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Aus dem Staub gemacht

Einkaufen im Supermarkt. Dieses und jenes – Nützliches und weniger Nützliches – landet im Einkaufswagen. Frisches Gemüse, Obst, Reis und Kartoffeln, eine neue Laufmütze aus dem Tchibo-Regal … Ich bin in der Konservenabteilung gelandet und schaue mir ein Glas mit Schattenmorellen an. Die machen sich gut auf Joghurt oder Grießpudding. Mir tropft der Zahn, mir läuft – nicht nur sprichwörtlich – das Wasser im Mund zusammen. Nein, nein und nochmals nein: Ich hatte ja beschlossen (ich bin beschlossen worden träfe es eher … ), etwas mehr auf meine Gesundheit zu achten.

Als ich das Glas wieder ins Regal stellen will, entgleitet es mir und landet auf dem Boden. Ein Rot und Rund, wohin das Auge blicket. Ein Adrenalinschub gesellt sich zu meiner Misere. Ich schaue nach links und nach rechts. Zum Glück werde ich fast nie rot. Niemand zu sehen. Ich warte noch ein Weilchen, und als dann noch immer keine Menschenseele zu sehen ist, mache ich mich klammheimlich aus dem Staub …

Nicht gerade ehrenhaft, diese Sauerei zu hinterlassen, ich weiß. Als ich die Waren im Kofferraum verstaut habe und in meinem Auto sitze, ist es zunächst nicht das schlechte Gewissen, das mich beschleicht, sondern vielmehr der Gedanke an die Redenwendung sich aus dem Staub machen. Warum heißt das so?

Wieder am Schreibtisch recherchiere ich: Die Redewendung hat ihre Wurzeln in militärischen Kämpfen. Auf den Schlachtfeldern entstanden mitunter derartige Staubwolken, dass man nichts mehr sehen konnte. Panische Soldaten konnten sich in dieser Situation – im wahrsten Sinne der Phrase – aus dem Staub machen und damit fliehen.

Ich habe also Fahnenflucht begangen. Da bin ich wahrlich nicht stolz drauf.
Immerhin bin ich wieder etwas schlauer.

Machen sich aus dem Staub: Wildschweine

Lachen ist die beste Medizin

Ich muss zu einer ungemütlichen Untersuchung ins Krankenhaus. Magenspiegelung. Wahrlich nicht schön. Da gibt es sicher Besseres – naja, aber auch Schlimmeres. Trotzdem habe ich Unbehagen. Wie auch nicht. Es gibt wohl keinen Menschen, der das gern über sich ergehen lässt.

Als ich mit meiner Liege in das Vorbereitungszimmer geschoben werde, warten da bereits zwei alte Männer auf die Spiegelung. Sie scheinen sich keine Sorgen zu machen. Sie lachen sogar über irgendetwas, während ich mich halb verrückt mache und mir vorstelle, in welche Windungen meines Inneren dieser circa einen Zentimeter dicke Schlauch gehen wird – bis in den Dünndarm runter. Wah. Ich höre lieber auf mit dem Vorstellen.

Ich kriege einen Gesprächsfetzen zwischen den beiden Herren mit.
“ … Jaja, so hat man dann hin und wieder auch mal seinen Spaß. Aber wer lacht, soll ja angeblich länger leben.“
Kurzes Schweigen.
„Jaaaa“, so der andere etwas zögerlich, „aber anders herum ist es ja auch so, wer lange lebt, hat mitunter nicht viel zu lachen.“
Wieder Schweigen. Dann lachen beide ihr sympathisches Altherrenlachen.
Ich lache einfach mit.

Lächeln und Lachen halten jung und gesund – Zeichnung (c) Franziska Kuo

Du bist „the real shit“ – sei stolz drauf!

Liebe Sarah Kuttner,

man kennt Dich als die Quasselstrippe der Nation. Immer heiter, immer froh, immer etwas labernd, egal wo, egal wann. Ich habe heute Dein Buch gelesen, Du weißt schon, Mängelexemplar. In einem Rutsch habe ich das getan, weil es gar nicht anders ging. Weil vieles von dem, was ich da in Form von gedruckten Buchstaben vorfand, mich dermaßen an mich selbst und mein Leben vor einiger Zeit erinnerte.

Ich konnte Dein Buch gar nicht zur Seite legen. Es war mein Begleiter auf dem Klo, beim Sitzen auf der Parkbank (wo ich mir fast den Allerwertesten abgefroren habe) und dann wieder am Schreibtisch. Ja, sogar da. Dein Buch hat mich nämlich gefesselt, weil es so anders ist als Du. Dachte ich bis heute. Aber ihr zwei, ihr seid euch ähnlicher, als Du Dir einzugestehen wagst.

Ich schaue mir abends sogar Interviews aus den Zeiten an, als Dein Buch erschienen war. Du antwortest nur zweideutig. Du, die sonst immer schlagfertig ist und drauf los plappert. Unbedarft. Aber genau das ist es ja …

Wovor hast Du eigenlich Angst, liebe Sarah? Vor der Öffentlichkeit, die Panikanfälle und Angstzustände noch immer weitgehend tabuisiert oder was? Scheiß da mal drauf, die Öffentlichkeit erfährt – und sie vergisst auch wieder. Ein großer Moloch, der verschlingt, was ihm vor die Augen kommt. Und in ein paar Jahren quatscht kein Mensch mehr davon. Wovon auch immer.

Also – unter uns: von wegen Protagonistin! Damit bescheißt Du doch nur Dich selbst. Inzwischen bin ich mir sicher, dass Du das Buch autobiografisch geschrieben hast. Woher kannst Du als Angstlaie – noch dazu warst Du u30, als Du angefangen hast, das Buch zu schreiben – wissen, was eine Tavor ist?

Gute Recherche? Deine beste Freundin ist depressiv? Deine Mama, die Dich früher geohrfeigt hat und die im Roman plötzlich so schön auf Dich acht gegeben hat? Von wegen! Nein, dieses Buch hast Du geschrieben, weil Du wahrscheinlich ein Tagebuch verfasst hast, als es Dir so dreckig ging. Und dann hast Du ein Buch daraus gemacht – und es in größtenteils humoristische Worte verpackt. Ich finde das gut! Anders würde ich das auch nicht machen. Das meine ich ernst. Und ich habe es bereits getan – nur anders, in meinem „Berlin“-Buch.

Quark, sagst Du? Ich kenne Dich doch gar nicht? Stimmt. Und doch bin mir ganz sicher, dass Du eine Depression durchlebt hast. Warum? Darum. Glaub mir einfach. Und es ist ja auch keine Schande. Das Thema ist sogar zu einer Normalität geworden, wie wir sie im Fernsehen und in den Medien allgemein entdecken können: flächendeckend, fleckenbehaftet, skrupellos, selbstmitleidig (nur dann und wann), unkontrolliert, hyperventilierend, atemnötisch, bestialisch, angsteinflößend eben. Aber das ist Quatsch. Das kriegt man wieder in den Griff. Mit guten Gedanken – und vielleicht ein paar Pillen, die manchmal wirklich Wunder wirken, Tavor eingeschlossen.

In Mängelexemplar berichtest Du von einer jungen Frau Mitte oder Ende 20, die es „voll erwischt“ hat. Aber nicht etwa im verliebten Sinne, sondern mit voller Wucht hirnstoffwechseltechnisch. Sie rast mit ihrem Wagen die Angst- und Panikautobahnen dieser Welt entlang, greift dann und wann zu einer Tavor. Das ist ein angstlösendes beruhigungsmittel, das tatsächlich ein bisschen stumpf macht – habe ich mir sagen lassen. Haha. Die beste Freundin.

Sarah, Du bist enttarnt. Aber: Ich liebe Dein Buch!
Deine Coralita

Für K. H., die gerade Ängste durchmacht. Alles wird gut.

Frohes Fest – und einen guten Rutsch!

Das Jahr geht in schnellen Schritten auf sein Ende zu. Morgen ist bereits Heiligabend, und es wird wieder heiß, fettig – aber vor allem lecker! – gegessen. Geschenkpapier wird in Massen zerrissen oder zerknüllt. Na, und der eine oder andere freut sich auch über sein Geschenk.

Wie auch immer sich für euch das Weihnachtsfest gestalten wird: Ich wünsche allen von Herzen wunderschöne, harmonische und besinnliche Weihnachten sowie einen gesunden und glücklichen Rutsch in das Jahr 2011!

Doch bevor ich mich für dieses Jahr aus meinem Blog verabschiede, will ich es noch einmal wissen: Warum wünscht man einen „Guten Rutsch“? Wenn man jemandem bei diesem Wetter etwas gar nicht wünscht, dann ist es ja wohl, sich auf die Nase zu legen!

Hier kommt die Aufklärung: Der Gute Rutsch zu Silvester kommt aus dem Hebräischen. Rosch bedeutet soviel wie Anfang. Einen Guten Rutsch wünschen heißt also, einen guten Start wünschen – und zwar ins neue Jahr! Eine andere Deutung geht auf das persische No Ruz zurück. Das bedeutet neuer Tag.

Egal wie: Kommt gut rein!