Wie kümmern sich Väter heutzutage eigentlich um ihren Nachwuchs? Immer weniger Eltern sind inzwischen dem alten Rollenmodell „verhaftet“ – so viel ist schon mal klar. Aber inwieweit bringen sich Papas heute in den Alltag mit ihren Familien ein? Können beziehungsweise wollen sie das denn überhaupt?
Vor einiger Zeit erhielt ich eine Zuschrift von Papa Jörg aus Hannover, der sich beklagte: „Sogar auf Elternportalen geht es meist nur um die Mütter, die mit ihren Kids zu Hause bleiben, sich um alles kümmern. Wir Papas sind auch noch da. Wir können und wollen mehr tun.“
Enttäuschte Väter? Brauchen wir nicht. Deshalb startete ich kurzerhand eine Umfrage in einem bekannten sozialen Medium und lasse an dieser Stelle mal ein paar tolle Papas zu Wort kommen.
„Ich verstehe nicht, warum einige Väter die Kindererziehung grundsätzlich für sich ablehnen und – so die Kehrseite – es gesellschaftlich auch weniger anerkannt ist, wenn die Mama arbeiten geht und der Papa mit dem Kind daheim bleibt“, schreibt Jörg, Vater eines neunzehnjährigen Sohnes.
„Mein Vater war zwar beruflich stark eingespannt, aber er gab mir und meinem älteren Bruder viele gute Werte mit auf den Weg und kümmerte sich intensiv um uns, wenn er Zeit hatte. Werte vermitteln wollte ich ebenfalls, aber auch mehr Zeit mit unserem Jungen verbringen.“
Jörg tippt weiter, man spürt seine Erregung selbst aus der Ferne: Er hat viel zu dem Thema zu sagen. „Meine Frau war beruflich sehr viel unterwegs, auch, als unsere Motte noch ein Säugling war. Die Mutter machte also Karriere, ich blieb beim Kind, übernahm den Großteil der Pflege und Fürsorge.“
Der fast Sechsundfünzigjährige ist davon überzeugt, dass viel mehr Jungväter wesentlich mehr Aufgaben übernehmen und sich auch emotional mehr einbringen könnten. „Für mich war das damals selbstverständlich.“
Jörg macht eine längere Schreibpause, dann erscheinen folgende Zeilen auf meinem Display: „Ich dachte auch daran, dass ich es am Ende meines Lebens bereuen würde, mich zu wenig hingegeben zu haben. Mein Sohn hätte mich vielleicht kaum gekannt. Ich bin heute froh darüber, wie es gelaufen ist.“
Der fünfunddreißigjährige Tobias aus München sieht die Sache mit der „Rollenverteilung“ etwas anders als Jörg, stimmt aber in den Grundfesten mit dem hannoverschen Papa überein: „Ich glaube schon, dass vor allem in den ersten Jahren das Kind vor allem zur Mama gehört“, meldet er sich zu Wort.
„Es liegt in der Natur des Menschen, dass die Mütter die Babys stillen beziehungsweise füttern, sie herumtragen, sie zum Schlafen bringen, sie liebkosen und so weiter. Das heißt aber nicht, dass ich mich da rausziehe und überhaupt nichts mache. Im Gegenteil: Ich bringe mich ein, so oft und so viel und so intensiv ich nur kann, spiele und kuschele mit unserem Zweijährigen, fahre ihn im Buggy herum – zu mir gewandt, damit ich sehen kann, was er sieht.“
Das Folgende sieht er ganz genau wie Jörg: „Ich mache all das natürlich, weil ich den Zwerg so liebe – und es aber wohl auch tief bedauern würde, zu wenig in seinem Leben präsent gewesen zu sein.“
Väter wollen folglich anwesender sein, mehr von ihren Kindern haben, sie wirklich aufwachsen sehen? „Ja, das war und ist auch mein Ziel“, bestätigt Michael, zweifacher Papa Ende Dreißig. „Und mittlerweile bin ich auch so weit, dass ich das erreicht habe. Dennoch frage ich mich immer wieder, ob das ausreicht, ob ich noch mehr leisten kann.“
Tobias bestätigt das Gefühl, sich als Papa „irgendwie unzulänglich und fehlerhaft“ zu fühlen. „Aber genau das sind wir ja, dürfen es doch auch sein. Oder?“
Familie und Job unter einen Hut zu bekommen, finden auch Väter schwierig, vor allem dann, wenn sie noch ein guter Ehemann sein wollen. „Eigentlich führen wir Eltern meist nur noch Smalltalk oder die Themen drehen sich um die Kinder“, klagt Michael. „Und ich stelle mir dann die Frage: Habe ich es vielleicht schon verlernt, Beziehung zu leben oder lerne ich es gerade?“
Mit tiefgehenden Fragen wie diesen setzen sich aber nicht nur Tobias und Michael auseinander. „Ich bin mir ganz sicher, dass es vielen, den meisten Paaren so geht, wenn es erst einmal Kinder in ihrem Leben gibt. Sie entfernen sich erst einmal voneinander“, meint Tom aus Leipzig.
„Die Partnerschaft kommt doch definitiv eine Weile zu kurz – und viele scheitern bestimmt auch. Aber ich glaube ganz fest daran, dass meine Freundin und ich wieder enger zusammenrücken werden, wenn unsere Babytochter etwas größer ist.“
Der Endzwanziger schickt separat noch ein Ausrufezeichen hinterher … Bei Jörg hat das mit dem Zusammenrücken nicht geklappt, er lebt inzwischen allein. Zu seinem Sohn hat er bis heute ein enges Verhältnis: „Meine Ex-Frau und ich haben uns irgendwo in der Zeit zwischen Fläschchen-Geben und Geschäftsreisen verloren.“
Was ist den Vätern in Sachen Kinderaufziehen besonders wichtig? „Ich versuche, meine Kinder so ernst zu nehmen wie meine Partnerin und die Kleinen so viel zu tragen wie es nur geht“, beschreibt Michael seine Vaterrolle. „Ganz wichtig ist auch die Verständigung vom ersten Tag an. Natürlich gibt es Kommunikation bereits im Mutterleib, aber ich meine jetzt konkret ab der Geburt.“ Was genau meint er?
„Vor allem denke ich da jetzt an die ‚Ausscheidungskommunikation‘: Babys lassen es sich von Anfang an anmerken, wenn sie müssen. Das ist in unserer Genetik fest verankert. Wir haben aber verlernt, genau hinzusehen und zu deuten.“
Das heißt im Klartext: Eigentlich braucht ein Baby keine Windeln … „Genau. Unsere Tochter habe ich immer dann abgehalten, wenn ich merkte, sie muss. Hier herrscht noch viel zu viel Unwissenheit.“ Und weiter: „Bei aller Liebe und allem Sorgen, sollte man sich aber stets fragen, ob das, was man tut, aus Liebe zum Kind geschieht oder ob man es damit erdrückt.“
Jörg, der eigentlich gern mehr als ein Kind gehabt hätte, erinnert sich gern daran, wie er mit seinem kleinen Sohn seinerzeit zum Einkaufen fuhr oder Ausflüge machte. „Das war so schön. Wir haben einfach Zeit miteinander verbracht – ohne Ziel und ohne auf die Uhr zu schauen. Ich erinnere mich noch genau an die Nächte: Er kam in mein Bett gehuscht, bis er eines Tages sagte: ‚Papa, heute Nacht komme ich nicht mehr.‘ Daran musste ich mich erst einmal gewöhnen, mehr als er, denke ich.“ Auf diese Zeilen folgt ein Zwinker-Smiley, doch schreibt er im Anschluss noch: „Ehrlich gesagt vermisse ich diese Zeit sehr.“
Jan aus Bersenbrück kam aus einem ganz anderen, sehr traurigen Grund dazu, Vollzeit für seine Kinder da sein zu müssen: Er hatte schlichtweg keine andere Wahl. „Meine Frau hatte Krebs und starb Ende 2019. Mir brach der Boden unter den Füßen weg. Aber es geht ja immer weiter. Und so wohnen bei mir jetzt drei Kinder, zwei Jungs aus der ersten Ehe meiner Frau und unsere gemeinsame Tochter. Ich selbst habe auch noch eine weitere Tochter, auch aus der ersten Ehe. Sie lebt bei ihrer Mutter.“ Jan macht eine Schreibpause, ich sehe, wie er tippt, innehält, wieder tippt …
„Ich sehe es so: Viele Menschen, insbesondere tatsächlich Männer, wissen nicht, wie es alleinerziehenden Vätern wirklich geht und welche Sorgen sie haben. Der Alltag und das Leben an sich gestalten sich mit einem Schlag komplett anders als wäre man zu zweit. Alleinerziehende brauchen mehr Unterstützung.“
Und dann gibt es da noch Frank, siebenundfünfzig Jahre alt, aus der Nähe von Stuttgart, ebenfalls Vater vierer Kinder. Er schreibt über sich:
„Ich sehe mich ehrlich gesagt gar nicht in einer besonderen Rolle. Bin wahrscheinlich nicht mehr oder weniger als andere Väter für ihre Minis da. Ich bringe sie auch mal abends ins Bett, erzähle ihnen Geschichten, wir spielen und lösen Rätsel … Also alles ganz normal.“
Ganz „normal“? Wenn das so ist, brauchen wir genau von diesen normalen Papas bitte noch viele weitere.
An dieser Stelle stellt euch – liebe Superpapis – bitte ein großes, rotes Herz vor.
Danke.
Hinweis: Dieser Text ist in ähnlicher Form bei „Hallo:Eltern“ erschienen.