich drücke meinen Schal enger an meinem Hals und stülpe mir die Handschuhe über. Fast stoße ich mit einem Passanten zusammen. Er hat die Stirn in Falten gelegt und krallt eine Hand um die offene Stelle seines Kragens. Da er es war, der beinahe in mich hineingerannt wäre, lächelt er nett. ‚Entschuldigung‘ brubbelt er recht leise. Dann hastet er weiter. Er ist nicht der einzige, der es eilig hat: Besonders viele Leute sind heute auf den Bürgersteigen unterwegs. In ziemlicher Windschiefe schleppen sie sich in Richtung S-Bahnhof. Ich ordne mich in den Menschenstrom ein. Da muss ich auch hin.

Auf der Straße sieht es nicht anders aus: Unmengen von Autos sind unterwegs. Der Verkehr ist zähflüssig. Einige Fußgänger schlängeln sich durch die Wagen hindurch, um auf die andere Seite der Straße zu gelangen. Ab und zu hört man ein aufgeregtes Hupen. Kein guter Tag, um mit dem Pkw unterwegs zu sein. Ein Fahrer reckt seinen Kopf aus dem Fenster und brüllt seinem Vordermann zu: „Fahr zu, Du Idiot!“.

Seit heute Morgen streikt ein Teil des Berliner Nahverkehrs zehn Tage lang. Deshalb nutze auch ich nicht die Tram, sondern die Stadtbahn. Auf dem Zugzielanzeiger im S-Bahnhof ist zu lesen, dass aufgrund der aktuellen Situation der Verkehr unregelmäßig rollt. Fahrgäste werden gebeten, „die Lautsprecherdurchsagen zu beachten“.

Morcheeba inspiriert meine Gedankengänge. Ich habe keine Lust, die Musik verstummen zu lassen. Die Alternative ist, nicht ausreichend informiert zu sein. Also werde ich anhand von Mimik und Gestik der anderen Wartenden erraten, was passiert.

Und tatsächlich: Die herumstehende Masse bewegt sich. Und macht ein paar Schritte in Richtung Bahnsteig, den Blick verheißungsvoll nach rechts geneigt. Auch ich sehe in diese Richtung.

Der Zug fährt ein. Na, klappt doch, freue ich mich. Doch zu früh gefreut: Die S-Bahn ist brechend voll. Menschen sitzen oder stehen darin aneinander gereiht wie Sardinen in einer Büchse. Dann doch lieber ein Urlaub auf Sardinien: Sonne, Meer, wenig Mensch auf viel Quadratmeter. Ich denke an einen Mann und eine Frau, die auf Pferden sitzend dem Horizont entgegen reiten. Sie halten sich bei den Händen. Die Sonne geht unter. Es ist warm… Ich hätte jetzt gerne drei Wochen frei. Urlaub. Möglichst weit weg von hier. Ein lauter Seufzer entgleitet mir. Eine Frau um die 70 lächelt mich an. Sie hat vielleicht zu viel freie Zeit. Ich lächele zurück.

Die Bahn kommt zum Stehen. Ich quetsche mich hinein, kurz darauf schließen die Türen. Ich schaue durch die Scheibe nach draußen und sehe in die Augen eines verärgerten Geschäftsmannes. Er streckt verständnislos seine Arme zur Seite ab und lässt sie dann resigniert wieder an seinen Körper prallen. Auch kein guter Start in den Tag für ihn.
Immerhin hat es aufgehört zu schneien.

Piratenhosenodyssee

Beim Aufräumen meiner Schreibtischschubladen fällt mir ein kleiner grüner Abrisszettel entgegen, auf dem steht, dass bei der Galeria Kaufhof am Ostbahnhof noch ein Kleidungsstück abzuholen ist. Das heißt, eigentlich sieht man nur die Adresse, einen Stempel und eine dreistellige Nummer, doch weiß ich plötzlich genau, was dieses stumme Gespann meint. Ich erinnere mich an eine ganz bestimmte Art Freizeithose, die manchen auch als „Piratenhose“ bekannt sein wird.

Ich erschrecke mich ein bisschen, denn es sind schon wieder ein und ein halbes Jahr vergangen, seit ich das Kleidungsstück zur Änderung in der Galeria abgegeben hatte. Tempus fugit – und zwar ganz ohne Rücksicht auf Verluste. Selbst Hosen geraten da in Vergessenheit, denke ich. Doch was ist schon eine Hose in Anbetracht der Ewigkeit, brabbele ich theatralisch vor mich hin und muss unwillkürlich lachen.

Es ist Samstag, und ich beschließe, den Umstand mit der vergessenen Hose als äußerst praktisch einzustufen und loszuziehen, um eben diese zu holen. Dies wird sich als nicht leicht erweisen, wie noch zu zeigen ist, denn die deutsche Bürokratie ist es, die einem mitunter einen Keil zwischen Hose und Glück treibt.

Da ich mich nicht richtig erinnern kann, in welcher Abteilung ich mein Suchobjekt erworben hatte, wende ich mich gespielt beschämt an eine Verkäuferin im 3. Obergeschoss, um diese zu bitten, mir bei der Findung meiner Hose behilflich zu sein. Sicher wird sie mir gleich sagen, dass ich aber ganz schön spät dran sei. Etwas ratlos schaut sie abwechselnd den Zettel und dann mich an: „Sie sind spät dran!“, sagt sie tatsächlich und ergänzt mit einem verwunderten Blick: „Außerdem verwenden wir doch gar keine grünen Zettel mehr!“. Als sie mich ein wenig verunsichert anschaut, zucke ich die Achseln. Ich habe wirklich keine Ahnung, warum dieser Zettel grün ist.

Trotz ihrer – im direkten Vergleich mit ihrer Kollegin und deren Kundin an der anderen Kasse – zarten Missmutigkeit trottet die Verkäuferin los und sucht meine Hose vermutlich in einem kleinen Kabuff, in dem die bearbeiteten Kleidungsstück gelagert werden, bis sie von ihren mehr oder weniger barmherzigen Eigentümern abgeholt werden. Kopfschüttelnd kommt die Vendeuse zurück und teilt mir ein bisschen genervt mit, dass sie die Hose nicht finden konnte, „wahrscheinlich gibt es sie schon gar nicht mehr“, sagt sie. Meine Hose existiert nicht mehr? Ich solle doch bitte einmal in der Sportabteilung nachfragen, vielleicht könne mir dort weitergeholfen werden.

In der anderen Abteilung das gleiche Prozedere: Die Verkäuferinnen – diesmal sind es zwei – beschäftigen sich ausgiebig und sehr geduldig mit mir und meiner Hose, doch leider können auch sie mir nicht helfen. Ihr Herumwühlen in Ordnern und Ablagen ist zwecklos. Ich solle es doch bitte in der Änderungsschneiderei direkt hinter den Umkleiden versuchen, sagen sie und schauen ein bisschen hilflos.

Ich klopfe zögerlich, denn ich spüre bereits vor der Tür gereizte Atmosphäre. Und tatsächlich: Nachdem ich mich ein wenig ratlos umsehe, tönt es aus einer Ecke: „Was suchen Sie?“, fragt mich eine rundliche Frau mittleren Alters in barschem Ton. „Meine Hose“ erwidere ich trocken und nicht ungeduldig. „Was ist denn das für eine Hose?“ Ich beschreibe sie – soweit ich mich noch erinnern kann – detailgetreu. „Eben war doch schon die Verkäuferin aus der 3 hier. Der habe ich doch schon gesagt, dass die Hose nicht hier ist! Haben Sie schon in der Sportabteilung gefragt?“
Es ist erstaunlich.

Ich gehe noch einmal zurück zur Sportabteilung – so schnell gebe ich mich nicht geschlagen! – und fordere die beiden netten Damen erneut höflich auf, sich doch noch einmal zu vergewissern, ob die Hose nicht doch irgendwo herumschwirrt.
„Haben Sie es schon in der Damenabteilung oben versucht?“ Ich habe Mühe, ein Wort herauszubringen und die Schultern nicht hängen zu lassen, lächele mit einem zitternden Mundwinkel und beschließe, einen letzten Versuch zu starten.

In der Damenabteilung angekommen, schildere ich noch ausführlicher mein Problem – diesmal habe ich auch wirklich viel darüber zu erzählen, was ich bereits unternommen habe, um etwas über den Verbleib meiner Hose in Erfahrung zu bringen. Der Verkäufer schaut in einen Ordner, alles geht ganz schnell. Er schaut mich mitleidig an. „Hier ist leider auch nichts zu finden. Aber was ich mit ganz bestimmter Sicherheit sagen kann, ist, dass wir Kleidungsstücke nicht länger als ein Jahr lagern.“

Ich setze mich – ohne Hose und ein bisschen entsetzt über das, was mir soeben widerfahren ist – in die S-Bahn und will gerade meinen MP3-Player einschalten. Ein Obdachloser zieht mit seinem niedlichen Hund durch den Waggon. Es ist der junge Mann, den vermutlich inzwischen jeder Berliner kennt, der täglich mit dem Berliner Nahverkehr unterwegs ist: Sein Hund trägt exemplarisch eine Zeitung in der Schnauze und entlockt auf diese Weise den Fahrgästen ein Lächeln. Ich denke, dass er größere Probleme hat. Vermutlich hat er auch nur diese eine Hose. Hätte ich jetzt meine Piratenhose, hätte ich sie ihm jetzt vielleicht sogar gegeben.

Heute hat der Zeitungsverkäufer einen besonderen Spruch auf seinen kessen Lippen. „Wer kein Geld für mich hat: nicht so schlimm! Hose, Jacke, Schuhe tun es auch!“ Ich muss lachen, er sieht mich und lächelt mir zu. Ich gebe ihm ein bisschen Geld und schalte, als er weg ist, meinen MP3-Player an. Es läuft ein Mix mit Rammstein und Depeche Mode. Personal Jesus.

Mein Leben mit Söhnen