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Mamaaaa, mir ist langweilig!“

Bei diesem Satz schlage ich Alarm: Ich bin freiberuflich tätig, kümmere mich um Haus und Hof – und bin oft mit meinen beiden Kindern allein. Die sich eben auch schon mal langweilen. Kurz: Manchmal fühle ich mich ziemlich unter Druck.

Langeweile muss sein

… Und dabei könnte ich mich doch eigentlich „entspannen“, nicht wahr? Hä? Genau, denn wir wissen ja: Langeweile ist sogar wichtig für die Kleinen, um nämlich kreativ zu werden und ganz eigene Ideen zu entwickeln. Und was mache ich als berufstätige Mutter nun mit diesem zugegeben guten, psychologischen Wissen an „schwierigen“ und turbulenten Tagen?

Spielzeug in Massen – und trotzdem alles „öde“?

Meine neun und sechs Jahre alten Söhne haben seit unserem Umzug an den Stadtrand vor etwas über einem Jahr je ihr eigenes Zimmer – voll mit Bausteinen, Dinosaurier- und Abenteuer-Welten, Autos und Flugzeugen jeder Art sowie Büchern. Und wir haben einen Garten, in dem sich ein Baumhaus, ein Trampolin und sogar ein „Geodome“ befinden – ihr wisst schon: so ein cooles, kuppelartiges Klettergerät mit Griffen. Außerdem haben die Kinder Roller und auch sonst Räder jeder Art. Sogar ein holländisches Gokart (was hätte ich als Mädchen dafür gegeben)! Aber ihr ahnt sicher schon, was jetzt kommt: Meine Kinder laaaangweilen sich sooo!

„Mama, was soll ich jetzt machen?“

Mein Sechsjähriger steht neben mir. Er wird nach dem Sommer in die erste Klasse gehen. Der Abschied vom Kindergarten liegt jetzt eine Weile zurück, die Schule ruft. Ich ahne, wie sich der Kleine fühlt: Etwas Neues wird kommen, die Gedanken und Bedenken wirbeln in seinem Köpfchen herum, wenn er einmal nicht abgelenkt ist. Große Worte macht er allerdings nicht darum: Er sagt, er freut sich „ein bisschen“, vor allem auf die Schultüte und seine Feier zur Einschulung. Klar. K. wird die gleiche Grundschule besuchen wie sein Bruder P., dem mittlerweile schon die vierte Klasse bevorsteht. Alles sehr aufregend – für alle Beteiligten. Wie dem auch sei: Langeweile ist angesagt.

Spannende Beschäftigung – und danach der „Leerlauf“

Rekapitulieren wir mal: Was haben wir bisher in den Sommerferien alles gemacht? Wir waren bei den Großeltern auf der größten Insel Deutschlands: Rügen! Wir badeten im Bodden, kletterten an der Steilküste herum, besuchten Freizeiteinrichtungen und so weiter. Und wir waren beim anderen Opa in der schönen Hansestadt – und meinem Geburtsort – Stralsund, schipperten gemeinsam zur autofreien Öko-Insel Hiddensee.

Zusammengefasst waren das ziemlich viele Tage voller Meer, Sonne, Sand und noch mehr Meer. Es war wirklich toll. (Weil der Papa der Jungs allerdings sein eigenes „Ding“ mit einem Freund machte, eine Motorradtour durch Deutschland und Tschechien nämlich, ist Mama jetzt besonders reif für den Urlaub … Aber ich will mich nicht „beklagen“. Naja zugegeben: vielleicht doch ein klein wenig. Muss ja auch mal sein.)

Langeweile schafft Kreativität

Und was machen meine Kinder nun? Herumnölen und meckern: „Was sollen wir jetzt machen?“ Und ich bin mir sicher: Ich bin damit nicht allein, habe ich recht oder habe ich etwa … recht? Und ja: Kinder brauchen „nicht organisierte“ Freizeit und eben auch „Langeweile“ für ihre Entwicklung.

Was also mache ich, wenn ich das Gefühl habe, „nicht mehr zu wollen und nicht mehr zu können“? Ich versuche, erst einmal cool zu bleiben und das Genöle zu „ignorieren“, es auszuhalten. Ich kann dann auch zu ein paar Spielideen anregen. Aber ich behalte im Hinterkopf, dass ich doch sehr viel gebe und angemessen oft mit meinen Kindern spiele. Sie erfahren ausreichend Zuwendung, das mache ich mir klar. Aber ich brauche jetzt Zeit für mich. Oder ich möchte jetzt arbeiten. Deshalb setze ich mich (okay, meistens jedenfalls …) durch.

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Ich bin keine Entertainerin

Wichtig ist für mich die Erkenntnis, dass ich keine Entertainerin bin – jedenfalls nicht mehr. Denn meine Jungs sind jetzt in einem Alter, in dem sie sich auch mal – und auch mal etwas länger – alleine beschäftigen können und sollen. Meine Beobachtung bisher: Haben sie es erst mal geschafft, sich selbst aus ihrer Langeweile zu befreien, können sie es immer wieder – uns besser. Und sie sind ziemlich stolz auf sich selbst, werden selbstbewusster.

Gedanke zum Abschluss? Uns Eltern fällt es schwer, dem Unmut unserer Kinder standzuhalten, und wir neigen dann dazu, als Spielkameraden einzuspringen – vielleicht auch deshalb, weil wir uns an langweilige Nachmittage aus unserer eigenen Kindheit erinnern.

Herzbrüder: Sie lieben und sie streiten sich

Kennt ihr das auch? Eure Kinder streiten sich, bis sich gefühlt die Balken biegen und ihr am liebsten völlig entnervt losschreien würdet, um dem Spuk ein Ende zu bereiten? Ich kann davon ein lautes Liedchen singen – und stecke nach bald zehn Jahren des Mamaseins noch immer mitten in einem fortwährenden Lernprozess: Wann soll ich während der Zwistigkeiten einschreiten – und wann besser nicht? Ganz ohne Streit geht es bei Geschwistern jedenfalls nicht – und das hat auch gute Gründe.

Nicht nur Mama und Papa: Auch Geschwister prägen uns

Ich meine, es ist doch so: Unsere Familie schenkt uns Liebe und Wärme und – wenn wir Glück haben – ein hohes Maß an Geborgenheit. Nicht nur Mama und Papa prägen uns dabei. Geschwister-Beziehungen sind für Psychologen ein besonders spannendes Thema. Und nicht nur für die, denn keine Beziehung ist meiner Meinung nach so stark von „Hassliebe“ geprägt wie die zwischen Brüdern und Schwestern (dabei bitte alle möglichen Geschlechterkombinationen ausmalen, der Richtigkeit halber). Und keine bietet komplexere Entwicklungsmöglichkeiten als sie.

Sie lieben sich – und sie streiten sich

Meine beiden Knirpse (neuneinhalb und sechseinhalb Jahre alt) treten manchmal wie totale Seelenverwandte auf: Stundenlang sind die beiden August-Kinder regelrecht in ein enges Zusammenspiel versunken, sie kennen sich gegenseitig besser als ihre besten Freunde, herzen und umschmeicheln sich, verteidigen sich gegenseitig vor „Feinden“ jeder Art – ob im Spiel oder in echt. Die beiden trennen fast genau drei Jahre, und ihre Bindung kann so innig sein, dass mein Herz vor Liebe überschäumt.

Mit den Nerven am Ende …

Und dann wieder streiten die Jungs – bis an den Rand ihrer und meiner Nervenkraft. Vor allem dann, wenn ich selbst müde, an- oder niedergeschlagen bin, fällt es mir sehr schwer, hier die Ruhe zu bewahren. Wie ich es trotzdem meist schaffe? Keine Ahnung, haha.

Aber mal im Ernst: Im Laufe der Zeit habe ich mir so einige Methoden erarbeitet, mit denen Hilfe ein Waffenstillstand – mehr oder weniger mühelos – gelingen kann. Manchmal schaffe ich es mit meinem „Brüll-Ausruf“: „Ich will nach Hause!!!“ Schweigen. Kind (Nummer 1 oder Nummer 2 oder beide gleichzeitig): „Mama, Du bist doch schon zu Hause!“ – Ich: „Ach so. Mist!“ Dann lachen wir – und kommen etwas weniger aufgebracht ins Gespräch. Ganz so leicht ist es natürlich nicht immer.

Der Streit hat auch seine gute Seiten

Erst einmal sei Folgendes gesagt: Neben allem, was uns dabei stresst und so richtig fertig machen kann, haben die Geschwister-Streitereien im Alltag auch ihre guten Seiten. Ja wirklich, denn Geschwister lernen dabei erstmals in ihrem Leben, sich zu erklären, durchzusetzen, zu behaupten, klar(er) zu kommunizieren, kleinere und auch mal etwas größere Konflikte zu „verhandeln“, sich in den Bruder hineinzufühlen, sich in ihn hineinzudenken. Ich glaube ganz fest daran, dass sich das später einmal noch positiver auf ihr Sozialverhalten auswirken wird.

Bitte vergleicht eure Kids nicht miteinander

Erstmal muss ich euch ein bisschen desillusionieren: Keine Streitereien wird es aus oben genannten Gründen nicht geben. Echt nicht. Da könnt ihr euch auf den Kopf stellen (und mit dem Hintern Fliegen fangen) … Es gibt aber in meinen Augen „zu viele und zu starke“ Konflikte, und hier solltest du wahrscheinlich einschreiten. Was also tue ich, wenn es so „richtig, richtig schlimm“ wird? Da möchte ich gern etwas weiter ausholen und meine Erfahrung schildern:

Ich habe zwei Schwestern, eine ältere und eine jüngere. Und bereits in sehr jungen Jahren hatte ich mir geschworen: Sollte ich selbst einmal Kinder haben, werde ich versuchen, sie nicht miteinander zu vergleichen. (Liebe Mama: Ich weiß, wir Eltern machen viele Fehler. Dies hier ist kein Vorwurf; meine Jungs werden mir genug vorzuwerfen haben. Tausend Küsse und mein liebe- und respektvoller Dank sei an dieser Stelle an Dich als Mama dreier Kinder gerichtet! Ich liebe Dich und danke Dir, dass Du so wenig Fehler gemacht hast. 🙂

Brüder als konkurrierende Rivalen

Dass wir unsere Kinder nieee miteinander vergleichen, ist natürlich unrealistisch und zudem noch Utopie; zumindest tun wir das doch in unseren Gedanken oder unter uns Eltern. Aber wir sollten es, finde ich, nicht „im Außen“ tun. Warum eigentlich nicht? Ich bin davon überzeugt, dass vor allem bei geringem Altersabstand Kinder – je mehr man auf dieser Vergleichsschiene fährt – immer stärker miteinander konkurrieren. Um Spielzeug, Zuneigung, Nahrung. Und sich daraus eventuell eine Art Geschwisterhass entwickeln kann …

Streitereien haben immer einen Grund

Diese „Eifersucht“ aber ist nur einer der Gründe, wegen derer Kinder sich ständig und überall zoffen. Denn auch, wenn wir Eltern es nicht wahrhaben wollen: Streitereien haben Gründe. Und zwar immer. Und die sollten wir wachen Auges hinterfragen. (Langeweile? Fehlende Aufmerksamkeit? Schwierigkeiten in KiTa oder Schule? Starke Veränderung im Leben? Und was ist mit mir? Bin ich, ihre Mama, vielleicht zurzeit besonders gestresst?)

Nicht immer gleich einschreiten

Meist mische ich mich gar nicht erst in die Auseinandersetzungen zwischen meinen Söhnen ein; ich lasse sie lieber erst einmal machen – und frage gegebenenfalls, ob sie meine Hilfe benötigen. Manchmal überlegen wir zusammen, ob wir eine Lösung finden können. Ich stelle Fragen wie: „Was genau ärgert Dich?“ oder „Wie könnt ihr das Problem lösen? Habt ihr eine Idee?“ Aber gleich und „einfach so“ einmischen? Never, denn am Ende sind die Kerlchen nicht nur auf sich, sondern auch noch auf mich sauer – und dann beginnt das berühmte Rad zu rollen. 😉

Zwistigkeiten nicht persönlich nehmen!

Mal klappt es und mal klappt es nicht mit dem „schonenende Auflösen“ von Zankereien. Das zu lernen ist ein Prozess, der eben dauert – und dabei ganz klar anstrengend für alle ist. Aber, lieber Papa und liebe Mama dort draußen: Nimm es nicht (zu) persönlich. Und auch, wenn es oft so aussieht, als ob nur Deine Kinder so harsch miteinander sind: So ist es definitiv nicht. Denn wie heißt es noch gleich? „Streit kommt in den besten Familien vor.“ Und nicht nur in denen, sondern in wirklich allen.

Hilfe, mein Kind erstickt! Ach nee, doch nicht …


So bleibst – oder wirst – Du gelassener im Umgang mit Deinem Kind

Als Eltern immer cool und gelassen durch eine Welt mit Kindern zu gehen, ist unmöglich. Sprechen wir es doch einmal aus, wie es ist: Manchmal würden wir vor Angst, Verzweiflung und Wut – oder auch Trauer – am liebsten losbrüllen oder aufgebracht auf der Stelle hüpfen wie unsere Kids. Macht das doch mal. Nur nicht unbedingt vor dem Kind? Genau, aber auch das passiert leider – und ist danach nicht mehr zu ändern. Als Mama zweier Jungs im Grundschulalter rate ich: Schau lieber nach vorn – und wie Du es vermeiden kannst, Dein Kind andauernd anzuschreien. Bleibe Du selbst und verbiege Dich (und Deine Gefühle!) nicht.

Ein Leben mit Kindern verändert uns: Wir werden ängstlicher, vorsichtiger, aber auch gelassener. Das passiert ganz automatisch, stimmt’s? (Na okay, das mit der Gelassenheit üben wir stetig.)
Es gibt so einige Erinnerungen an Situationen mit meinen beiden Jungs, die mich haben „ernster“ und „erwachsener“ werden lassen – und die einen Schleier der Reife über mich gelegt haben. (Dass ich trotzdem noch die totale „Rumalber-Suse“ bin, steht auf einem anderen Blatt geschrieben.)

Hilfe, mein Kind erstickt!
Spätherbst 2015. Einkaufen im Supermarkt. Mein Zweijähriger sitzt vorn im Einkaufswagen und knabbert gemütlich und sein Umfeld musternd an einem kleinen Rundkäse. Essen und gucken: So hat er es am liebsten. Tja, wer nicht … ? Und ich? Lege von hier einen Joghurt und von dort ein paar Nüsse in den Einkaufswagen. Oh, ja, Brokkoli noch. Ein ziemlich entspannter Einkauf ist das heute. Und wirklich so verdächtig ruhig … ? Einen Blick in das rot anlaufende Gesicht meines kleinen Jungen, und so gar nichts ist mehr entspannt … Er hat sich verschluckt und kämpft!

Unheimlich „Heimlich“ … und weiter geht’s – einfach so
Ohne zu zögern wende ich den „Heimlich-Handgriff“ an, will schon laut rufen: ‚Hilfe, mein Kind erstickt!‘ Da fängt der Knirps auch schon an zu husten, und ich bekomme das Käsestückchen in seinem Mund direkt zu fassen. Das war’s. Ich fasse es nicht, zittere jetzt am ganzen Körper. Der Kleine hat seine rosige Gesichtsfarbe wieder, schaut mich aus kugelrunden Augen an. „Maaama, noch ein’n!“ Was … „Käse“? Er nickt mit schnellen Kopfbewegungen, fröhlich. Das gibt es doch einfach nicht. WIR wären fast krepiert … !
„Aber schön vorsichtig essen, Spatz“, höre ich mich sagen, als ich ihm das beliebte Nahrungsmittel (Tötungsmittel wohl eher!!) reiche. Mit schlotternden Knien gehe ich weiter. Ganz ehrlich? „Cool“ geht für mich eben nicht immer … Aber in anderen Situationen werde ich im Laufe der Zeit immer geübter. Zum Beispiel, wenn ich wütend werde. Schau mal.

Fassung wahren? Raum verlassen
Wenn ich merke, dass ich kurz davor bin, vor Wut meine Fassung zu verlieren, wende ich zunächst eine einfache Strategie an: Ich zähle bis zehn (ja, auch mal bis 20 …). Manchmal beruhige ich mich, manchmal klappt es einfach nicht. In diesem Fall verlasse ich schnurstracks das Zimmer. Meine Kinder werden im kommenden Sommer zehn und sieben, da rennen sie mir nicht mehr hinterher, wenn sie sauer sind. Aber das kam in der Vergangenheit vor. Ich ging dann im schlimmsten Fall ins Bad und schloss für einige Augenblicke die Tür (ab). Ich hielt mir die Ohren zu und atmete tief durch, Worte vor mich hinbrabbelnd wie „Es ist nur ein kleiner Junge, es ist nur ein kleiner Junge …“

Verzweifelt, traurig, wütend? Ab nach draußen!
Ich erinnere mich auch daran, dass ich mir einfach meine beiden Zwerge schnappte und wir auf einen Spielplatz gingen oder fuhren. Frische Luft tanken, Sauerstoff fördert die Durchblutung – und beruhigt. Herumrennen, Natur belauschen. Meist fühlten wir uns alle danach sehr viel besser. (Übrigens: Die Betten machen ist auch eine gute Idee: mit Schmackes die Kissen schlagen! Das tut so gut, probier’s ruhig mal aus!)

Wir sind ja sowas von „tolerant“ – aber brauchen eigentlich mal Ruhe
Es ist doch so: Unser „schlechtes Gewissen“ lässt uns Eltern oft Dinge tun, die wir eeeigentlich gar nicht wollen. „Mama, spielen wir Fußball?“ Ich will nicht, und ich muss/wollte doch noch arbeiten … „Na gut, aber nur eine Runde.“ Oder: „Papa, wollen wir Tiere kneten?“ Nee, das ist mir jetzt zu matschig, und eigentlich wollte ich Sport machen … „Okay, aber nur ein par Minuten.“ Haben wir das jetzt echt laut gesagt?? Fakt ist: Wir Papas und Mamas bemerken es zunächst fast nicht, aber es stauen sich im Laufe der Minuten, Stunden, Tage … Aggressionen an (ihr wisst schon: der Tropfen und das Fass und so), die sich dann irgendwann eben brüllend ihren Weg nach außen bahnen. (Und der Tropfen war dann meist wirklich richtig klein.)

Teile auch DEINE Bedürfnisse mit
Arbeit oder/und Sport sollte manchmal schon etwas warten, schließlich wollt ihr ja auch für eure Kinder präsent sein. Aber … Ihr wollt jetzt doch lieber Lego mit euren Kids bauen statt kneten und kicken? Sagen, machen! Oder ihr seid müde und möchtet einfach ausruhen?
Auch das darf ich doch äußern. Ich bin nicht die Sklavin oder Dienerin meiner Kinder. („Doch, Mama, bist Du!“ Haha, selten so gelacht!)

Freunde, Freunde, nochmals Freunde … !
Extrem wichtig: Rede mit einem Freund oder einer Freundin, lass den ganzen Scheiß (sorry aber: SCHEISS!) einfach einmal raus. Lästere so richtig ab über Deine Kinder, Deine(n) – nicht vorhandene(n) – Partner/-in, Deinen Job und all das, was Dir zu viel ist oder zu wenig – wenn Du es brauchst. Mir tut das irre gut. Wenn Du allerdings merkst, dass das nicht hilft und beispielsweise die Wut auf Dein Kind oder andere belastende Gefühle in Dir schon fast zu einem Dauerzustand geworden sind: Lass Dir bitte helfen, zum Beispiel in einer Erziehungsberatungsstelle – Dir und Deiner Family zuliebe. Ich weiß, wovon ich rede, denn ich bin seit meiner Jugend depressionskrank und rede in der Öffentlichkeit darüber. Zum Beispiel jetzt. Und es hilft.

Wenn Kinder „es“ wissen wollen …

Ich weiß gar nicht mehr genau, wann das eigentlich angefangen hat mit „der Fragerei“. War P. da sechs oder sieben Jahre alt? Ich kann mich wirklich nicht an sein genaues Alter erinnern, an die konkrete Frage hingegen schon. „Mama, woher kommen die Babys?“

Meine Antwort war kurz, aber anscheinend erst einmal gut genug: „Wenn ein Mann und eine Frau sich körperlich lieben, kann es passieren, dass die Frau schwanger wird.“ Ich sehe seine kugelrunden Augen noch vor mir, sein fragendes Gesicht. Stellte er sich jetzt zwei umarmende Erwachsene vor? Die vielleicht wild herumknutschen und sich berühren? Geschürzte Lippen bei meinem Kind – dann rannte er wieder davon, sein Lego wartete schließlich … Als er dann etwas älter war, vielleicht so acht, wollte er es ganz genau wissen – und so „packte ich dann mal aus“ (schönes Wortspiel in diesem Zusammenhang, nicht wahr?) …

„Kindern die Scheu vor Fragen nehmen“
Ach: Übrigens hatte ich mich kürzlich – diese Kolumne zum Anlass nehmend – einmal in den sozialen Medien bei den anderen Eltern umgehört, wie die „das“ mit der Aufklärung denn so handhaben. Erstaunlicherweise erhielt die Anfrage an sich viele Likes, kommentiert hat dann jedoch tatsächlich nur Frank G. aus Baden-Württemberg – Vater vierer Kinder. Aber was er zu sagen hat, ist wichtig, zählt im Prinzip doppelt: „Wir sollten den Kindern die Scheu vor dieser Art von Fragen nehmen, offen und ehrlich antworten – natürlich auf dem jeweiligen Niveau des Kindes.“ Kann ich persönlich nur unterstreichen.

Geschlechtsteile und „der Akt“
Und wie habe ich „das mit der Aufklärung“ nun gemacht? Zunächst einmal beschrieb ich meinem damals etwa achtjährigen Sohn etwas genauer die primären und sekundären Geschlechtsorgane von Jungen und Mädchen, von Männern und Frauen – und wie diese sich im Laufe der Zeit verändern. Das fand er spannend und stellte noch so diese oder jene Frage zu den jeweiligen anatomischen Besonderheiten des weiblichen und männlichen Geschlechts. Als ich zum „Akt“ an sich kam – Ge-schlechts-ver-kehr! (Hähä!) – runzelte er etwas die Stirn. Das wiederum brachte nun mich zum Lachen, und so erklärte ich beschwichtigend: „Ja, das klingt ein bisschen seltsam, ich weiß. Und ich kann mich noch daran erinnern, wie verwirrt ich damals war, als ich das erfuhr – aber neugierig wie Du jetzt! Glaub mir einfach, wenn ich Dir sage: Sex ist schön und macht Spaß.“

„Wahrheit oder Pflicht?“
Inzwischen weiß ich natürlich von P.s Berichten aus der Schule, wie „heiß“ es unter den neun- und zehnjährigen Grundschüler:innen bezüglich dieses Themas zugehen kann – und bin froh, dass er „Bescheid“ weiß. (Ausgrenzung ist ja auch wieder so ein Thema für sich … *seufz*)
Unwissend inmitten einer Horde präpubertärer Kids? Oh oh … (genau, ihr wisst schon, was ich meine). Und dann gibt es da ja auch noch Spielchen wie „Wahrheit oder Pflicht?“. (An dieser Stelle verdrehe ich einfach nur mal demonstrativ die Augen, ja?)

Sex – eines der schönsten Dinge der Welt
Hat Frank dazu noch etwas Hilfreiches zu sagen? Auf jeden Fall dies: „Ich sage meinen Kindern auch, dass sich Gefühle im Lauf des Erwachsenwerdens verändern und dass Sex für mich etwas ist, das mit dem Austausch von Gefühlen und Zärtlichkeit zu tun hat. Und dass die Art, wie sich Mama und Papa lieben, doch etwas anders ist als unseren Elternliebe für sie.“ Und – ganz wichtig: „Dass Sex zu den schönsten Dingen der Welt zählt.“
Ja, denke ich, genau so, prima! Und: Schade eigentlich, dass die „Fortpflanzung“ – Sex, Sex, Sex! – noch immer so ein schambehaftetes Tabuthema ist. Wie viel offener könnte eine Gesellschaft sein, gingen wir unseren Kids gegenüber damit unverkrampfter – und natürlicher! – um?

Plötzlich vierte Klasse: Mein Junge wird groß!

Die Sommerferien 2022 sind vorbei, mein „Großer“ ist jetzt schon ein Viertklässler – und wirkt dabei auf einmal so erwachsen. Wann ist das eigentlich passiert?

Auf einmal sind sie groß

Da steht er vor mir: vom Kindchenschema nur noch in Ansätzen eine Spur. Groß ist er geworden – und so schlaksig, naja: eher drahtig, mit langen, dünnen Beinen und Armen. Die Haare trägt er über schulterlang, schiebt sie sich lässig zur Seite. In dieser Sache ist er sogar ein richtiges Vorbild für andere Jungs geworden. Neulich schrieb mich die Mama eines Kumpels an: „A. möchte jetzt auch so langes Haar wie Dein Sohn.“ (War sie begeistert oder nicht so? Egal.) Ich schweife ab, bin stolz, na klar.

Eine neue Reife ist erreicht

Heute feiert P. seinen neunten Geburtstag nach, und ich beobachte ihn und die anderen Kids. Einige kenne ich seit der gemeinsamen Kindergartenzeit. Einer der Jungen ist mittlerweile knapp zehn Jahre alt, ebenfalls in der vierten Klasse und trägt Schuhe in der Größe 41 (ja, ich habe heimlich die Sohlen beschaut, weil sie mir echt groß vorkamen). Da kann ich nur noch staunen: Damit hat er mich in Sachen Fußlänge eingeholt. Auch sonst wirkt der in meiner Erinnerung eher „rabaukige“ Knabe jetzt ruhiger, erwachsener. Und auch mein Kind hat eine ganz neue Reife erreicht – in Sachen Körper und Geist.

Wie schnell er rennen und Radfahren (und rechnen) kann! Fast alles, was er unternimmt, wird zu einem kleinen Wettbewerb aufgebauscht. Kräfte und Energien messen stehen bei ihm und seinen Altersgenossen ganz hoch im Kurs. (Der kleine Bruder hat es da manchmal ganz schön schwer hinterherzukommen – und jammert. Da muss ich durch.)

Vergleich und Wirkung sind wichtig geworden

P. denkt rationaler, vergleicht sich jetzt wesentlich mehr mit seinen Freunden, unterscheidet ganz offenkundig stärker zwischen ihnen und sich selbst. Mein „Söhnchen“ versteht immer besser, dass es andere Wahrheiten gibt und es nicht nur seine eigenen sind, die zählen oder die richtigen sind. Sicher ist dies keine leichte Erkenntnis. Nichtsdestotrotz ist ihm zurzeit die Meinung der Freunde und Freundinnen besonders wichtig.

Ein Beispiel: Eigentlich lege ich ihm morgens die Klamotten raus, doch immer häufiger kommt es vor, dass er sie gegen andere tauscht, weil die eine Hose oder der andere Pullover „nicht mehr so cool“ aussehen. Schmunzelnd und staunend stelle ich fest: Der Weg zur Pubertät wird hier wohl gerade geebnet … Ich erinnere mich selbst noch sehr gut an meine eigene.

Stärkeres Mitgefühl für die anderen

Auch eine ziemlich krasse Entwicklung in Sachen Mitgefühl konnte ich beobachten: Als ich neulich Bauchweh hatte und im Bett lag, brachte P. mir sein Körner-Krokodil. Zuvor hatte er es in die Mikrowelle gelegt und für mich erwärmt. Seine beiden Lieblingskuscheltiere – zwei Hammerhaie – legte er ebenfalls zu mir. „Damit Du nicht alleine bist.“ Und das bin ich jetzt häufiger, denn seine Freizeit möchte er natürlich lieber mit seinen Kumpels verbringen … (Ja, auch das gehört dazu: Er erlangt immer mehr Unabhängigkeit von mir. Es ist schön für mich, das zu erleben. Etwas Wehmut mischt sich bei. Die gestehe ich mir aber zu – nach „allem“ …)

Regeln, Regeln, Regeln – und Konsequenzen?

Im Freundeskreis haben die Kids ihre eigenen Regeln, denen sie folgen. Oft fragt mich P., was er tun soll, wenn jemand dagegen verstößt: Soll er seinem Freund noch mal verzeihen, wenn der fies zu ihm war? Ist es die Freundschaft wert? Fragen über Fragen …

Durch das gemeinsame Spielen, das Einhalten und eben Nichteinhalten dieser Regeln und durch das Experimentieren mit eigenen und fremden Grenzen lernen die bald Halbstarken, sich pragmatisch zu verhalten sowie mit Selbstzweifeln, Launen und Frust umzugehen.

Ich darf das alles (und noch viel mehr) gerade erleben, und ehrlich gesagt kostet es mich Einiges an Anstrengung, das aus- und durchzuhalten.

Aber ich sehe ja, wie es P. Schritt für Schritt richtig gut gelingt, (mit Unterstützung seiner Eltern, selbstredend) seinen eigenen, individuellen Weg zu finden.

Mensch, denke ich bei mir, als ich meinen Sohn inmitten der anderen Kinder auf seiner Geburtstagsparty herumtollen sehe, wann ist er eigentlich so groß und so reif geworden? Verdammt, gefühlt trank er doch erst vorgestern an meiner Brust und knüpfte gestern oder so mit drei Jahren im Kindergarten seine ersten Freundschaften …

Mensch, was bin ich stolz auf den – gar nicht mehr so knirpsigen – Knirps.

Dieser Text erschien erstmal am 20. September 2022 bei „Hallo:Eltern“.