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„Mensch-Ärgere-Dich-Nicht“ aus Duplo

Coronazeit ist Kreativzeit (ja, wir wissen: unter anderem … ): Um der vielen Zeit zu Hause sinnvoll Herr (oder in diesem Fall eben Frau) zu werden, lasse ich mir gemeinsam mit den beiden Jungen eine Menge einfallen – sehr oft ergibt sich das aber ganz von selbst. So sagte neulich beim „Mensch-Ärgere-Dich-Nicht“-Spielen mein Siebenjähriger: „Mama, wir können doch auch mal so ein Spiel aus Duplo bauen und dann mit den Tieren oder Püppchen spielen!“ Was für ein schöner Einfall. Gesagt – und kurzerhand getan. Hier eine Nachbauanleitung in Wort und Bild.

Schritt 1: Platte und Steine zurechtlegen

Man nehme eine große, quadratische Legoplatte und jede Menge Duplo-Bausteine in allen möglichen Formen, vor allem aber die quadratischen mit den vier Noppen. Die Kinder entscheiden sich – ganz klassisch – für Rot, Grün, Blau und Gelb. Das „Drumherum“ bilden jede Menge andere verfügbare Farben. Die Jungs haben freie Hand, wir werden sehen, was da dann entstehen wird. Zuerst einmal schnappen sie sich unser Spiel von eben und schauen sich seinen Aufbau an. Aus wie vielen Steinen bestehen der Weg sowie die Start- und Zielpunkte? (Für die ganz kleinen Spieler wählt man am besten nur einen Punkt sowohl für den Aus- als auch für den Eingang. Dann kann das Kleinkind beispielsweise mit großen, schön griffigen Tierfiguren wie der Giraffe oder dem Eisbären spielen.)

Schritt 2: Los geht es mit dem Bauen

Meine beiden – bald acht und bald fünf – überlegen, ob sie die Steine zusammen oder mit einer Lücke dazwischen stecken. Nach ihrem Plan sollen die Steine eng beieinander stehen. Aber auch hier gilt natürlich: jeder, wie er möchte. In die Mitte der Platte kommt „etwas Schönes“, sagt K. Erst ist es ein einfacher, orangefarbener Baukegel, dann eine Spielfigur auf einem „Thron“. Dies wird sich im Verlauf der Bauaktion noch mehrfach ändern. Dann machen sich die Bengelchen an den Weg, sie wählen kunterbunte Steine aus. Die Zielpositionen gestalten die Jungs wieder in einheitlichen Farben, „zur besseren Übersicht, Mama.“ Klar. Habe ich verstanden …
Die Figuren sollen bei einer Sechs auf den Ausgangspunkt „rutschen“. Das tun sie über Steine einer Murmelbahn.

Schritt 3: Verfeinern und Schmücken

Jetzt sind sie mit ihrer „Landschaft“ fertig – soweit jedenfalls. „Mama, wir müssen noch dekorieren!“ K. schnappt sich ein paar Duplo-Blümchen. Kurz – und schön mit anzuschauen: Die beiden hängen sich voll rein, stecken noch einmal ein paar Steine um, verlieren sich noch eine Weile mit „Nachbesserungen“. (Ich gebe zu: Ich staune und staune immer wieder über die Kreativität der Zwerge und darüber, wie sie mit wirklich simplen Materialien Tolles schaffen.)

Schritt 4: Auf die Plätze – fertig – Spiel?

Jetzt ist das Spiel zu ihrer Zufriedenheit aufgebaut, der Würfel liegt bereit. Und jetzt können wir ja dann auch mit dem „Mensch-Ärgere-Dich-Nicht“ loslegen – nicht.
Dass die Kinder vor dem eigentlich Spielen jetzt zunächst einmal frei mit Figuren und Fahrzeugen „testen“ müssen, ob auch alles fest sitzt und funktioniert, leuchtet natürlich ein. „Gleich, Mama. Die Figuren wollen erst noch rutschen.“ Na dann …
Frohes Nachbauen und Spielen.

Dieser Text ist am 10. Mai ebenfalls bei „Hallo:Eltern“ erschienen.

Ein kurzes Date

„Sehe ich denn wirklich überhaupt gar nicht so aus wie auf dem Foto hier?“ Die Frau ist sichtlich verzweifelt. Sie zittert, gleich wird sie das Weinen beginnen. Ich sehe es deutlich …

Es ist ein ziemlich stürmischer Frühlingssonntagnachmittag, wir vier sind zum Familienspazierengang und Windumdieohrenblasenlassen an die Nordsee gefahren.
Als wir einparken und ich gerade die Jungs aus dem Wagen lasse, um sie anzuziehen, hält in der Lücke neben uns eine Frau in etwa meinem Alter. Sie sieht fröhlich aus, nickt mir freundlich und lächelnd zu, ihre Bewegungen sind äußerst beschwingt. Dann ist sie auch schon verschwunden. Ich denke: Die ist gut drauf, schön. Und muss selbst grinsen.

Als unsere Bengelchen ihre Jacken, Mützen und Schals anhaben, ist die Frau wieder da …

Jetzt steht sie völlig aufgelöst neben mir und hält mir auf ihrem Handy das Bild von sich hin: Das Portrait einer Frau bis zu den Schultern. Ich vergleiche. Doch, ja, es sieht definitiv aus wie die kleine, etwas rundliche Frau mit dem hübschen Gesicht und den langen, blonden Haaren.

Was ist denn passiert, das sie derartig durcheinander brachte?
„Das war das kürzeste Date meines Lebens“, erzählt sie achselzuckend. „Ich war hier mit einem Online-Kontakt verabredet.“ Sie dreht sich weg, zeigt auf einen Mann, der gerade in seinen tiefergelegten BMW steigt. Dunkle Haare, nicht sehr groß (und nicht gerade attraktiv … aber das ist ja nun Geschmackssache).

Die Frau berichtet weiter. „Er hat mich von oben bis unten gemustert und mir dann direkt ins Gesicht gesagt, ich wäre nicht sein Typ und das Foto, das ich ihm über den Chat gesendet hätte, würde jemanden ganz anderes zeigen als mich.“ Jetzt weint sie tatsächlich ein bisschen. „Dabei bin ich über eine Stunde hergefahren, heute ist mein kinderfreier Tag. Den hätte ich auch anders nutzen können …“ Ich verstehe sie.

Ich kann nur zuhören, ihr über den Arm streichen. Und dann sagen: „Betrachten Sie es als natürliche Selektion. Unter uns: Der Typ ist ziemlich hässlich und hat Sie gar nicht verdient.“ Ich zwinkere ihr verschwörerisch zu. Ich bitte sie noch, vorsichtig zu fahren, als sie in ihr Auto steigt. Und dann ist sie auch schon wieder verschwunden, nur eben leider nicht mehr beschwingt.

„Deiner ist auch schön!“ (oder: Brüder unter sich)

Wer Söhne hat, weiß: Es ist einfach immer etwas los. Im Alltag mit den Bengelchen dreht sich so ziemlich alles – oder zumindest sehr vieles – um Dinosaurier und Drachen, Roller und Rennautos, Stöcker und Steine. Meist ist es laut. Sehr laut. Jungs furzen um die Wette. Oder rülpsen. Oder popeln. Oder noch „krasser“ …

Hätte mir gegenüber früher jemand behauptet, das Leben mit „nur“ Jungs sei lauter und wilder als mit „nur“ Mädchen (oder nur einem Sohn in der Familie), hätte ich mir womöglich an den Kopf getippt und gesagt: „Na, das kannst Du doch so nicht sagen, das ist doch viel zu pauschal!“ Hätte mich wohl ein bisschen ereifert. 
Heute mit zwei kleinen Rackern im Haushalt weiß ich: Doch. Genau so kann man das wirklich sagen. Jungs sind miteinander vor allem: laut, schnell und wild. Ja, Mädchen können das natürlich auch sein, immerhin war ich selbst einmal eines, das auf Bäume kletterte und mit dem Fahrrad durch die Gegend düste. Und dazu noch eine ältere und eine jüngere Schwester hatte. 
Dennoch ist es anders mit Jungs. Vielleicht beschreibe ich einfach mal ein paar so typische „Jungssituationen“, die beleuchten, was genau ich damit meine. 

„Und dann siehst Du, wie der Ninja wegrennt und drauf springt und einfach losfliegt!“ P. steckt eine Lego-Ninjago-Figur auf seinen selbstgebauten Drachen, steht mit dem Konstrukt auf und lässt es herumrennend durch die Luft sausen. Dabei macht er laute Pfeif- und Zischgeräusche, ich sehe förmlich die Spucke durch die Luft fliegen. „Eeeey, das gildet nicht! Der Drache hat doch ein krankes Bein!“, empört sich da brüllend mein viereinhalbjähriger Sohn K. „Macht nichts, er kann aus dem Stand abheben, ääätsch!“, triumphiert da der Siebeneinhalbjährige. Der Jüngere regt sich jetzt mächtig auf. „Nein! Das darf der nicht! Der Ninja darf außerdem gar nicht fliehen, der ist verhaftet und sitzt noch im Gefängnis!“ K. zieht energisch P.s Holzschwert, das fast so groß ist wie er selbst. Hier mische ich mich dann doch ein und bitte ihn, vorsichtig damit umzugehen. Jetzt ruft er „doofe Mama!“ und ist kurz davor, loszuweinen. Oh oh … „K., guck mal“, rettet P. schnell und wirklich gekonnt die Situation. „Der Drache kracht gegen einen Baum. Bamm!“ Stille. „Der Ninja steigt ab und fällt fast um, und Du kannst ihn wieder festnehmen.“ Jetzt lächelt K. Und wischt sich die Rotze mit dem Pulloverärmel ab. „Der hat jetzt ’ne Beule!“ Jetzt kichern beide und vertiefen sich wieder in ihr Lego-Abenteuer.

Eine Weile später unterhalten sie sich angeregt über den Kindergarten und die Schule. Die Themen: Freunde, Spiel und Spaß. Ich schnappe auf: „Der R. ist zwar noch schneller als ich, aber dem zeige ich es noch. Der hat ja viel längere Beine!“ Und ich höre K.: „Im Kindergarten haben wir mal eine Stöckerhöhle gebaut, und der doofe N. hat sie kaputt gemacht.“ Es sind Dinge, die sie gerade beschäftigen, Momente, die sie miteinander teilen. Schön, wie sie sich austauschen … So friedlich. 
Es ist auf einmal ruhig geworden. Verdächtig still. Ich habe das an meinem Schreibtisch sitzend gar nicht so richtig mitbekommen … 

Wo. Sind. Die. Jungs? Ich ahne Abenteuerliches. Und mache mich auf die Suche – höre Stimmen aus dem Gästebad. Ich lausche an der Tür. Ausnahmsweise. Klar. Sowas macht man ja eigentlich nicht. Was ich da höre, bringt mich jetzt aber derart zum Lachen, dass ich schnell in die Küche rennen und mir die Hand auf den Mund pressen muss, damit sie mich nicht erwischen. 
Was sagte da eben der Größere noch gleich zum Kleineren? „K., Dein Pullermatz ist echt hübsch.“ K. antwortete stolz: „Ja, stimmt. Deiner aber auch!“ Gekicher. Etwas später klopfe ich an die Tür, da lassen sie im Waschbecken aus halbierten Weinkorken und Zahnstochern gebastelte Zwei- und Dreimaster segeln.

Zwanzig Uhr: Der Papa kümmert sich um P., ich mache K. bettfertig. Die beiden teilen sich ein großes Zimmer mit Dachschrägen unter dem Reet. Nach dem Zähneputzen liest jedes Elternteil jeweils einem Kind eine altersgerechte Gute-Nacht-Geschichte vor. 
Auf einmal springt K. auf: „Ich habe P. noch keinen Kuss gegeben!“ Das war irgendwie nie richtig Thema bei den beiden. Von Beginn an verlangten wir Eltern auch nicht, dass sich der „Große“ um den „Kleinen“ kümmert oder dass sie sich abends zu umarmen oder gar zu küssen hätten. 
K. steht auf, rennt zum Autobett von P. Ein Schmatzer auf den Mund. Dann: „Gute Nacht, P.“ Auf dem Weg zurück zu mir und in sein Bett, ertönt es aus P.s Ecke: „K.?“ Der hält inne, blickt zurück. „Hm?“ P. grinst. „Du bist mein bester Freund.“