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Wenn Kinder „es“ wissen wollen …

Ich weiß gar nicht mehr genau, wann das eigentlich angefangen hat mit „der Fragerei“. War P. da sechs oder sieben Jahre alt? Ich kann mich wirklich nicht an sein genaues Alter erinnern, an die konkrete Frage hingegen schon. „Mama, woher kommen die Babys?“

Meine Antwort war kurz, aber anscheinend erst einmal gut genug: „Wenn ein Mann und eine Frau sich körperlich lieben, kann es passieren, dass die Frau schwanger wird.“ Ich sehe seine kugelrunden Augen noch vor mir, sein fragendes Gesicht. Stellte er sich jetzt zwei umarmende Erwachsene vor? Die vielleicht wild herumknutschen und sich berühren? Geschürzte Lippen bei meinem Kind – dann rannte er wieder davon, sein Lego wartete schließlich … Als er dann etwas älter war, vielleicht so acht, wollte er es ganz genau wissen – und so „packte ich dann mal aus“ (schönes Wortspiel in diesem Zusammenhang, nicht wahr?) …

„Kindern die Scheu vor Fragen nehmen“
Ach: Übrigens hatte ich mich kürzlich – diese Kolumne zum Anlass nehmend – einmal in den sozialen Medien bei den anderen Eltern umgehört, wie die „das“ mit der Aufklärung denn so handhaben. Erstaunlicherweise erhielt die Anfrage an sich viele Likes, kommentiert hat dann jedoch tatsächlich nur Frank G. aus Baden-Württemberg – Vater vierer Kinder. Aber was er zu sagen hat, ist wichtig, zählt im Prinzip doppelt: „Wir sollten den Kindern die Scheu vor dieser Art von Fragen nehmen, offen und ehrlich antworten – natürlich auf dem jeweiligen Niveau des Kindes.“ Kann ich persönlich nur unterstreichen.

Geschlechtsteile und „der Akt“
Und wie habe ich „das mit der Aufklärung“ nun gemacht? Zunächst einmal beschrieb ich meinem damals etwa achtjährigen Sohn etwas genauer die primären und sekundären Geschlechtsorgane von Jungen und Mädchen, von Männern und Frauen – und wie diese sich im Laufe der Zeit verändern. Das fand er spannend und stellte noch so diese oder jene Frage zu den jeweiligen anatomischen Besonderheiten des weiblichen und männlichen Geschlechts. Als ich zum „Akt“ an sich kam – Ge-schlechts-ver-kehr! (Hähä!) – runzelte er etwas die Stirn. Das wiederum brachte nun mich zum Lachen, und so erklärte ich beschwichtigend: „Ja, das klingt ein bisschen seltsam, ich weiß. Und ich kann mich noch daran erinnern, wie verwirrt ich damals war, als ich das erfuhr – aber neugierig wie Du jetzt! Glaub mir einfach, wenn ich Dir sage: Sex ist schön und macht Spaß.“

„Wahrheit oder Pflicht?“
Inzwischen weiß ich natürlich von P.s Berichten aus der Schule, wie „heiß“ es unter den neun- und zehnjährigen Grundschüler:innen bezüglich dieses Themas zugehen kann – und bin froh, dass er „Bescheid“ weiß. (Ausgrenzung ist ja auch wieder so ein Thema für sich … *seufz*)
Unwissend inmitten einer Horde präpubertärer Kids? Oh oh … (genau, ihr wisst schon, was ich meine). Und dann gibt es da ja auch noch Spielchen wie „Wahrheit oder Pflicht?“. (An dieser Stelle verdrehe ich einfach nur mal demonstrativ die Augen, ja?)

Sex – eines der schönsten Dinge der Welt
Hat Frank dazu noch etwas Hilfreiches zu sagen? Auf jeden Fall dies: „Ich sage meinen Kindern auch, dass sich Gefühle im Lauf des Erwachsenwerdens verändern und dass Sex für mich etwas ist, das mit dem Austausch von Gefühlen und Zärtlichkeit zu tun hat. Und dass die Art, wie sich Mama und Papa lieben, doch etwas anders ist als unseren Elternliebe für sie.“ Und – ganz wichtig: „Dass Sex zu den schönsten Dingen der Welt zählt.“
Ja, denke ich, genau so, prima! Und: Schade eigentlich, dass die „Fortpflanzung“ – Sex, Sex, Sex! – noch immer so ein schambehaftetes Tabuthema ist. Wie viel offener könnte eine Gesellschaft sein, gingen wir unseren Kids gegenüber damit unverkrampfter – und natürlicher! – um?

Unsere Ängste als Erstlingseltern – und wie wir damit umgehen können

Als wir nach der Geburt unseres ersten Kindes von der Klinik nach Hause fuhren, brabbelte mein Mann leise (aber nicht leise genug) vor sich hin: „Hoffentlich kriegen wir den durch.“ Ich schaute auf unser gemeinsames Baby – und verstand den Papa sofort: so viel Liebe, so viel Nähe, so viel Angst … und das rund um die Uhr.

Panik, Panik, Panik – bei so ziemlich allem

Und es sollte uns beide noch so oft die Panik packen: Wenn der Kleine einmal langsamer oder nicht regelmäßig atmete (so junge Babys atmen eben von Natur aus „periodisch“, das gibt sich von selbst), wenn er plötzlich jede Menge Pickel bekam (Neugeborenenakne, denn die Kleinen tragen noch Hormone von Mama in sich) oder wenn er aus dem Niesen nicht herauszukommen schien (Neugeborene niesen viel, um die Atemwege erstmals von störenden Partikeln zu befreien) oder … oder … oder … und.

Hilfe, „hungert“ unser Kind?

In den ersten Tagen nach der Geburt verlor unser Kleiner ziemlich viel an Gewicht (bei der Geburt wog der 56 Zentimeter lange Knabe knapp vier Kilogramm, seine „neue Zartheit“ erschreckte uns da). Die Kinderkrankenschwester klärte uns rasch auf und nannte die Ursache dafür: Die Umstellung vom Leben im warmen, geschützten Mutterleib auf die Bedingungen „draußen“ sind sehr anstrengend für den neuen, noch „hilflosen“ Erdenbürger und kosten ihn sehr viel Energie.

Er lernt seine Verdauung kennen und nimmt noch nicht viel Nahrung zu sich. Ich versinnbildliche mal: Der kleine Magen fasst am ersten Tag nach dem Erblicken des Lichtes der Welt nur etwa fünf bis maximal sieben Milliliter. Das ist in etwa so viel wie in eine große Glasmurmel hineinpassen würde. Es tat zwar gut, das alles von der Krankenschwester zu erfahren. Dennoch machte ich mir ein paar Tage lang echt Gedanken. Doch nicht nur deshalb.

Neugeborenengelbsucht – „Billy Rubin“

Ebenfalls in seinen ersten Lebenstagen hatte mein Junge gelblich verfärbte Haut, auch die Bindehaut in den Augen schimmerte nicht mehr so weiß wie anfangs. Grund für die sehr häufig auftretende Neugeborenengelbsucht ist die erhöhte Konzentration des Gallenfarbstoffes Bilirubin, der beim Abbau roter Blutkörperchen nach der Geburt entsteht. Kurz: Die kleine Leber hat hier also erst einmal voll zu tun, das Bilirubin eigenständig abzubauen. Im Mutterleib erfolgte das nämlich noch durch Mamas Plazenta.

Ich hatte – auch da – etwas Angst, nannte meinen Kleinen aber während dieser Zeit scherzhaft „Billy Rubin“, um der ganzen Sache zumindest ein klein wenig den Schrecken zu nehmen. Was half noch? Bei uns waren das tägliche, ausgedehnte Spaziergänge an der frischen Luft und im Sonnenlicht sowie vor allem: ausgiebiges und häufiges Stillen (nein, Du kannst Dein Baby nicht zu oft stillen, und nein, es bedarf im Grunde keiner Pausen zwischen den „Stillsessions“ … und nein, Dein Baby muss nicht allein in seinem Zimmer und in seinem Bettchen … Ich schweife ab).

Verklebte Augen – kein Grund zur Panik

Die neugeborene Tochter einer Bekannten hatte in den ersten Tagen nach der Geburt stark verklebte Augen. Die Mama erinnert sich noch genau: „Ich bin deshalb damals halb panisch mit der Kleinen zum Kinderarzt gerannt – und am Ende war es halb so wild.“

Auch die Ursache hierfür war schnell erklärt: Während der Entbindung gelangen manchmal etwas Fruchtwasser oder Blut in die Babyaugen. Es staut sich dort dann etwas gelb- bis grünliches Sekret, das der kleine sogenannte Tränen-Nasen-Gang noch nicht ganz aufnehmen kann, da er meist noch nicht vollständig geöffnet ist. Auch dies ist also „normal“ und sollte sich nach ein paar Tagen von selbst geben; ansonsten tatsächlich den Pädiater aufsuchen.

Das gilt übrigens bei allen hier genannten Phänomenen, sollte sich keine Besserung einstellen. „Lieber einmal zu oft als zu spät“ ist dann eindeutig die bessere Devise.

Alles wird besser – wirklich

Bald neun Jahre und ein zweites „Baby“ später mache ich mir immer noch viele Gedanken. Ja – ich bin auch richtig besorgt dann und wann. Das wird wohl allen Eltern so gehen. Und enden wird das wohl auch nie. Doch zur Beruhigung aller, die gerade entbunden haben: Es wird besser werden und nicht mehr so existenzbedrohlich wirken. Im Laufe der Tage, Wochen, Monate wird mehr Entspannung in euer Leben eintreten – versprochen.

Kindlicher Spracherwerb: So „korrigierst“Du „richtig“

Kein Kind spricht von Anfang an einwandfrei und korrekt. Aussprache, Bildung von Wörtern und Sätzen: Für die Kleinen ist das alles gar nicht so einfach. Ich bin immer wieder fasziniert davon, wie sich Kids in Sachen Sprachgewandtheit weiterentwickeln – und das „fast von selbst“. Ein kleiner Bericht aus dem Alltag mit meinen beiden Jungs.

„Mama, P. hat gelügt!“ Mein Fünfeinhalbjähriger kommt angerannt. Mann, ist der schon wieder auf hundertachtzig. Ich atme tief durch, straffe die Schultern. Denke noch so: Uff, der ist aber sowas von in Phase drei (von drei) der (früh-)kindlichen Sprachentwicklung. Und murmele mein mir mühsam antrainiertes Mantra vor mich hin: Es ist nur ein kleiner Junge, es ist nur ein kleiner Junge, es ist nur …

Blickkontakt zum Wribbel aufbauen
„Na, womit hat er denn gelogen?“, höre ich mich ruhig sagen und schaue ihm dabei tief in die Augen. Mit dem soeben aufgebauten Blickkontakt signalisiere ich dem Bengelchen: Ich bin bereit für unsere Kommunikation. Ja, fein, schau auf meinen Mund, ahme meine Lippenposition nach.
K. zupft spielerisch an meinem Ärmel, während er seinem Ärger Luft macht. „P. hat gesagt, draußen ist der Weihnachtsmann, aber der ist da gar nicht. Also hat der gelogen!“ Auf jeden Fall. Das hat der wohl.
„Der Weihnachtsmann. Na sowas. Im Februar!“ Ich zwinkere meinem Söhnchen verschwörerisch zu. Lachend hüpft er davon. „Mama sagt, Du lühüüügst!“ Ähm … (Mist).

Mit „verbesserter Rückmeldung“ klappt’s
Was ich da gerade getan habe, nennt sich im Fachjargon übrigens „Corrective Feedback“ (etwa: „verbesserte Rückmeldung“): Ganz beiläufig korrigiere ich K.s kleine sprachliche Unstimmigkeit, indem ich sie noch einmal „richtig“ wiederhole. Eine ziemlich schlaue Methode, finde ich. Und vor allem ist sie ziemlich unauffällig.
Wie oft höre ich auf der Straße eine Mutter oder einen Vater das Kind auf folgende Weise „korrigieren“: „Schatz, das heißt nicht ‚gelügt‘, sondern ‚gelogen‘.“ Und finde das ziemlich schade. Denn: Wäre ich das Kleine, fühlte ich mich wenigstens ein bisschen wie vor den Kopf gestoßen. Und mal ehrlich: Wer von uns wird schon gern neunmalklug verbessert?

Babysprache? Nein, danke …
Während ich diesen Text schreibe, kommt mir etwas in meinen Augen Bedeutsames in den Sinn: Ich erinnere mich plötzlich genau, wie meine Mutter mit mir sang. Einfach so, manchmal zwischen Tür und Angel, spielerisch und lustig „auf dem Sprung“, auf der Zielgeraden zum Kindergarten oder zum Klavierunterricht. Irgendwelche Dallereien – auch, um mir gute Laune zu machen. Und wie sie mit mir sprach, als ich noch sehr klein war. Sie verwendete keine „Babysprache“ (à la „Nane haben?“). Alles Banane, Du Pflaume.
Mama redete quasi „auf Augenhöhe“, aber in klarer, verständlicher Sprache mit mir und meinen Geschwistern.
Diese Art des Ausdrucks ist im übrigen etwas, das ich mir wohl bis heute beibehalten habe – sowohl beim Sprechen als auch beim Schreiben: Ich möchte „verstanden“ werden. (Danke, Mama!)

Blick- und Sprachkontakt von Anfang an
Liebe Mama da draußen, erinnerst Du Dich noch daran, wie Du mit Deinem Baby schwanger warst? Wie Du schon von Beginn an mit ihm gesprochen hast? Oder als es dann geboren war und Du sogleich mit ihm kommuniziertest? Ein Blick, ein Lächeln, ein kleines Glucksen – und schon hattest Du Deine Rückmeldung, nicht wahr? Ein verbales und nonverbales Ping-Pong – und so ein schönes!
Und, lieber Papa, was warst Du im Erste-Worte-Himmel als Dein Kleines zum ersten Mal sein „Dadada“ oder „Mamama“ vor sich hin brabbelte … !
Worauf will ich hinaus? Im Grunde ist es ganz einfach: Alles braucht seine Zeit und ist Teil der menschlichen Entwicklung. Gib Deinem Kind – und Dir selbst – den nötigen Raum und vor allem: die Geduld.
Denke daran: DU – Mama oder Papa – bist ohnehin sein ganzes „Universum“ – und eben auch sein Sprachvorbild.

Keine Vergleiche mit anderen Kindern
Was Du auf keinen Fall tun solltest, nicht im Spracherwerb und auch überhaupt sonst nie: Deinen Sohn oder Deine Tochter mit einem anderen Kind oder anderen Kindern vergleichen. No-Go: ihn oder sie auslachen, wenn es zu kleinen linguistischen – wenn vielleicht auch wirklich lustigen – Irrungen und Wirrungen kommt. (Ich weigere mich, von „Fehlern“ zu sprechen. Ist Sprache wirklich immer so logisch? Ausnahmen bestätigen die Regel? Eben … )
Was dem einen Kind vielleicht nichts weiter ausmacht, kann dem anderen so richtig Lust und Laune am Sprechen verderben und es sogar vollends demotivieren.

Lesen, lesen und nochmals lesen …
Aber weißt Du, was dagegen richtig gut kommt und jede Menge Spaß bereitet? Du ahnst es wahrscheinlich schon: vorlesen. Leider kommt das in so vielen Familien zu kurz.
Also: einfach machen, möglichst jeden Abend vor dem Schlafengehen. Vorlesen ist eine der bedeutendsten Methoden überhaupt, um Dein Kind sprachlich zu fördern. Rede im Anschluss mit ihm über die gelesene – bitte unbedingt altersgerechte! – Geschichte, denkt euch noch etwas dazu.
Du wirst Dich wundern, wie sehr es die Fantasie und Kreativität Deines Kindes nicht nur für diese kurze Kleinkinderzeit, sondern für alle Zeit beeinflussen und beflügeln wird. Macht es euch schön und gemütlich, kuschelt – Vitamin „Liebe“ für Dein Kind und für Dich.

„Mamaaa, P. hat schon wieder gelogen!“ Na bitte, sag ich doch. Alles zu seiner Zeit … Aber jetzt reicht’s mir mit dem Streit! (Oh, das reimt sich!)