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Über den Schatten gesprungen

Ostern ist vorbei, und es haben sich etliche Pfunde auf meinen Hüften niedergelassen. Egal, wie sanft oder hart ich mit ihnen ins Wortgefecht gehe: Von allein werden sie wohl nicht verschwinden. Es hilft alles nichts: Bewegung ist angesagt. Nicht lange überlegt und die Laufschuhe angezogen: Ich fahre zum Trimm-Dich-Pfad um die Ecke. Mal so richtig die Sportsau rauslassen. Beste Voraussetzungen habe ich ja: Es ist warm, die Luft ist angenehm.

Armkreisen, Rumpf- und Kniebeugen, Dehnübungen, Liegestütze, Balken, Hangeln und Klimmzüge: alles kein Problem! Und dann stehe ich da: vor acht circa einen Meter zehn große Hürden, über die ich jetzt seitlich springen soll. Ach du meine Nase, das sieht mir nicht nach einem leichten Unterfangen aus. Ich nehme Anlauf und – bleibe so richtig doof davor stehen. Ganz schön hoch die Dinger. Nochmal das Ganze – und nochmal. Irgendwie muss ich es doch schaffen, über meinen Schatten zu springen und mich zu überwinden!

Und noch während ich da stehe und genau das immer wieder laut zu mir sage, denke ich schon wieder darüber nach, wieso man eigentlich über seinen Schatten springen soll. Das schafft man doch nie, das ist doch absurd!

Der Schatten eines Menschen ist eng mit seinem Charakter verbunden, lese ich nach. Der „schwarze Begleiter“ spielte immer schon eine große Rolle, so auch in Märchen wie Peter Pan. Wer die Geschichte kennt, weiß, wovon ich schreibe. (Ansonsten: Wendy muss Peters Schatten an seine Fersen nähen, weil er ihn schon einmal verloren hat …)

Im wahren Leben ist es natürlich unmöglich, über seinen Schatten zu springen, doch die Symbolik dahinter ist groß: Es erfordert oft viel Überwindung, bestimmte Dinge zu tun oder Entscheidungen zu treffen. Und egal, ob es physisch unmöglich ist: Ich nehme noch einmal Anlauf und springe über meinen Schatten – und über die erste Hürde.

„An“ oder „zu“ oder „auf“ Ostern?

Was ich zu Ostern mache, fragt mich eine Freundin. Wenig später fragt jemand anders, was ich denn an Ostern unternehmen würde.
Ich bin ganz verwirrt: Welche Präposition ist nun eigentlich die richtige?

Bastian Sick klärt mich auf: Hier geht es nicht um richtig oder falsch, sondern darum, aus welcher Region der Fragesteller stammt. Während man im Norden Deutschlands zu verwendet, gebraucht man im Süden eher an. Und dazwischen? Kommt auch noch auf vor. Das klingt ja nun wirklich reichlich seltsam: auf Ostern! Dann lieber gar keine Präposition. Und recht habe ich! Das ist auch die Empfehlung des Standards.

In diesem Sinne: Ich wünsche allen ein schönes Fest – und Ostern keinen Stress!

Ostern gern gesehen: der Hase.

Aus dem Nähkästchen geplaudert

Herrliches Wetter! Ich liebe den Frühling. Es grünt und blüht, die Vögel tirilieren, es duftet nach Blumen und Feldern. Bei Zeitung und Milchcafé genieße ich die wärmenden Sonnenstrahlen in einer Eisdiele. Ich befinde mich in Quakenbrück, einem kleinen Städchen im so genannten Artland in Niedersachsen.

Neben mir sitzen zwei junge Mädchen. Die eine trägt eine kurzärmelige Bluse, ihre Haut ist ganz sonnenverbrannt. Die andere hat ihren Körper in lange, schwarze Kluft gehüllt. Ich schätze ihr Alter auf 13 oder 14. Unweigerlich muss ich grinsen ob der Gefühle, die in mir hochsteigen. Das ist das Alter. Das Alter, in dem man beginnt, sich für Dinge zu entscheiden. Für eine Stilrichtung, für ein Wasauchimmer.

Sie unterhalten sich über eine gemeinsam Freundin. Richtig lästerlich, aber irgendwie auch bewundernd klingt das, was sie da tuscheln. Die Freundin habe sich verliebt und wolle aber nicht verraten, in wen. Die Mädchen finden das bescheuert. Ist doch nicht schlimm, das zu verraten.
„Wie kriegen wir Lisa jetzt dazu, aus dem Nähkästchen zu plaudern?“, fragt die Blonde die Brünette. Diese zuckt nur mit den Schultern und nippt an ihrer Trinkschokolade.

Aus dem Nähkästchen plaudern. Ich lasse mir diese Phrase auf der Zunge zergehen. Was damit gemeint ist, weiß ich bereits: Wer aus dem Nähkästchen plaudert, verrät jemandem ein Geheimnis.  Aber woher stammt die Redewendung?

Hatten Frauen früher etwas zu verbergen, zum Beispiel geheime Gegenstände oder Liebesbriefe, versteckten sie diese an einem Ort, an dem nur sie selbst suchen würden: ihrem Nähkasten. In geselliger Runde mit Freundinnen holten sie diese Gegenstände dann heraus und zeigten sie den anderen.

Und das verliebte Mädchen? Wird schon auch irgendwann aus dem Nähkästchen plaudern. Nämlich dann, wenn sie es gar nicht mehr aushält. Schließlich muss sie ihr Glück ja mit irgendwem teilen.

Plaudern aus dem Nähkästchen? Zwei junge Mädchen

Alles auf dem Schirm

Ich ziehe um – von der Großstadt aufs Land. Und als ob das allein nicht schon Umstellung genug wäre, gibt es auch noch jede Menge zu tun: Kisten verpacken, den gesamten Umzug organisieren, den Strom kündigen und und und … Aber gar kein Problem, ich habe alles auf dem Schirm. Und noch während ich packe und räume, frage ich mich, woher eigentlich dieser Ausdruck stammt: etwas auf dem Schirm haben. Hat das etwas mit Bildschirmen zu tun?

Diesmal liege ich tatsächlich richtig mit meiner Vermutung: Die Redewendung geht auf den Fluglotsen-Beruf zurück, der – im wahrsten Sinne des Wortes – alles auf dem Schirm hat, damit Flugzeuge ohne Zwischenfälle starten und landen können: Auf ihren Monitoren können sie alle wichtigen Informationen ersehen und haben darüber hinaus Kontakt per Funk mit den Piloten. Wenn jemand – so wie ich jetzt – alles unter Kontrolle hat und an alles denken muss, dann hat er eben alles auf dem Schirm. Na, dann kann ja gar nichts mehr schiefgehen.

Haben alles auf dem Schirm: Regie-Mitarbeiter im Fernsehstudio

Angeschmiert

„Pass auf, wir machen das so: Du stehst Schmiere, und ich hol die Zeitschrift!“, flüstert der Junge seinem Freund im Befehlston zu. Ich stehe am Konservendosenregal und glaube zuerst, mich verhört zu haben. Zeitschrift holen. Die beiden Jungs wollen doch tatsächlich klauen. Ich bin ein bisschen wie paralysiert, und noch bevor ich mich in den Coup einmischen kann, flitzt der Flüsterbengel schon los in Richtung Zeitschriftenregal – natürlich total unauffällig. Ich muss grinsen ob dieses Anblicks.

Gehe ich jetzt petzen oder nicht? Noch während ich darüber nachdenke, geht in einer anderen Gehirnwindung die Sprachwissenschaftlerin mit mir durch: Warum sagt man eigentlich „Schmiere stehen“? Damit etwas läuft wie geschmiert? Ja, das ist eigentlich ein recht guter Ansatz, finde ich. Er stimmt nur leider nicht: Das Wort „Schmiere“ stammt aus dem Jiddischen („schimro“) und bedeutet „Bewachung“. Dieser Begriff ging in die Gaunersprache ein und gelangte mit der Zeit ins Deutsche, wo er sich dem Wort „Schmiere“ anglich. Aha: Der eine klaut, der andere bewacht. Logisch.

Eine Verkäuferin kommt um die Ecke. Sie bleibt stehen und beobachtet den Dieb. Durch mich geht ein Ruck, als würde ich selbst erwischt. Stirnrunzelnd und die Arme in die Hüften gestemmt schaut die Frau dem Jungen zu, wie er sich die Zeitschrift in die Tasche stecken möchte. Er schaut nach links und nach rechts, nur eben nicht halbschräg nach hinten. Der andere Bengel bemerkt es zu spät. Er läuft rot an, und noch ehe er seinen Freund warnen kann, geht die Verkäuferin schnurstracks auf den Dieb zu und stellt ihn keifend zur Rede. Fehlt nur noch, dass sie ihn am Ohr zum Filialleiter schleift. Der ist jetzt echt angeschmiert, der Arme.

Stehen keine Schmiere, lästern nur: Teenager-Mädchen