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Kindermund

Mein dreijähriger Sohn und ich spielen Kaufmannsladen. Er ist Verkäufer, ich Kundin.

„Guten Tag, ich hätte gern … äääh … was brauch ich denn … sechs Eier.“
Stirnrunzeln beim Verkäufer.
„Nein, leider kannst Du keine haben.“
„Hä? Wieso das denn, sind sie etwa schon wieder aus?“
Das Söhnchen grinst.
„Näääh, die Eier sind heute nuuur Deko!“
Eierdekoration? Ostern ist doch vorbei?
„Waaas? Ich brauch sie aber dringend zum Kuchenbacken!
Energischer Verkäuferblick.
„Nnnnein!“
„Och Mann. Dann geh ich woanders hin.“
Kurze Pause. Das Grübeln steht ihm im ins Kleinkindergesicht geschrieben.
„Neeein, Mama, mein Liiiiebewicht! Bleib hier!“
Jetzt lacht die Kundin lauthals.
„Gut gut, dann krieg ich sechs Eier, Milch, Ho- …“
„Mamaaa, die Eier sind doch nur Deko!“
Sohni versteckt die Eier hinter seinem Rücken.

Das Spiel wird durch maßloses Knuddeln und Gekichere unterbrochen.
Kindersprache ist eben einfach die beste. Oder, wie mein Kind manchmal sagt, die „guteste“.

Die Sache mit dem Sturmfrei

Donnerstag, 14.00 Uhr. Heute ist es soweit. Ich habe genau das, was man sich als Mutter und Berufstätige – im Volksmund natürlich ganz klar das, was man „Powerfrau“ nennt – eigentlich dauernd wünscht: sturmfrei! Mann und Kind sind ausgeflogen, „Mama“ hat den ganzen Nachmittag für sich. Nur für sich. Ganze drei Stunden. Drei Stunden, in denen ich einfach einmal Dinge tun kann, zu denen ich sonst nicht komme: ein Buch lesen, lange in der Zeitung blättern, einen schönen Spaziergang machen, nur ich allein … Oder einfach einmal gar nichts tun. Das klingt eigentlich noch viel besser.

Nun ist es also soweit. Ich sitze auf dem Sofa und überlege, was ich denn nun mit meiner freien Zeit anfangen kann oder eben nicht. Während ich so sinniere, verstreichen viele wertvolle Minuten. Mich beschleicht schon mal leichte Panik: nur noch drei Stunden und fünfzig Minuten, dann kommen sie wieder … Da fällt mir ein großer, grüner Lego-Duplo-Stein ins Auge, der unter dem Sessel hervorlugt. Den tue ich eben in die Kiste. Und wenn ich schon dabei bin, räume ich noch schnell den Kinder-Staubsauger und die Nachzieh-Ente aus dem Weg.

So. Sitze wieder auf dem Sofa. In die Badewanne, auf jeden Fall gehe ich gleich schööön lange in die Badewanne. Mit einem Buch und einem Glas Wein. Joah, super. Ich schaue aus dem Fenster und lächele. Oh je, hier ist auch dringend einmal putzen angesagt. Das Lächeln erstirbt auf meinen Lippen. Wenigstens die Fenster im allgemeinen Sichtbereich. Das kann ich doch schnell noch erledigen. So lange wird das schon nicht dauern.

15.00 Uhr. Ich lasse mir ein Bad ein. Als ich in die Küche gehe, um mir ein Glas Rotwein einzuschenken, bemerke ich die Handabdrücke meines fast eineinhalb Jahre alten Knirpses am Herd. Pfuah. Darauf einen Grunzer der Unzufriedenheit. Obwohl das ja fast schon ein kleines Kunstwerk ist … Hach, der Kleine … Darauf einen Seufzer der Liebe. Nee! Das geht gar nicht. Das muss ich schnell noch entfernen. Ich drehe das Wasser im Bad lieber kurz ab.

15.15 Uhr: Die Spülmaschine zeigt mir eine rote Null. Ich öffne die Tür und lasse die Hitze heraus. Als ich das Schlafzimmer betrete, um mir frische Wäsche zu holen, fällt mir die unfrische da in der Ecke im Wäschekorb auf. Da war doch was. Ich raffe zwei Arme voll zusammen und schleppe sie (eben noch) zur Waschmaschine. Pulver rein, auf 40 Grad gedreht, Schalter an.

Zurück ins Schlafzimmer. Was wollte ich hier eigentlich noch …? Ach ja, die frische Wäsche. Was ist das denn … ?! Neben dem Blumentopf liegt ein Haufen Erde! Dieses Kind … ! Ich hole Handfeger, Schaufel und Staubsauger. Und wo ich schon einmal dabei bin, kann ich eigentlich den ganzen Raum noch einmal komplett saugen, ist eh fällig.

16.00 Uhr: Sooo. Welches Buch nehme ich denn mit ins Bad? Einen Thriller, eine Komödie, einen Ratgeber? Irgendwas Leichtes am Besten. Hm. Na. Oder doch der Ratgeber. Thema: Trotzphase …

17.00 Uhr. Drei Stunden sind um. Und was habe ich getan? Einfach nur das, was ich sonst auch immer tue. Nur, dass dann eben noch das Kind um mich herum ist. Das nächste Mal aber … ! Das nächste Mal nehme ich mir wesentlich mehr Zeit für mich. Und zwar nur für mich. Ganz bestimmt.

Das bisschen Zucker … !

Ich fasse es einfach nicht. Ich fasse nicht, dass seit meinem letzten Beitrag hier fast vier Monate vergangen sind. Tatsächlich ein Dritteljahr ohne einen Text hier im Blog. Unvorstellbar.
Aber das Leben als Mutter eines Kleinkindes fordert eben nicht selten seinen Tribut. Ich höre schon einige Über-/Ältere-Generation-Mütter säuseln: „Oh, wie kannst Du nur so etwas sagen!“ (Das sind dann aber meistens auch die, die rumferbern oder ihr Baby abends mit dickem Grießbrei mästen, damit es auch schööön durchschläft, harhar! Oh, wie böse, ist aber gar nicht so gemeint. Allenfalls ein bisschen.)
Aber zurück zum Thema: Das mit dem Tribut kann man wirklich so ausdrücken; denn ich bin ein Mensch, der gern schreibt. Und das Schreiben kommt momentan eben zu kurz. Na, alles zu seiner Zeit. Denn ein Leben ohne den Kleinen? Noch unvorstellbarer jetzt.

Schlanker mit Kind – jetzt in Ihrem Leben

Die lebensverändernde Neuerung ist inzwischen dreizehn Monate alt, rennt, quasselt und quakt in einem Fort – ein richtiges Kleinkind ist er geworden. Und ich? Habe seit seinem Laufbeginn vor vier Monaten ungefähr vier Kilogramm abgenommen. Ich muss sie irgendwo während meiner ganzen Sprints zum Kind verloren haben, das irgendwo draufklettert oder sich entlanghangelt oder balanciert. „Oh oh, komm da mal lieber weg …“ Jeh jeh, ich weiß, dass mein Kind ein „Nein“ in seinem zarten Alter noch als Affront gegen seine eigene Person und nicht als einfaches, gut gemeintes Verbot auffasst. Also rufe ich in einem Fort „Vorsicht, Schatz!“ Klingt auch sanfter. Naja, meistens jedenfalls. Oder ich lenke ihn ab. „Wo ist der Hund oder … oder die Katze?!“ höre ich mich dann und wann verzweifelt rufen.

Weitere Tätigkeiten, die die Pfunde purzeln lassen: Essensreste vom Boden fegen (immer hübsch in der Hocke, beugen ist nicht gut, ja ja), Spielzeug von hier nach dort transportieren (eine Sisyphosarbeit! Aber welch‘  Gefühlsregung, wenn Du abends auf  Deinem Schreibtisch ein kleines Lego-Schaf findest!), über selbiges stolpern, das zappelige Kind beim Windelwechsel festhalten (das Leben ist zu aufregend, um stillzuhalten), es Treppen rauf- und runtertragen (Muckis, Leute!), es daran hindern, aus der Badewanne oder dem Hochstuhl auszusteigen (Mamma mia …)  et cetera perge perge. Frauen, ich empfehle euch: Schafft euch ein Kind an, wenn ihr schlank(er) werden wollt.

Schreiben um des Schreibens Willen!

Die nachfolgende Anekdote passt nicht so ganz zum vorher Geschriebenen, aber wie schon erwähnt: Ich komme kaum noch dazu zu schreiben, also lasse ich das mit dem kausalen Zusammenhang einfach mal weg. Braucht doch eh kein Mensch (korrigiere: keine „Neumutter“).

Vorhin im Supermarkt: Mein Sohn knabbert gerade an einem Warentrenner (nein, er hat keinen Hunger; er steckt einfach noch mitten drin in der oralen Phase), da drückt ihm eine freundliche blonde Frau mit aufdringlichem Zigarettenparfüm ein paar Gummibärchen in die Hand. „Du siehst aber hungrig aus“, schäkert sie.
Ich: „Ähm, danke, das ist nett, aber er bekommt noch keine Gummibärchen. Und gleich ist Essenszeit.“ Sie hätte ja vorher auch einfach fragen können. (Das erinnert mich irgendwie an meine Schwangerschaft: Tatsch, landete einmal eine Hand auf meinen Bauch.)
Zigarettenlady: „Ach was, das bisschen Zucker schadet doch nicht.“ Sie ist gertenschlank; ich schätze ihren Zigarettenkonsum aber um einiges höher als den der Süßwaren.
Ich: “ … Er ist außerdem gerade ein Jahr alt geworden, da könnte er sich da auch noch dran verschlucken. Ich möchte es nicht, danke sehr.“ (Es ist ja auch nicht so, dass er die Geschmacksrichtung „süß“ noch nicht kennt …)
Sie guckt mich an, als wäre ich plemmplemm oder hätte sie gerade mit dem Einkaufswagen in die Hacken gerammt. „Dann eben nicht!“ Kehrwendung – und ab. Mein Sohn indes giekst, wirft die Gummibärchen auf den Boden und beugt sich runter, um zu sehen, was passiert. Schön bunt!

Ein anderes Leben

Wie fange ich an mit einem Thema, das komplexer eigentlich nicht sein könnte? Am besten durch den direkten Einstieg: Vor fast einem Jahr, im August 2013, wurde ich Mama – von jetzt auf gleich ein komplett anderes Leben. Die Geburt verarbeiten, das Glück fassen und die krasse Veränderung erst einmal verdauen. Vierundzwanzig Stunden nonstop da sein, für einen Menschen, obwohl man vielleicht vorher das Gefühl hatte, doch selbst noch gar nicht erwachsen zu sein.
Eine Mischung aus Euphorie und Erschöpfung.

Keiner sagt Dir vorher, wie das läuft

Was nur Mütter wissen: Nichts und niemand bereitet Dich vorher auf ein Leben mit Kind vor – weder die Schwangerschaft noch diverse Erfahrungsberichte. Da sitzt Du noch als Hochschwangere vor einer Mutter mit zwei kleinen Kindern, die klagt, manchmal sei „alles soooo schwer“. Sie jammert herzzerreißend, sie könne manchmal einfach nicht mehr und würde den Mutterjob am liebsten an den Nagel hängen. Und dann passiert es. Der Zweijährige tut unerwartet etwas ganz Tolles; da schwärmt sie sich das Mark aus den Knochen. „Hast Du das gesehen!?“ Ruft sie plötzlich euphorisch und strahlt über beide Backen bis zu den Ohren – eine Seligkeit in ihren Gesichtszügen! Nicht zu fassen, denkst Du Dir, die kann man doch nicht ernst nehmen. Du hörst aber zu und grinst in Dich hinein. Na bitte, das kann doch so wild alles gar nicht sein. Man wächst schließlich mit seinen Aufgaben, muss nur vorbereitet sein, einfach nur lässig und entspannt genug.
Wie naiv ich doch war.

Keine Zeit mehr

Heute bin ich selbst Elter (ich finde, dass der Singular von „Eltern“ ein ziemlich blödes Wort ist). Und heute erst kann ich verstehen, warum alle meine Mutter gewordenen Freundinnen sich nicht mehr oder nur noch selten blicken ließen – und wenn, dann nur noch kurz. Nicht einmal mehr die Zeit für ein „Hallo“ in den sozialen Netzwerken fanden. Fand ich das damals doof, ich konnte es einfach nicht verstehen, Zeit für ein „Hallo“ musste doch sein! Soviel kann man doch als Neumutter gar nicht zu tun haben. Das Baby schläft doch fast nur, dann weint es, dann trinkt es, dann kackt es …
Ich kann es nur wiederholen: Wie naiv ich doch war!

Warum wir „Erstlingsmütter“ keine Zeit haben: Es gibt einen immer schwankenden, ganz individuellen Baby-Rhythmus, den es einfach einzuhalten gilt. Wenn man das denn möchte, aber meist möchte man, denn man ist dankbar, dass es überhaupt mal eben kurz einen Rhythmus gibt. Und der Rest der Begründung ist jetzt zu schwierig zu erklären. Darüber kann man (frau) Romane schreiben. Die gibt es aber auch schon. Einmal abgesehen davon kann ich das Wort „Rhythmus“ im Zusammenhang mit Babys nicht mehr hören. Gib dem Kind nach Bedarf: Essen, Trinken, Schlaf … Es fügt sich alles ganz von selbst.

Einfach alles ändert sich

Totale Verantwortung für einen anderen Menschen. Eine ehrenvolle Aufgabe, zweifelsohne. Glück pur, ganz klar. Aber dann sind da auch noch all die Dinge, die im vorgeburtlichen Leben ebenfalls einfach unvorstellbar, weil schlichtweg unerfahren, sind.

Unglaubliche Müdigkeit: Nein, Stress im Job ist wirklich nichts dagegen, wirklich nicht, versprochen. „Was hast Du denn, Du siehst doch gut aus.“ Es schwingt mit: „So schlimm kann das doch nicht sein.“ Tja, der (weibliche) Körper gewöhnt sich eben an alles. Auch an Schlafentzug. Er wird in der ersten Zeit sogar noch vor dem Kind wach, kurz bevor es seinen Hunger zeigt. Was für eine faszinierende Verbindung.

Gnadenlose Angst (nicht nur bei der Erstlingsmama, sondern auch beim Erstlingspapa): Wird dieses Kind die ersten Wochen und Monate überleben? Werde ich das alles schaffen oder kläglich versagen? Und dann liegst oder sitzt Du nachts da, neben diesem kleinen, wunderschönen Wesen und hörst auf jeden Atemzug. Du hast Angst, einzuschlafen. Was, wenn etwas passiert? Hoffentlich erstickt er nicht. Hast Tränen in den Augen, manchmal steigt eine Art Panik auf. Hör auf mit dem Quatsch, da passiert nichts. Und doch bleibt die Sorge. Und … sie bleibt und bleibt? Bleibt sie für immer? Ich vermute nach nur zehn Monaten: ja.

Ich bin nur eine von Abermilliarden und noch mehr Müttern auf dieser Welt, die das (und noch viiiiiel mehr) durchmachen. Und es geht weiter: Wenn das Kind auf einmal die Brust verweigert (niemand hat Dir gesagt, dass es „Stillstreiks“ gibt),  sich an einer Dinkelstange verschluckt (nur wenige Kinder ersticken tatsächlich daran, die allermeisten haben ganz tolle Reflexe; aber niemand hat es Dir gesagt),  Dir den Brei um die Ohren schmeißt (und Du nach dem gefühlt tausendsten Mal richtig wütend wirst und Dich beherrschen musst, weil Du Karotte und Kartoffel im Haar jetzt mal so richtig satt hast). Dein Küchenboden wird womöglich für immer klebrig bleiben. Dein Mann sagt: Ist doch nicht schlimm. Und genau das bringt dann das Fass zum Überlaufen. Du heulst und sagst: Ich will mein Leben zurück! (Und natürlich hast Du die Zeit, Dir kurz die Haare zu waschen oder Dir mal wieder die Nägel zu schneiden. Du hast nur gerade üüüberhaupt keine Lust dazu und willst einfach nur irgendwo sitzen.)

Grenzenlose Liebe: Wenn Dein Kind Dich das erste Mal anlacht, wenn es zum ersten Mal Deine Hand nimmt, wenn es sich im Schlaf an Dich kuschelt … Wenn es sich freut. Mit dem ganzen Körperchen, mit den Ärmchen wedelnd und gieksend. Unbändige, ehrliche, reine Freude. Dir geht das Herz auf. Du schmilzt dahin, auf diese Art hast Du noch nie geliebt … Mutter sein ist wunderbar. Es ist aber auch sehr anstrengend. Und manchmal ist es auch wunderbar anstrengend. Aber immer hübsch daran denken: Alles ist nur eine Phase. Die mehr oder weniger lange dauert. Auf Regen folgt bekanntermaßen Sonnenschein. Und auf den dann wiederum der Regen. Den Dein süßestes Baby der Welt mit riiiiiesigen Kulleraugen staunend mit den Händchen zu fassen kriegen möchte … Darauf einen Seufzer der Verliebtheit.

Das andere Leben

Neulich begegnete ich beim Einkaufen einer Frau mit achtzehn Monate alter Tochter. Sie schaute meinen Sohn an: „Bin ich froh, dass wir da durch sind.“ Ich so: „Wie?“ – „Na, das war ganz schön anstrengend!“ Ach so. Ich habe zwar nicht die leiseste Ahnung, was da noch folgen wird, aber: Das kann ich gut so für mich bestätigen. Ich fand und finde die Babyzeit wirklich unglaublich kräftezehrend. Ich stoße an meine Grenzen, in jede nur erdenkliche Richtung. Mein Sohn kitzelt das Beste, aber auch das Schlechteste aus mir heraus. Und nur er schafft das. Ein Baby.

Mutter ist man nicht, Mutter wird man. Davon bin ich jetzt überzeugt. Vor der Geburt dachte ich, ich würde mich verändern. Aber ich bin immer noch ich.
Nur, dass ich jetzt eben Mutter bin. Und jetzt wirklich weiß, was ein „Wechselbad der Gefühle“ ist.
Und mein innig geliebtes Kind niemals missen möchte.