Archiv der Kategorie: Sprache

Kein Blatt vor dem Mund

Shoppen in Oldenburg. Ich stöbere in einem Klamottenladen, greife nach dem einen oder anderen Kleidungsstück, lege es mir zum Anprobieren über den Arm. „Nicht mehr als drei Teile“ steht an der Kabinentür. Ich habe ganze zehn – damit es sich lohnt eben. Ein Blick nach links und einer nach rechts: Niemand ist in Sichtweite, also schlüpfe ich unbemerkt durch die Tür.

Als ich mir gerade ein wirklich cooles, schmuddelgelbes Oberteil über den Kopf ziehe, höre ich aus der Nachbarankleide eine junge Frau in hilflosem Tonfall fragen: „Mama, wie sieht das aus? Was meinst Du, ich bin mir nicht so sicher?“ Schweigen. Offenbar mustert die Mutter ihre Tochter. Dann: „Nee, das ist nicht gerade vorteilhaft, macht Dich irgendwie dick.“

Nochmaliges Schweigen. Darauf die Tochter: „Na toll, Mutter. Du nimmst auch echt kein Blatt vor den Mund, was?“ Sie ist sauer. Ich hingegen halte mir die Hand vor den Mund, um nicht urplötzlich und unkontrolliert loszuprusten. Kichere also lediglich in mich hinein und beschließe sofort, diese Begegnung später ganz unbedingt aufzuschreiben.

Kein Blatt vor den Mund nehmen. Die Bedeutung ist klar: Man sagt jemandem ungeschönt und sehr direkt seine Meinung. Aber warum sagt man das so? Was haben Blätter mit Meinung zu tun?

Hier die Aufklärung – kurz und knackig: In Theaterstücken ging es damals bisweilen ziemlich schonungslos zu. Wer Molières Komödien oder Tragikomödien kennt, weiß, wovon ich hier schreibe: Edelmänner und Staatsleute, sogar Könige nahm er zusammen mit seinen Kollegen aufs Korn, zögerte nicht, sie auch lächerlich zu machen. Ein sehr waghalsiges Unterfangen, wie man sich nun denken kann.

Denn wer so offen seine Meinung auf der Bühne zeigte, musste damit rechnen, später persönlich und vis-à-vis Rechenschaft abzulegen. Um das zu vermeiden, versteckte man sein Gesicht hinter Masken. Doch da es zu Beginn des Theaterzeitalters noch keine Masken gab, benutzte man Blätter. Tja, und besonders mutige Mimen, die das eben nicht taten, zeigten ihre Gedanken und Gefühle mit ihrem „wahren“ Gesicht; ganz so wie die Mutter in meiner Geschichte.

Blätter gehören an – oder vom Baum – und nicht vor den Mund. Es lebe die Offenheit!

Lieblingswörter

Kürzlich habe ich auf Facebook eine Umfrage gestartet, Thema: euer Lieblingswort. Zusammen kamen die folgenden – in alphabetischer Reihenfolge:

  • Ambiguitätstoleranz
  • Autschn! (Frage: Ist das nicht eher eine Interjektion? Aber gut, Interjektionen sind ja auch Wörter – irgendwie.)
  • Begierde
  • Bier
  • Brot
  • Erfroschung (Tippfehler. Sollte eigentlich „Erfrischung“ heißen.)
  • Fiedel
  • Fußball
  • griffparat (Heißt das nicht eigentlich griffbereit?)
  • Heymistercanyoutellmethewaytothenextwhiskeybar (Ha ha.)
  • Humbug
  • ich
  • Kackbratze
  • Kaffee
  • Keks
  • Leidenschaft
  • Megalomanie (Das bedeutet übrigens Größenwahn.)
  • Mensch
  • Milch
  • Nippel
  • Nippelspanner
  • Pappnase
  • Pinkepu (Ein kleines Mädchen nennt so Pinguine, sagt die Mama.)
  • Potzblitz
  • rumgeblömert
  • quasi
  • Salagne (Schöner Wortverdreher eines 4-Jährigen, der „Lasagne“ meinte.)
  • schabeuert (Hm.)
  • Schweigefuchs
  • Spunk (Astrid Lindgren verwendet diesen Begriff in Pippi Langstrumpf. Es ist ein Kunstwort ohne konkrete Bedeutung.)
  • Stoff
  • süß
  • Urlaub
  • womöglich
  • Vermehrung
  • Zackdiebohne
  • zupf

Und was ist euer Lieblingswort?
Ich wünsche euch ein schönes, sonniges Wochenende!

„Liebe“ … Auch ein wunderschönes Wort oder? 🙂

Der König der Vögel des Schnees

Wohin man derzeit auch schnuppert – in allen Enden und Ecken steckt er: der Frühling! Vor ein paar Tagen erblickte ich am Wegesrand die ersten Schneeglöckchen. Ich habe mich so darüber gefreut – wie ein Schneekönig gewissermaßen! (Oder vielmehr wie eine Schneekönigin.)

Tja, und hä? Was ist denn nun schon wieder ein Schneekönig – ich meine wörtlich? Der Herrscher über den Schnee? Oder über Rauschmittel?
Die Antwort ist viel banaler als gedacht – schade eigentlich, ich hatte mir mehr erhofft: Ein Schneekönig ist ein Vogel (!) – der Zaunkönig nämlich. Umgangssprachlich wird dieser herrlich zwitschernde Singvogel so genannt, weil er im Gegensatz zu vielen anderen Vogelarten im Winter in Mitteleuropa verweilt … Der König der Vögel des Schnees! Nix mit ab in den Süden also.

Keine Zaunkönige, aber auch ganz süß: Vögel in Thailand