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Der Punk der Zeit

„Rock’n’Roll – das ist der Punk der Zeit“, sagt Alexander Pampel und wackelt mit dem Knie. Der 26-Jährige ist ein fescher Typ mit cooler Gelfrisur, 1950er-Jahre eben. Seine Musikerkollegen nicken zustimmend, fast schon andächtig.

Im Osnabrücker Land kennt man sie, dort sie sind beliebt, die vier Kultmusiker von Mr. Cracker. In ihren Songs lassen sie den Rock’n’Roll der 50er- und 60er-Jahre aufleben. Hört man in ihre vorletzte CD hinein, kann man gar nicht anders als mittanzen oder wenigstens mit dem Kopf wippen. Der Titel der Scheibe mit den fünf gecoverten Songs passt auch: „Shake it up!“ Gehört – und getan.

Es ist Freitagabend gegen halb sechs. Draußen ist es bereits dunkel. Die Reporterin ist zu Gast im Proberaum von Mr. Cracker auf dem ehemaligen Gelände der Kynast AG. Gemütlich haben es die Bandmitglieder hier – und erstaunlich ruhig. Ein Heizstrahler ist in der Halle aufgebaut, auf dem Tisch stehen Süßigkeiten und Getränke, Schokoladen-Weihnachtskugeln und ein paar Softdrinks. Die Atmosphäre: Vorweihnacht im Wohnzimmer. Hier fühlt man sich wohl.

Der Anlass der Zusammenkunft: In diesem November haben Mr. Cracker ihre neue EP „Tanz mit mir“ herausgebracht. Darauf sind sie besonders stolz, denn: „Zum ersten Mal haben wir fünf eigene, deutsche Rock’n’Roll-Nummern auf CD gepresst und sind natürlich gespannt, wie die bei unseren Fans ankommen“, sagt Michael Krogmann. Der 25-Jährige ist sozusagen der „Creative Director“ der Gruppe, produziert selbst Flyer, Plakate und Websites für die Band – ein Allrounder.

„Tanz mit mir ist nicht nur der Name der EP, sondern auch unser Programm: Es geht um eine Nacht, in der alles passieren kann, in der die Instinkte den Kopf dumm dastehen lassen und Blicke mehr sagen als tausend Worte“, erklärt der Drummer. „Wir wollen dem deutschsprachigen Rock’n’Roll endlich neues Leben einhauchen“, ergänzt Leadsänger Alexander Pampel. „Wir sind gespannt, ob das passieren wird. Auf jeden Fall hat uns Carsten Mohring in seinem Rub-A-Dub-Tonstudio einen tollen Sound zusammengemischt. Dafür sind wir besonders dankbar“, schwärmt Michael Krogmann.

Im Jahr 2012 wird Mr. Cracker sein zehnjähriges Jubiläum feiern. Über 300 Shows in ganz Deutschland haben die vier jungen Männer bereits über die musikalische Bühne gebracht. Gespielt haben sie bereits mit Bands wie Ich & Ich und Revolverheld. „Zehn Jahre Mr. Cracker – das ist natürlich ein ganz besonderer Anlass, um unseren Fans etwas Besonderes zu bieten und uns bei ihnen für ihre Treue zu bedanken. Sie dürfen sich also gern überraschen lassen“, grinst Michael verheißungsvoll. „Näheres wird natürlich noch mitgeteilt, wenn es dann soweit ist.“

Kurz zur Geschichte von Mr. Cracker: Sie beginnt im Jahr 2002: Alexander Pampel, Michael Krogmann und Gitarrist Konstantin Gur kennen sich aus dem Artland Gymnasium Quakenbrück (AGQ). Sie sind Freunde. „Wir haben damals zusammen unsere ersten musikalischen Gehversuche gemacht“, erzählt Konstantin. „Das war eine klasse Zeit, in der wir auch herausgefunden haben, dass uns die Musik der 50er-Jahre am Herzen liegt – und irgendwie auch ein bisschen im Blut.“
Das Nesthäkchen der Band ist der 20-jährige Florian Risch. Er stieß im Jahr 2008 dazu. Meist lächelt der Kontrabassist still vor sich hin, um dann und wann eine witzige Interjektion von sich zu geben oder skeptisch die Stirn zu runzeln – eine wahre Mimikakrobatik.

Warum nennt sich die Band eigentlich Mr. Cracker? „Das ist eine gute Frage“, lacht Michael Krogmann. „Der Name ist aus reinem Herumalbern entstanden. Wir fanden ihn eigentlich ziemlich bescheuert, aber man kann ihn sich gut merken. Tja, und Kekse waren eben auch im Spiel – die haben wir nämlich zu diesem Zeitpunkt gerade gegessen.“
Zwischen Weihnachten und Neujahr drehen die vier jungen Männer übrigens das Video zur EP in der Kantine in Quakenbrück. „Es werden noch Statisten gesucht“, informiert Michael Krogmann.

Dann wird es Zeit für das gemeinsame Foto. Auf Kommando und aus dem Stehgreif beherrscht das musikalische Team coole Posen und produziert einen Tusch – nur für die Reporterin.

 

Wie ein Chefarzt zum „Arzt ohne Grenzen“ wurde

Quakenbrück. Vor zwölf Jahren erhielten Mediziner der Organisation Ärzte ohne Grenzen den Friedensnobelpreis für ihre humanitäre Arbeit weltweit. Dr. Matthias Grade ist einer von ihnen. Heute ist er Chefarzt der Abteilung Gastroenterologie, Allgemeine Innere Medizin und Infektiologie im Christlichen Krankenhaus Quakenbrück (CKQ). Mit seiner Frau und den drei Töchtern lebt er in Cloppenburg. Der gebürtige Hamburger erinnert sich oft und gern an seine Auslandsaufenthalte und die Einsätze im Rahmen der Organisation. Wir haben den 45-Jährigen zu einem Gespräch im CKQ getroffen.

Dr. Grade, wollten Sie schon immer Arzt werden?
Als ich neun Jahre alt war, starb mein Wellensittich. Er lag tot in seinem Käfig. Da habe ich einen Strohhalm genommen und versucht, den Vogel durch den Schnabel wiederzubeleben. ‚Du schaffst das‘, sagte ich zu ihm, aber er war wohl schon ein paar Stunden nicht mehr am Leben. In diesem Moment kam in mir der Wunsch auf, Arzt zu werden. Ein anderer Aspekt: Ich fand Medizin schon als Junge total spannend und wollte mehr darüber erfahren. Zwischendurch wollte ich mal Polizist werden, aber das ist meinem idealisierten Arztbild schnell gewichen.

Und wie sind Sie später auf Ärzte ohne Grenzen gekommen?
Ich reise für mein Leben gern, könnte immer unterwegs sein. Am liebsten würde ich eine Weltreise machen. Im Studium habe ich in Südafrika im Ausland famuliert, also ein Praktikum gemacht. Das war ein Schlüsselerlebnis. Ich wollte dort sein, wo die Versorgung nicht optimal ist. Dann habe ich in Kapstadt mein praktisches Jahr gemacht. Im Mai 1995 war ich fertig, und im Herbst sollte ich meine neue Arbeitsstelle in Hamburg antreten. Da war also eine gewisse Zeit zu überbrücken. Ich sah dann den Aufruf „Ärzte für Ruanda“ und reiste kurzerhand nach Afrika. Circa zwei Monate war ich innerhalb der Organisation Care dort in den Lagern. So ging das dann weiter. Und 1997, nach meinem Diplom für Tropenmedizin, war ich im Rahmen von Ärzte ohne Grenzen ein halbes Jahr in Sri Lanka.

Was ist besonders an der Organisation, und kann jeder Arzt ein „Arzt ohne Grenzen“ werden?
Auf jeden Fall muss man dazu bestimmte Voraussetzungen mitbringen. Ein bis zwei Jahre sollte man beispielsweise als Arzt gearbeitet haben und tropenmedizinische Kenntnisse mitbringen. Englische Sprachkenntnisse sind natürlich auch erforderlich – idealerweise spricht man noch eine zweite Fremdsprache. Vor der Reise ins Ausland sollte man sich schon über Land, Leute und Kultur informieren. Toll finde ich an Ärzte ohne Grenzen, dass in humanitären Krisengebieten sofort geholfen wird. Rescue- und Evaluierungsteams sind innerhalb von wenigen Stunden vor Ort. Ärzte ohne Grenzen müssen absolut unparteiisch sein – sowohl gegenüber Religionen und Regionen als auch Ethnien. Im Flüchtlingslager in Sri Lanka haben wir gleichzeitig unterdrückte Tamilen und Singhalesen als Aggressoren versorgt.

Für die humanitäre Arbeit weltweit hat Ihre Organisation den Friedensnobelpreis erhalten. Wie haben Sie reagiert?
Zu diesem Zeitpunkt war ich Assistenzarzt der klinischen Abteilung im Tropeninstitut in Hamburg. An einem Tag im Dezember 1999 hatte ich gerade eine Nachtschicht hinter mir und war ziemlich müde. Es kam ein Anruf: „Herzlichen Glückwunsch zum Nobelpreis“‘. Ich habe zuerst gar nichts verstanden. Erst als mein Kollege ins Zimmer kam und mich aufklärte, wurde mir klar, worum es eigentlich ging. Das ist schon eine tolle Sache und hat eine große Symbolik. Dennoch ist unsere Arbeit nur Bruchstück eines gemeinsamen Werks.

Hatten Sie keine Angst vor Übergriffen in den Krisengebieten?
Nein, überhaupt nicht. Wir wurden nie angegriffen. Manchmal wurden in Asien sogar die Gefechte unterbrochen, damit wir durchkamen. „Sorry, we are going to stop the attack“, wurde dann gesagt. Und danach ging es weiter. Das ist völlig absurd, aber so lief das.

Viele Menschen auf der Welt leiden. Wie gehen Sie mit dieser Gewissheit um?
Es gibt Situationen, in denen es schwerfällt, damit umzugehen. Wenn Kinder sterben zum Beispiel. Oder wenn Kindersoldaten in Kriegsgebieten wie Ruanda morden. Bei Naturkatastrophen kann man niemandem die Schuld geben. Das ist etwas anderes als in einem Krieg. Das Gute ist, dass wir Helfer immer in der Gruppe unterwegs waren. Geteiltes Leid ist halbes Leid, so sagt man. Und man kann dann über vieles reden. Das hilft schon sehr. In Ruanda war ich bereits 1994, aber an bestimmte Dinge denke ich noch heute oder träume von ihnen. Ich verarbeite das ohnehin immer erst hinterher. Vor Ort arbeite ich und blende es aus. Unsere Helfer haben seit ein paar Jahren die Möglichkeit, psychologische Unterstützung zu erhalten. Das ist oft auch nötig.

Sind Sie noch immer im Rahmen von Ärzte ohne Grenzen im Ausland unterwegs?
Nein, denn ein Projekt der Organisation dauert wenigstens ein halbes Jahr, und ich habe hier inzwischen Familie und eine feste Stelle als Chefarzt im CKQ. Allerdings reise ich seit 2004 im Rahmen einer Initiative des DAAD einmal im Jahr nach Indonesien. Wir führen vor Ort eine Vorlesungsreihe über Tropen- und Infektionsmedizin durch. Das läuft über die Uni Göttingen. Anlass war der Tsunami 2004. Es handelt sich hierbei auch um eine Art Entwicklungshilfe.

Was ist die wichtigste Erkenntnis, die Sie aus Ihren Auslandsaufenthalten ziehen?
Dass es uns in Deutschland wirklich gut geht. Wir haben zwar auch Schwierigkeiten zu bestehen. Aber die sind ganz anderer Natur.

Liebt das Reisen: Dr. Matthias Grade

Mit Spaß zum Lernerfolg

„Nichts ist schlimmer, als ein Kind beim Schwimmunterricht unter Druck zu setzen“, sagt Oliver Marschall und schüttelt den Kopf. „Damit macht man eine ganze Menge kaputt und – schlimmer noch – erreicht genau das Gegenteil: Das Kind hat Angst und möchte nicht mehr zum Kurs.“ Der geprüfte Schwimmmeister für Bäderbetriebe bringt seit zwei Jahrzehnten Kindern im Hallenbad Quakenbrück das Schwimmen bei.

„Viele Eltern möchten ihre Kleinen schon im Alter von vier Jahren zu uns bringen. Das ist aber viel zu früh, da die motorischen und mentalen Fähigkeiten dann noch gar nicht ausreichend vorhanden sind. Arme und Beine in dem noch fremden Element Wasser zu bewegen: Das geht ab sechs Jahren deutlich besser.“ Oliver Marschall weiß, wovon er spricht: Etwa 1.000 Schüler hatte er bisher – eine Zahl, auf die der gebürtige Badberger stolz ist: „Mein Beruf hat mir schon immer Freude gemacht, vor allem das Arbeiten mit Kindern.“ Und das nimmt man dem 36-Jährigen mit dem jungenhaften Grinsen sofort ab. „Mit Kindern arbeiten bedeutet auch, selbst ein Stück weit Kind zu sein, sonst wird das nichts“, lacht der passionierte Schlagzeuger und Percussionist der Badberger Sambagruppe „Landaya“.

Als Oliver Marschall gegen neun Uhr an diesem Dienstagmorgen den Nichtschwimmerbereich betritt und „seine“ 26 Kinder Augen sieht, strahlt er über das ganze Gesicht. „Diese Kinder hier machen einen Crashkurs, der zwei Wochen lang geht. Jedes Training dauert dabei eineinhalb Stunden. Es gibt aber auch Nachmittagskurse, die sich über fünf Wochen erstrecken“, erklärt er.

Die Schüler springen ins Wasser und schauen erwartungsfroh zu ihrem Lehrer hoch. Der stemmt die Arme in die Hüften. „Soll ich etwa auch ins Wasser?“, ruft Oliver Marschall. „Jaaa!“, brüllen die Kleinen im Chor. „Na, das hab ich mir gedacht!“ Und mit dem Hinterteil voran wirft sich der Schwimmlehrer ins Wasser. Die Kinder feixen. Dann wird es etwas ernster: Es folgt die erste Übung. Doch für die Kids scheint das noch immer Spaß zu sein. „Es prasseln so viele neue Eindrücke auf sie ein: ein fremder Schwimmlehrer und eine in ihren Augen riesige Halle. Erwartungsdruck ist also absolut fehl am Platz. Die Kinder sollen Freude am Lernen empfinden, das Druckwort ‚Seepferdchen‘ fällt deshalb nicht ein einziges Mal während des gesamten Kurses“, betont Oliver Marschall.

Mit dem Rücken zum Beckenrand strampeln die Kleinen jetzt kräftig mit den Beinen, dass es nur so spritzt. „Diese Übung zeigt mir, wie die Kinder damit umgehen, Wasser ins Gesicht zu bekommen – und wie weit sie mit der Beinarbeit sind – das ist ganz wichtig beim Schwimmen“, erklärt der Schwimmmeister. Er und sein Kollege Sebastian Hübner gehen zu jedem Kind und loben es oder verbessern etwas an seiner Haltung. „Jeder braucht eine ganz individuelle Behandlung, weil jeder anders ist und anders lernt. Ich lehne einheitliche Muster bei Schwimmkursen ab, denn jedes Kind soll sich frei entwickeln dürfen.“

Vor jedem Kurs sucht Oliver Marschall das persönliche Gespräch mit den Eltern, „um den Hintergrund und Charakter des Sohns oder der Tochter besser zu verstehen und entsprechend darauf einzugehen. Wenn ich den Schüler etwas besser kenne, bekommen die Eltern auch kleine Anweisungen von mir, zum Beispiel, wie zu Hause mit dem Thema Schwimmen umzugehen ist.“ Auch holt er sich regelmäßig psychologischen Rat ein, „denn das gute Zusammenspiel von Seele und Körper ist auch beim Schwimmen ganz wichtig.“

Plötzlich lacht Oliver Marschall – und erzählt die Geschichte von einem Jungen, der vor Jahren einmal bei ihm gelernt hat. „In der letzten Stunde ermunterte ich ihn, vom Dreimeterturm zu springen. Er zögerte nicht, tat es und hatte sehr viel Spaß. Ich sah danach zu seiner Mutter rüber, sie war kreidebleich im Gesicht. Ich ging zu ihr, und sie erzählte mir, dass ihr Sohn seit einem Jahr wegen Höhenangst in Therapie sei. Sie war sehr glücklich und umarmte mich.“ Oliver Marschall grinst. „Das ist eines meiner Lieblingserlebnisse, seit ich Schwimmmeister bin. Es ist klasse, etwas zu bewirken und Kindern etwas fürs Leben beizubringen.“


Oliver Marschall inmitten „seiner“ Kinder: In einem Crashkurs erlernen sie das Schwimmen.
(Dieser Artikel ist am 22. Oktober 2011 im Bersenbrücker Kreisblatt (NOZ) erschienen.)

„Nach Oles Tod geht das Leben weiter“

Es ist ein warmer Spätsommertag. Die Sonne scheint, Vögel zwitschern, es riecht nach gemähtem Rasen im Wohn- und Freizeitpark in Quakenbrück. Meine Bekannte Birgit Eckhoff empfängt mich heute als Reporterin vor ihrem Haus. Wir wollen über ein sehr bedrückendes Thema berichten.
Die 40-Jährige trägt ein peppiges Kleid, die rotstichigen Naturlocken fliegen ihr um die Schultern, sie hat ein ansteckendes Lachen. Es ist ein Lachen, das sich Birgit in den vergangenen Jahren hart zurückerkämpft hat. Im Oktober 2008 starb Ole, der jüngere ihrer beiden Söhne, über Nacht am plötzlichen Kindstod – im Alter von vierzehn Jahren. „Das kommt selten vor bei Kindern in diesem Alter, aber wenn, dann betrifft es eher Jungen im Teenageralter“, erklärt die Quakenbrückerin.
Was ist geschehen? „Ich habe Ole morgens im Bett liegend gefunden, er sah blass aus. Ich sagte noch zu meinem Mann Klaus: Der Junge sieht so seltsam aus.“ Sie schüttelt den Kopf. „Das Ganze ist jetzt schon eine Weile her, und noch immer kommen die Leute im Supermarkt auf mich zu und streichen mir über den Arm oder schauen mich mitleidig an. Das sollen sie bitte endlich lassen, ich mag und ich brauche das nicht“, sagt sie ein bisschen verärgert.

Ole liebte Rosen

Birgit Eckhoff ist eine selbstbewusste, lebenslustige Frau. Wir machen einen Spaziergang an der Wrau, mit Hund Jac und Kater Angelo Merkel. „Merkel war Oles Kater. Er hat ihm diesen verrückten Namen gegeben. In der Nacht, als er eingeschlafen ist, saß Merkel auf seinem Bett.“ Sie lächelt. „Es gibt so einiges, das seltsam ist, seit Ole nicht mehr da ist.“
Wieder daheim in ihrem Garten, deutet sie auf einen prächtigen Rosenstrauch. „Ole liebte Rosen. Er hat diesen Strauch besorgt, aber der wollte lange Zeit nicht blühen. Als Ole nicht mehr war, begannen die Rosen mit einem Mal zu blühen.“ Die Quakenbrückerin zuckt mit den Schultern.
Woran erinnert sie sich, wenn sie an Ole denkt? „Ich habe diesen empfindsamen, lebenshungrigen Jungen vor Augen. Ich denke an alles, was er war: liebevoll, witzig und gerechtigkeitsliebend. Aber es gibt noch so viele andere Dinge, die ich vermisse.“
Und was gab ihr die Kraft, diesen Verlust zu ertragen? „Verwinden tut man das nie. Ich bin pädagogische Mitarbeiterin an der Haupt- und Realschule Quakenbrück und Oberschule Essen. Die Kinder dort haben mir sehr geholfen. Kinder sind klasse, so offen und ehrlich. Der unmittelbare Kontakt zu ihnen hat mir sehr viel Kraft gegeben, obwohl ich mein eigenes Kind gerade verloren hatte … Ein Kind verloren, aber hundert gewonnen.“
Birgit Eckhoff schaut nachdenklich in ihre Kaffeetasse. „Auch die Arbeit in meinem Fitnessstudio hat mir sehr geholfen, der Kontakt zu anderen Menschen. Und ich gehe jeden Tag auf den Friedhof, um meine Erlebnisse mit Ole zu teilen.“

„Wie komme ich am schnellsten nach L.A.?“

Dann erklärt sie, dass nur dreißig Prozent der verwaisten Familien es schaffen, nach dem Tod eines Kindes zusammenzubleiben. „Männer und Frauen trauern verschieden. Man muss das respektieren. Meinen Mann, meinen Sohn Mick und mich hat unser gemeinsames Schicksal noch enger zusammengeschweißt.“
Birgit Eckhoff steht plötzlich auf, geht ins Haus und kommt mit einem Skateboard und einer fetzigen, roten Gitarre wieder. „Ole liebte Metallica. Er wollte Rockstar werden und hatte Gitarrenunterricht. Mama, fragte er mich oft, wie komme ich am schnellsten nach L.A.?“
Sie schmunzelt. „Ich selbst spiele auch und sollte später einmal die Bassistin in seiner Band werden.“ Sie lacht und zeigt bunte Collagen. „Zum Abschied haben Oles Freunde und Mitschüler sie gebastelt – mit all den Dingen drauf, die mein Sohn liebte: vor allem den Song ,Nothing else matters‘, Chucks und die Simpsons.“ Die Augen von Birgit Eckhoff glänzen – vielleicht ist es gerade wieder die Trauer, vielleicht aber auch der Stolz auf Ole.
„Den Schmerz zulassen“
Später möchte sie ein Buch über ihren Sohn schreiben und eine Plattform für verwaiste Eltern und Angehörige aufbauen, vielleicht ein Internetforum. „Direkt und persönlich ist der Kontakt manchmal zu schmerzvoll, weil man sich die Schicksale der anderen zu sehr zu Herzen nimmt. Aber ein Austausch auf diesem Wege erscheint mir wichtig und auch sinnvoll.“
Welche Botschaft möchte Birgit Eckhoff Menschen mit ähnlichem Schicksal noch mit auf den Weg geben? „Der Schmerz ist mal stärker, dann wieder schwächer. Man kommt nie darüber hinweg.“ Dann schweigt sie kurz. „Man muss den Schmerz zulassen und darf sich nicht zu Hause vergraben. Ja, ich habe meinen Sohn verloren. Ich habe mein Leben aber noch, und das geht weiter“, sagt sie entschlossen.

Spaß an Finanzen, Recht und Steuern

Quakenbrück. „Wir vom Finanzamt beißen nicht, auch wenn das viele glauben“, sagt der Vorsteher des Finanzamts Quakenbrück, Michael Wernke, und lacht. „Die Ausbildung bei uns ist spannend und interessant. Von den Verwaltungsausbildungen ist sie eine der besten, die man machen kann, weil sie so umfassend ist.“

Zu seiner Rechten sitzen zwei blonde, hübsche Mädchen: die neuen Auszubildenden beim Finanzamt Quakenbrück. Die beiden Finanzanwärterinnen für den gehobenen Dienst haben ein umfangreiches Auswahlverfahren hinter sich und sind stolz, dass sie es geschafft haben – als zwei von sechzig Bewerbern.

„Wir freuen uns, zwei solche Perlen im Boot zu haben“, sagt Michael Wernke. Am 1. August hatten Maria Priebe und Janina Wolter ihren ersten Arbeitstag im Finanzamt Quakenbrück.

„Es war sehr aufregend, jede Menge Informationen und Eindrücke prasselten auf uns ein. Es hat wirklich Spaß gemacht“, berichtet Janina. Die 19-jährige Kettenkamperin schmunzelt. „Am Nachmittag hatten wir dann unser Anwärtertreffen. Dort konnten wir Fragen stellen und haben viele Leute kennengelernt, mit denen wir auch in den kommenden Jahren zu tun haben werden.“ Kommilitonin Maria Priebe nickt. Sie ist ebenfalls 19 Jahre alt und kommt aus Kettenkamp. Die beiden Mädchen sind zusammen zur Grundschule gegangen, waren dann aber auf verschiedenen Gymnasien. „Jetzt kreuzen sich unsere Wege wieder.“

Wie kommt man eigentlich dazu, beim Finanzamt zu lernen? „Ich habe 2008 ein Praktikum hier gemacht. Es hat mir sehr gut gefallen, vor allem der Umgang der Kollegen miteinander und die vielen verschiedenen Aufgaben, bei denen man oft knobeln muss. Genau das mag ich“, sagt Janina. Ihre Augen leuchten.

Maria fügt hinzu: „Mein Interesse wurde durch ein Schulprojekt geweckt, das Duale Studiengänge vorgestellt hat. Ich habe mich viel über das Finanzamt informiert und mich entschieden, eine Ausbildung dort zu machen. Im Finanzamt hat man nämlich viele Möglichkeiten, es wird niemals langweilig. Die Gesetze ändern sich, man lernt immer dazu.“ Nach dem Studium dürfen sich die jungen Frauen dann Diplom-Finanzwirtinnen (Steuerakademie) nennen.

„Das Studium ist eine Kombination aus fachtheoretischen Studienabschnitten in der Steuerakademie in Rinteln und praktischen Abschnitten im Finanzamt“, erläutert Michael Wernke. „Der Vorteil gegenüber einem Studium an der Universität ist, dass man sein Wissen frühzeitig anwenden kann.“ Dies erleichtere den Einstieg ins Berufsleben.

„Die Chance übernommen zu werden, ist für beide Mädchen sehr hoch“, sagt Ausbildungsleiter Hans-Gerd Meier. Auch das sei ein Vorteil des Dualen Studiengangs, der dem Bachelor gleichgestellt ist. Ausbildungshauptsachbearbeiterin Simone Suijker ergänzt: „Die Einsatzmöglichkeiten beim Finanzamt sind vielfältig. Man kann sowohl im Innen- als auch im Außendienst arbeiten, bei der Betriebsprüfung oder Steuerfahndung mitwirken. Und lehren kann man natürlich auch.“

Für den Ausbildungsjahrgang August 2012 stehen dem Finanzamt Quakenbrück jeweils zwei Ausbildungsplätze für den mittleren und gehobenen Dienst zur Verfügung. Und welche Eigenschaften muss ein Bewerber erfüllen, wenn er ein duales Studium oder eine vergleichbare Ausbildung beim Finanzamt machen möchte? „Wichtig sind vor allem Teamfähigkeit, Talent zur Kommunikation, logisches Denkvermögen, Freude am Umgang mit Menschen und ein Blick für das Wesentliche“, erklärt Michael Wernke. Und genau diese Kriterien erfüllen Janina und Maria, die sich auf lehr- und erlebnisreiche Studienjahre freuen.

(c) Dieser Artikel ist am 5. August im Bersenbrücker Kreisblatt (Neue Osnabrücker Zeitung) erschienen.