Kein Kind spricht von Anfang an einwandfrei und korrekt. Aussprache, Bildung von Wörtern und Sätzen: Für die Kleinen ist das alles gar nicht so einfach. Ich bin immer wieder fasziniert davon, wie sich Kids in Sachen Sprachgewandtheit weiterentwickeln – und das „fast von selbst“. Ein kleiner Bericht aus dem Alltag mit meinen beiden Jungs.
„Mama, P. hat gelügt!“ Mein Fünfeinhalbjähriger kommt angerannt. Mann, ist der schon wieder auf hundertachtzig. Ich atme tief durch, straffe die Schultern. Denke noch so: Uff, der ist aber sowas von in Phase drei (von drei) der (früh-)kindlichen Sprachentwicklung. Und murmele mein mir mühsam antrainiertes Mantra vor mich hin: Es ist nur ein kleiner Junge, es ist nur ein kleiner Junge, es ist nur …
Blickkontakt zum Wribbel aufbauen
„Na, womit hat er denn gelogen?“, höre ich mich ruhig sagen und schaue ihm dabei tief in die Augen. Mit dem soeben aufgebauten Blickkontakt signalisiere ich dem Bengelchen: Ich bin bereit für unsere Kommunikation. Ja, fein, schau auf meinen Mund, ahme meine Lippenposition nach.
K. zupft spielerisch an meinem Ärmel, während er seinem Ärger Luft macht. „P. hat gesagt, draußen ist der Weihnachtsmann, aber der ist da gar nicht. Also hat der gelogen!“ Auf jeden Fall. Das hat der wohl.
„Der Weihnachtsmann. Na sowas. Im Februar!“ Ich zwinkere meinem Söhnchen verschwörerisch zu. Lachend hüpft er davon. „Mama sagt, Du lühüüügst!“ Ähm … (Mist).
Mit „verbesserter Rückmeldung“ klappt’s
Was ich da gerade getan habe, nennt sich im Fachjargon übrigens „Corrective Feedback“ (etwa: „verbesserte Rückmeldung“): Ganz beiläufig korrigiere ich K.s kleine sprachliche Unstimmigkeit, indem ich sie noch einmal „richtig“ wiederhole. Eine ziemlich schlaue Methode, finde ich. Und vor allem ist sie ziemlich unauffällig.
Wie oft höre ich auf der Straße eine Mutter oder einen Vater das Kind auf folgende Weise „korrigieren“: „Schatz, das heißt nicht ‚gelügt‘, sondern ‚gelogen‘.“ Und finde das ziemlich schade. Denn: Wäre ich das Kleine, fühlte ich mich wenigstens ein bisschen wie vor den Kopf gestoßen. Und mal ehrlich: Wer von uns wird schon gern neunmalklug verbessert?
Babysprache? Nein, danke …
Während ich diesen Text schreibe, kommt mir etwas in meinen Augen Bedeutsames in den Sinn: Ich erinnere mich plötzlich genau, wie meine Mutter mit mir sang. Einfach so, manchmal zwischen Tür und Angel, spielerisch und lustig „auf dem Sprung“, auf der Zielgeraden zum Kindergarten oder zum Klavierunterricht. Irgendwelche Dallereien – auch, um mir gute Laune zu machen. Und wie sie mit mir sprach, als ich noch sehr klein war. Sie verwendete keine „Babysprache“ (à la „Nane haben?“). Alles Banane, Du Pflaume.
Mama redete quasi „auf Augenhöhe“, aber in klarer, verständlicher Sprache mit mir und meinen Geschwistern.
Diese Art des Ausdrucks ist im übrigen etwas, das ich mir wohl bis heute beibehalten habe – sowohl beim Sprechen als auch beim Schreiben: Ich möchte „verstanden“ werden. (Danke, Mama!)
Blick- und Sprachkontakt von Anfang an
Liebe Mama da draußen, erinnerst Du Dich noch daran, wie Du mit Deinem Baby schwanger warst? Wie Du schon von Beginn an mit ihm gesprochen hast? Oder als es dann geboren war und Du sogleich mit ihm kommuniziertest? Ein Blick, ein Lächeln, ein kleines Glucksen – und schon hattest Du Deine Rückmeldung, nicht wahr? Ein verbales und nonverbales Ping-Pong – und so ein schönes!
Und, lieber Papa, was warst Du im Erste-Worte-Himmel als Dein Kleines zum ersten Mal sein „Dadada“ oder „Mamama“ vor sich hin brabbelte … !
Worauf will ich hinaus? Im Grunde ist es ganz einfach: Alles braucht seine Zeit und ist Teil der menschlichen Entwicklung. Gib Deinem Kind – und Dir selbst – den nötigen Raum und vor allem: die Geduld.
Denke daran: DU – Mama oder Papa – bist ohnehin sein ganzes „Universum“ – und eben auch sein Sprachvorbild.
Keine Vergleiche mit anderen Kindern
Was Du auf keinen Fall tun solltest, nicht im Spracherwerb und auch überhaupt sonst nie: Deinen Sohn oder Deine Tochter mit einem anderen Kind oder anderen Kindern vergleichen. No-Go: ihn oder sie auslachen, wenn es zu kleinen linguistischen – wenn vielleicht auch wirklich lustigen – Irrungen und Wirrungen kommt. (Ich weigere mich, von „Fehlern“ zu sprechen. Ist Sprache wirklich immer so logisch? Ausnahmen bestätigen die Regel? Eben … )
Was dem einen Kind vielleicht nichts weiter ausmacht, kann dem anderen so richtig Lust und Laune am Sprechen verderben und es sogar vollends demotivieren.
Lesen, lesen und nochmals lesen …
Aber weißt Du, was dagegen richtig gut kommt und jede Menge Spaß bereitet? Du ahnst es wahrscheinlich schon: vorlesen. Leider kommt das in so vielen Familien zu kurz.
Also: einfach machen, möglichst jeden Abend vor dem Schlafengehen. Vorlesen ist eine der bedeutendsten Methoden überhaupt, um Dein Kind sprachlich zu fördern. Rede im Anschluss mit ihm über die gelesene – bitte unbedingt altersgerechte! – Geschichte, denkt euch noch etwas dazu.
Du wirst Dich wundern, wie sehr es die Fantasie und Kreativität Deines Kindes nicht nur für diese kurze Kleinkinderzeit, sondern für alle Zeit beeinflussen und beflügeln wird. Macht es euch schön und gemütlich, kuschelt – Vitamin „Liebe“ für Dein Kind und für Dich.
„Mamaaa, P. hat schon wieder gelogen!“ Na bitte, sag ich doch. Alles zu seiner Zeit … Aber jetzt reicht’s mir mit dem Streit! (Oh, das reimt sich!)