Archiv der Kategorie: Begebenheiten

Auf ein Neues …

Liebe Leser!

Und jährlich grüßt das Murmeltier. Der Wecker klingelt, 2012 ist angebrochen. Zunächst einmal wünsche ich allen ein glückliches, aufregendes und gesundes Jahr!

Nach drei Wochen sitze ich wieder an meinem geliebten Schreibtisch. Ein schönes Gefühl ist das, wieder zu Hause zu sein. Und doch bin ich seltsam melancholisch. So wie immer, wenn ich etwas hinter mir lasse – das Jahr 2011 oder eben eine Reise. Ich hänge den jüngsten Erinnerungen nach, denen an das Land des Lächelns.

Noch am Morgen des 30. Dezembers 2011 stehe ich in roten Flip-Flops an einem fernen Thailändischen Strand. Longtail-Boote tuckern auf dem Wasser, drahtige Thais schleppen Anglerzubehör umher. Es ist sieben Uhr am Morgen. Abschied nehmen ist angesagt – vom Meer, von Ebbe und Flut, von Tom Ka Ga und den wohl freundlichsten Menschen der Welt. Es sind gemischte Gefühle, die ich habe. Traurig bin ich aber nicht, denn ganz sicher werde ich wiederkommen. Es gibt noch so wahnsinnig viel zu entdecken … Meine Eindrücke und Erlebnisse werde ich natürlich wieder mit euch teilen. Fotos wird es auch zu sehen geben. Habt noch ein wenig Geduld, ich muss erst einmal ankommen und Luft holen.

Herzlich,
Coralita

Glücksmoment – gesehen irgendwo in Thailand.

Lutz, das Lipom

Du bist mir fast schon ein Freund. Auf jeden Fall bist Du ein guter Lebensgefährte. Seit 2004 kenne ich Dich jetzt, Du warst immer bei mir – ob ich nun wollte oder nicht. Heute gibt es kein Zurück mehr: Du wirst verschwinden, Du musst weg: Lutz – mein Lipom. Denn Du bist  zwar ein gutartiger, aber doch immerhin ein Tumor, der sich an meinem Unterarm gebildet hat.

Da liege ich jetzt also auf der Behandlungsliege und bekomme eine örtliche Betäubung. Es tut gar nicht weh. Die durchsichtige Flüssigkeit, die sich da ihren Weg in meinen Unterarm sucht, könnte ungefährlicher nicht aussehen.Ein seltsames, irgendwie lustiges Taubheitsgefühl durchzieht die Stelle um Dich, Lutz. Ich liege auf dem Rücken und habe den linken Arm im 90-Grad-Winkel auf dem Bauch liegen. Mit der rechten Hand stabilisiere ich ihn, damit er nicht immer an die Seite wegrutscht. Mir ist mulmig, als er der Arzt seinen mintgrünen OP-Schutz vor den Mund bindet und sich eine leuchtend grüne Kappe aufsetzt. Dann legt er eine sterile Decke auf mich. „Normalerweise mag ich grün“, sage ich schnell.

„So, jetzt geht es los“, verkündet der Arzt und hat auch schon das kleine Skalpell in der Hand. Ein Skalpell ist ein Messer, wird mir immer klarer. Jetzt ist mir erst recht mulmig. Aber ich denke mir nur: Gleich ist es überstanden, Du hast überhaupt nichts zu befürchten, Du bekommst ja nicht einmal etwas davon mit. (Und dann denke ich noch: Oh mein Gooooooott!! Aber das lasse ich weder Arzt noch Schwester spüren.)

Ich schaue einfach weg, in Richtig Decke, weil ich woanders nicht hinschauen kann – und irgendwie auch gar nicht möchte. Oben hängt eine Leuchte. Eine Leuchte … in der ich mich spiegele! Vor allem aber mein sich gerade unter Beschnitt befindender Arm! Ich kann nicht wegschauen! Ich sehe, wie der Arzt den ersten und einzigen  Schnitt tut. Es blutet gar nicht sehr. Wird mir da jetzt übel? Ich beschließe, dass dem nicht so ist und starre weiter in mein Spiegelbild. Lutz, jetzt lerne ich Dich also auch von innen kennen … Meine Güte, eine Schönheit bist Du nicht. Du siehst sogar ziemlich eklig aus, aber irgendwie bist – warst – Du ein Teil von mir.

Geschafft. Du bist raus, Lutz. Noch immer keine Schmerzen. Irgendwie toll. Ich habe alles mitangesehen, ohne etwas zu spüren. Als wäre ich gar nicht ich, sondern jemand Fremdes. Die Wunde wird genäht. Auch das schaue ich mir ganz genau an. Ich bin wie hypnotisiert! Ist gar nicht schlimm, ich merke auch davon rein gar nichts! Dann kriege ich ein Pflaster auf die Wunde – und einen Druckverband umgelegt.

Lutz, Du liegst auf dem Abstelltischchen neben mir und wirkst irgendwie verloren. Du tust mir leid, aber eine Trennung wird uns beiden sicher nicht schaden. „Ade, mein Freund“, sage ich laut zu Dir, und der Chirurg lacht mich aus.

Lieber ein Bild vom Raps – der Anblick ist entspannender …

Eine Schönheit in Schwarz, Rot und Gold

BERGE. „Einmal in unserem Leben wollten wir etwas völlig Verrücktes tun“, erzählt Karin Schad und lächelt. Ein schelmischer Ausdruck huscht über ihr Gesicht, als sie ergänzt: „Dann haben wir unsere Lizzy gekauft.“ Und die ist eine wahre Schönheit in Schwarz, Rot und Gold. Lizzy ist ein Ford T.

„Der Wagen ist wesentlich älter als ich“, sagt Klaus Schad und lacht. „98 Jahre hat er jetzt auf dem Buckel.“ Der 71-Jährige und seine Frau fahren bei schönem Wetter öfter mal mit dem Oldtimer aus – zum Einkaufen, Essen oder Eisschlecken. „Er ist schon ein Blickfang, und so mancher fotografiert ihn auf der Straße, wenn wir vorbeifahren“, sagt Klaus Schad stolz.

Im Jahr 1908 stellt Henry Ford das legendäre Automobil auf die Räder. Als erster US-amerikanischer Volkswagen leitet der Ford Model T die Massenmotorisierung ein. Das Auto ist wahrer Verkaufshit und erhält sogar einen Kosenamen: Tin Lizzy, die „Blech-Lissie“, sozusagen. Bis ins Jahr 1927 werden mehr als 15 Millionen Exemplare hergestellt. Das ist Weltrekord, den erst der VW Käfer nach dem Zweiten Weltkrieg überrunden kann. Als sich die Leute jedoch im Laufe der Zeit nach eleganteren und moderneren Autos zu sehnen beginnen, wird die Produktion eingestellt.

Dann erzählt das Ehepaar, wie es an das Schnauferl gekommen ist. „Wir haben ihn 2005 in Kalifornien gesehen und uns sofort in ihn verliebt“, schwärmt Klaus Schad. Er holt das türkisfarbene Auto Anfang 2006 nach Deutschland, lackiert es rot um, nimmt ein paar Reparaturen vor. „Es gab da noch so einiges zu tun“, erklärt Karin Schad.

Dann dreht ihr Ehemann mit der Reporterin eine kleine Runde mit dem Gefährt: Gas gibt er mit der Hand, schalten tut er mit dem Fuß – verkehrte Welt, an die man sich erst einmal gewöhnen muss, so Klaus Schad. „Das ist eine Wissenschaft für sich. Und man braucht ganz schön viel Armkraft“, sagt das Vorstandsmitglied des Oldtimer-Veteranenclubs Artland.

Am Sonntag, 7. August, wird Klaus Schad seinen Liebling beim Oldtimertreffen des Clubs in Badbergen vorstellen.

(c) Der Text ist am 1. August 2011 im Bersenbrücker Kreisblatt erschienen.

Von Milch und Mädchen

Es ist herrlich warm draußen. Ich sitze im Eiscafé und löffle Vanilleeis. Mir zur Rechten sitzen zwei Mädchen um die zwölf Jahre. Ich belausche ihr Gespräch. Es dreht sich um einen Kuchenbasar, den ihre Schule demnächst veranstalten wird.

„Wenn wir den ganzen Kuchen verkaufen, kriegen wir total viel Geld!“, schwärmt die eine. „Davon kaufen wir uns dann was Schönes – ein Fahrrad oder sowas.“
Das andere Mädchen beginnt zu lachen und kriegt sich fast nicht mehr ein. „Was ist denn?!“, fragt die erste und schlürft an ihrem Milchshake.
„Naja, ein Fahrrad … Das ist doch die totale Milchmädchenrechnung!“
„Die waaaas?“ Unverständliche Blicke von der ersten.
„Mann Lara, hast Du das Wort noch nie gehört? Milchmädchenrechnung: Das ist, wenn sich einer etwas ausrechnet, das gar nicht hinhauen kann!“

Diese Erklärung ist zwar etwas dürftig, aber durchaus zu verstehen.
Hintergrund der Redewendung: Der französische Schriftsteller Jean de la Fontaine schrieb im 17. Jahrhundert eine Fabel über eine junge Bauernmagd. Am Morgen geht sie zum Markt, wo sie Milch verkauft. Auf dem Weg und während des Verkaufs denkt sie darüber nach, was sie sich von dem Gewinn alles kaufen könnte: Sie träumt von Hühnerzucht und Schweinen … und stolpert. Die Milch verschüttet sich über den Boden. Wenn jemand einen Traum hat, sagt man seitdem gern: Das ist eine Milchmädchenrechnung.

„Naja, vielleicht hast Du recht, Lisa. Ein Fahrrad werden wir uns davon nicht kaufen können. Aber vielleicht ja einen Kuchen!“ Und dann bestellen sie die Rechnung. „Die Mädchenrechnung bitte!“, grinst die eine und schaut die Kellnerin an. Die hat natürlich überhaupt keine Ahnung, was hier abgeht. Die beiden Mädchen prusten los.

Nichts geht über ein kühles Gläschen Milch.

Zu Gast bei Freunden

Wie funktioniert der Maisanbau? Welche Ausbildung absolviert ein Landwirt, und was muss er bei der Schweinemast beachten? Antworten auf diese Fragen zum Thema Landwirtschaft bekam ein tansanischer Journalist auf dem Hof von Henning Nordemann-Brands in Bippen.

Im Rahmen des sogenannten Tansania-Projekts, organisiert vom niedersächsischen Landesverband Bürgermedien (LBM), ist der Afrikaner im Rahmen eines Austauschprogramms von deutschen und tansanischen Radiojournalisten zu Gast bei osradio 104,8 in Osnabrück. In seiner Heimat arbeitet Peter Lusaya bei Radio Kwizera mit Sitz in Ngara: „Gegründet wurde unser Lokalsender 1995 zu Informationszwecken für ruandische Flüchtlinge.“ Es habe damals kaum Möglichkeiten gegeben, Informationen zu verbreiten. „Da war der Aufbau eines Senders eine gute und wichtige Option.“ Auch heute noch könne man sich Tageszeitungen und Fernsehapparate in Tansania kaum leisten – im Gegensatz zu billigen, batteriebetriebenen Transistorradios. „Ganz wichtig ist Radio auch für die Bildung unserer Leute“, erklärt der 35-Jährige, denn noch immer gebe es zu wenig entsprechende Einrichtungen in seiner Heimat. Menschen aus Tansania, Ruanda, Burundi und der Demokratischen Republik Kongo können Radio Kwizera empfangen.

Und was interessiert die Menschen dort? „Umweltschutz, Gesundheit und Landwirtschaft sind zentrale Themen bei uns“, erzählt Peter Lusaya. Was also liegt näher, als sich bei Henning Nordemann-Brands über Landwirtschaft zu informieren? Er ist ein Bekannter von Matthias Preiss, dem Sendeleiter bei osradio 104,8. „Wir hatten die Idee, Peter einmal abgesehen vom Radiobetrieb auch die Arbeit und das Leben auf einem Bauernhof zu zeigen“, erzählt er.

Es geht hinaus auf den Hof, aufs Maisfeld und anschließend in den Schweinestall. Das Interesse ist groß, der Tansanier hat viele Fragen.1000 Schweine hat die Familie Nordemann-Brands. Hühner, Katzen und viele andere Tiere gibt es auf dem Hof. „Bei uns wird es nie langweilig“, lacht der vierfache Familienvater.

Nach dem Rundgang gibt es ein Frühstück. Auf dem reichlich gedeckten Tisch steht eine Schale mit Erdbeeren. Peter Lusaya dreht und wendet eine pralle, rote Frucht und beißt herzhaft hinein. Erdbeeren stehen in seiner Heimat nicht auf dem Speiseplan. Dort esse man viele Bananen und einen Brei aus Maismehl, den man Ugali nennt. „Fast alles, was ich in Deutschland gegessen habe, hat mir gut geschmeckt. Es gibt aber etwas, das ich gar nicht mag.“ Der zweifache Vater macht eine kurze Pause und verzieht leicht das Gesicht. Er macht es spannend. Und dann sagt er das Wort, bei dessen bloßem Klang vielen das Wasser im Mund zusammenläuft: „Spargel“.

„Was findet ihr daran? Der besteht doch nur aus Wasser!“, erklärt der Tansanier mit den leuchtenden Augen. Als wir erklären, dass Spargel in Niedersachsen die Delikatesse schlechthin ist, lacht er. Das kann er sich nun gar nicht vorstellen.

(c) Erschienen im Bersenbrücker Kreisblatt am 9. Juni 2011

Zwar nicht Tansania, aber auch ganz schön: indischer Gemüsebauer mit Maispflanzen.