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Plötzlich vierte Klasse: Mein Junge wird groß!

Die Sommerferien 2022 sind vorbei, mein „Großer“ ist jetzt schon ein Viertklässler – und wirkt dabei auf einmal so erwachsen. Wann ist das eigentlich passiert?

Auf einmal sind sie groß

Da steht er vor mir: vom Kindchenschema nur noch in Ansätzen eine Spur. Groß ist er geworden – und so schlaksig, naja: eher drahtig, mit langen, dünnen Beinen und Armen. Die Haare trägt er über schulterlang, schiebt sie sich lässig zur Seite. In dieser Sache ist er sogar ein richtiges Vorbild für andere Jungs geworden. Neulich schrieb mich die Mama eines Kumpels an: „A. möchte jetzt auch so langes Haar wie Dein Sohn.“ (War sie begeistert oder nicht so? Egal.) Ich schweife ab, bin stolz, na klar.

Eine neue Reife ist erreicht

Heute feiert P. seinen neunten Geburtstag nach, und ich beobachte ihn und die anderen Kids. Einige kenne ich seit der gemeinsamen Kindergartenzeit. Einer der Jungen ist mittlerweile knapp zehn Jahre alt, ebenfalls in der vierten Klasse und trägt Schuhe in der Größe 41 (ja, ich habe heimlich die Sohlen beschaut, weil sie mir echt groß vorkamen). Da kann ich nur noch staunen: Damit hat er mich in Sachen Fußlänge eingeholt. Auch sonst wirkt der in meiner Erinnerung eher „rabaukige“ Knabe jetzt ruhiger, erwachsener. Und auch mein Kind hat eine ganz neue Reife erreicht – in Sachen Körper und Geist.

Wie schnell er rennen und Radfahren (und rechnen) kann! Fast alles, was er unternimmt, wird zu einem kleinen Wettbewerb aufgebauscht. Kräfte und Energien messen stehen bei ihm und seinen Altersgenossen ganz hoch im Kurs. (Der kleine Bruder hat es da manchmal ganz schön schwer hinterherzukommen – und jammert. Da muss ich durch.)

Vergleich und Wirkung sind wichtig geworden

P. denkt rationaler, vergleicht sich jetzt wesentlich mehr mit seinen Freunden, unterscheidet ganz offenkundig stärker zwischen ihnen und sich selbst. Mein „Söhnchen“ versteht immer besser, dass es andere Wahrheiten gibt und es nicht nur seine eigenen sind, die zählen oder die richtigen sind. Sicher ist dies keine leichte Erkenntnis. Nichtsdestotrotz ist ihm zurzeit die Meinung der Freunde und Freundinnen besonders wichtig.

Ein Beispiel: Eigentlich lege ich ihm morgens die Klamotten raus, doch immer häufiger kommt es vor, dass er sie gegen andere tauscht, weil die eine Hose oder der andere Pullover „nicht mehr so cool“ aussehen. Schmunzelnd und staunend stelle ich fest: Der Weg zur Pubertät wird hier wohl gerade geebnet … Ich erinnere mich selbst noch sehr gut an meine eigene.

Stärkeres Mitgefühl für die anderen

Auch eine ziemlich krasse Entwicklung in Sachen Mitgefühl konnte ich beobachten: Als ich neulich Bauchweh hatte und im Bett lag, brachte P. mir sein Körner-Krokodil. Zuvor hatte er es in die Mikrowelle gelegt und für mich erwärmt. Seine beiden Lieblingskuscheltiere – zwei Hammerhaie – legte er ebenfalls zu mir. „Damit Du nicht alleine bist.“ Und das bin ich jetzt häufiger, denn seine Freizeit möchte er natürlich lieber mit seinen Kumpels verbringen … (Ja, auch das gehört dazu: Er erlangt immer mehr Unabhängigkeit von mir. Es ist schön für mich, das zu erleben. Etwas Wehmut mischt sich bei. Die gestehe ich mir aber zu – nach „allem“ …)

Regeln, Regeln, Regeln – und Konsequenzen?

Im Freundeskreis haben die Kids ihre eigenen Regeln, denen sie folgen. Oft fragt mich P., was er tun soll, wenn jemand dagegen verstößt: Soll er seinem Freund noch mal verzeihen, wenn der fies zu ihm war? Ist es die Freundschaft wert? Fragen über Fragen …

Durch das gemeinsame Spielen, das Einhalten und eben Nichteinhalten dieser Regeln und durch das Experimentieren mit eigenen und fremden Grenzen lernen die bald Halbstarken, sich pragmatisch zu verhalten sowie mit Selbstzweifeln, Launen und Frust umzugehen.

Ich darf das alles (und noch viel mehr) gerade erleben, und ehrlich gesagt kostet es mich Einiges an Anstrengung, das aus- und durchzuhalten.

Aber ich sehe ja, wie es P. Schritt für Schritt richtig gut gelingt, (mit Unterstützung seiner Eltern, selbstredend) seinen eigenen, individuellen Weg zu finden.

Mensch, denke ich bei mir, als ich meinen Sohn inmitten der anderen Kinder auf seiner Geburtstagsparty herumtollen sehe, wann ist er eigentlich so groß und so reif geworden? Verdammt, gefühlt trank er doch erst vorgestern an meiner Brust und knüpfte gestern oder so mit drei Jahren im Kindergarten seine ersten Freundschaften …

Mensch, was bin ich stolz auf den – gar nicht mehr so knirpsigen – Knirps.

Dieser Text erschien erstmal am 20. September 2022 bei „Hallo:Eltern“.

Zwischen Faszination, Freude und Furcht – wie es ist, ein Papa zu sein


Ein Vater berichtet aus seinem Alltag mit drei Töchtern

Wie fühlt es sich eigentlich an, Vater zu sein? Was ist toll dran und was eher nicht so? Was treibt so ihn um – und an?
Kürzlich hatte ich einen richtig tollen Papa im Interview: Thomas, 41 Jahre alt, freier Autor von Hörspielen, Hörbüchern, Romanen und gegenwartsliterarischen Texten aus Geesthacht – und war ehrlich überrascht von seinen aufrichtigen Antworten auf meine doch ziemlich persönlichen Fragen.

Thomas, Du bist gerne Papa. Oder?
Ja, meistens. Meine Frau und ich haben zwei Pflegetöchter mit starken Bindungsstörungen im Alter von zwölf und elf Jahren sowie ein leibliches Kind, ein Mädchen von vier Jahren. Sie sind alle drei grundverschieden, das ist spannend: Während die eine total strebsam ist, nimmt die andere Manches gerne auf die leichte Schulter und glaubt, das Glück stets auf ihrer Seite zu haben. Und unsere Kleinste entdeckt und erkundet gerade die Welt. Die jeweiligen Entwicklungen der Kinder zu beobachten und zu erleben, das ist natürlich klasse und ein echtes Privileg.

Gibt es neben all der Faszination und Freude auch Dinge, die Dir als Vater Angst machen?
Na klar, alle Eltern haben doch so ihre Sorgen. Ich bin so stolz auf meine Mädchen und glücklich, sie zu haben. Aber da ist auch immer mal mehr und mal weniger unterschwellig die Urangst, ihnen könnte etwas geschehen – oder sie könnten an die „falschen“ Leute geraten. Obwohl ich der Meinung bin, sie müssen viele Erfahrungen selbst machen, möchte ich sie doch immer wieder beschützen und behüten.

Wie gehst Du mit dieser Sorge um?
Ehrlich gesagt ist es eine Gratwanderung zwischen: sie „einsperren“ wollen und sie allein in die Welt hinaus gehen lassen.
Vielleicht erzähle ich an dieser Stelle eine kleine Anekdote, um es etwas verständlicher zu machen: Ich war mit einigen Kumpels unterwegs. Es kam eine junge Frau auf uns zu, sehr attraktiv. Meine Ehefrau war zu diesem Zeitpunkt hochschwanger mit unserem dritten Mädchen. Meine Kumpels so über die Fremde: „Wow, was für ein Geschoss!“ Und so weiter. Da dachte ich nur: „Auf solche Typen wird eine unserer Töchter auch mal stoßen.“ Andererseits sind meine Kumpels allesamt selbst tolle Väter und prima Ehemänner. Dennoch: Für mich fühlt es sich an wie ein Tanz auf dem Vulkan.

Verstehe. Und sie werden so schnell groß, unsere Kids, nicht wahr? Wie geht es Dir damit?
Es ist doch verrückt oder? Mir fällt da ehrlich gesagt immer Reinhard Mey mit seinem Song „Kleines Mädchen“ ein. Er beschreibt darin, wie sein kleines Mädchen gestern noch Schutz auf seinem Schoß suchte und heute als junge Frau bereits Bänder im Haar hat. Es trifft mich immer wieder und macht mich glücklich und traurig zugleich. Meiner Frau geht das übrigens auch so.

Ja, alles hat eben mindestens zwei Seiten … Da werden wohl die allermeisten Eltern wehmütig. Darf ich fragen, wie es um eure Paarbeziehung steht, seit ihr Kinder habt?
Wir sind seit 21 Jahren ein Paar, meine Frau war zum Zeitpunkt unseres Kennenlernens gerade einmal 18 und ich 20 Jahre alt. Das ist natürlich eine lange Zeit zusammen. Sie ist Lehrerin und Künstlerin, es ist unglaublich, was sie alles auf die Beine stellt. Als Team sind wir wirklich spitze, ziehen an einem Strang und haben gemeinsame Ziele …

Höre ich da ein „Aber“ heraus?
Naja, wir haben offen gestanden kaum Zeit für uns beide – und uns wahrscheinlich deshalb etwas aus den Augen verloren – auch sexuell. Das macht mich ziemlich traurig. Wir Eltern bauen uns leider immer wieder eigene Gefängnisse und vergessen, wie man die Türen öffnen kann: Die Miete muss gezahlt werden, die Kinder haben Hunger, wollen spielen und beschäftigt werden … Meine Frau möchte malen, ich möchte auf Konzerte oder reisen. Hach, da sind viele Bedürfnisse, die da aufeinanderprallen. Wir haben uns selbst Ketten angelegt, die wir wachsen lassen, um es einmal mit Charles Dickens zu sagen.

Ich glaube, das geht doch aber den meisten Menschen in Langzeitbeziehungen so – nicht nur denen mit Kindern. Oder?
Ja, das denke ich auch. Leider. Eine Patentlösung gibt es da wohl nicht. Jedes Paar muss selbst schauen, wohin es der Weg führt. Oder was meinst Du?

Mhm … ja. Zum Glück bin ich heute nur die Fragestellerin … Ich sage nur „Coolidge“ … Wollen wir das einmal so stehen lassen?
Gern. Es ist nun einmal so.

Danke, lieber Thomas, für das offene Gespräch.
Besten Dank zurück, gern wieder.

Was ich denke: „Halt doch endlich mal die Klappe!“ Und was ich sage: „Schatz, könntest Du bitte etwas leiser sein? Mama hat Kopfweh.“

Sommerferien, juhu? Von wegen: Ich habe zur Zeit so richtig die Nase voll – von einfach allem. Von diversen Krankheiten, (Fast-)Knochenbrüchen und ja, auch von meinen Kindern! Vielleicht sogar vor allem von denen. Was ich manchmal über sie denke und was ich dann stattdessen zu ihnen sage: Das sind zwei verschiedene Paar Schuhe. Naja, fast immer …

Ich brauche Ruhe!
Ende Juli. Die Sommerferien haben gerade begonnen, und wir haben in den ersten „freien“ Tagen bereits einen halbgebrochenen großen Zeh (bitte fragt nicht; aber falls ihr es doch wissen möchtet: Ich konnte den Kampf mit dem schweren, dicken Wasserglas einfach nicht gewinnen) und Corona bei uns allen vieren hinter uns gebracht. Auf den Punkt: Mir ist nach Ruhe; heute ist mir so richtig nach Ruhe. (Hört ihr, wie sehr ich nach RUHE schreie?)

Mama, Mama, Mama!“
Ihr könnt es euch schon denken: Die Kinder langweilen sich natürlich. Und bis wir zu meinen Eltern an die Ostsee fahren, dauert es noch ein paar Tage. Ich sollte packen und fühle mich aber virusbedingt noch immer ziemlich schlapp und sowas von müüüüüde. Und sie – meine beiden Jungs – rufen fortwährend „Mama!“. Gefühlt alle fünf Sekunden. (Papa? Ist schon wieder arbeiten.) „Waaas?“ Ich. „Mir ist langweilig, Mama.“ Der fast Sechsjährige mault herum und zieht die totale Flunsch. Und weiter: „Mama! Was kann ich jetzt spieleeeen?“ Mir doch jetzt echt mal egal! Denke ich, sage aber stattdessen: „Frag doch bitte Deinen Bruder, ob er mit Dir Lego bauen möchte.“ Nein, will er nicht. Scheiße, verdammte. Denke ich, sage aber wesentlich höflicher: „Schade. Und kneten?“ Nee, die Knete ist „so doof vermischt“. Okay, die Farben sind dann wohl nicht mehr so attraktiv, wie sie mal waren … Auch malen ist out, Karten spielen sowieso. Kackfuck!

Geh mir nicht auf die Eier!“
Natürlich denke ich dieses zusammengesetzte Wort nur – und weiterhin Sätze wie: „Mann, geh mir doch jetzt nicht auf den Sack!!“ Ja, ernsthaft. Und ich habe nicht einmal einen. Auch das denke ich. Und dann denke ich noch, dass ich denken könnte: Geh mir nicht auf die Eier! Ja, das geht. Davon habe ich sehr viele. Ich freue mich diebisch-grinsend – und schrecke sowas von zusammen, als plötzlich mein fast Neunjähriger neben mir am Schreibtisch steht. Er fragt, ob wir „biiiitte bitte!!!“ ein paar Körbe in der Einfahrt werfen können. „Ich habe Kopfweh, Süßer.“ Er schlägt vor, dass ich versuche, den Basketball im Sitzen durchs Netz zu hauen. Ich will aber nicht! Sitzen will ich schon. Aber NUR das. Ohne werfen. Ich bin angeschlagen, müde, lustlos – und wenn das hier so weitergeht, gleich auch noch echt übel gelaunt. „Tut mir wirklich leid, Schatz. Heute nicht. Morgen wieder, ja?“ Ich streichele ihm über den Kopf, als er gespielt melodramatisch jammert und wie ein Kleinkind quengelt. Alter, bist Du zwei Jahre alt oder was?! Ihr wisst schon: Auch das sage ich natürlich nicht laut. Es ist alles nur in meinem Kopf …

Ruhe jetzt!“
Boah, sie spielen allein. Endlich! Fast schon hätte ich mich darüber gefreut, doch ach. Ist das LAUT. „Kinder, könnt ihr bitte etwas leiser sein? Ich habe Kopfweh!“ Autsch. Rufen tut weh. Ich glaube, das haben sie nicht ganz verstanden: Das Geschrei nimmt einfach kein Ende. „Bitte!“, setze ich hinzu. Könnt ihr jetzt endlich die Klappe halten!? Nein, Mama, das brüllst Du nicht; Du nimmst Dich brav zusammen. Was für ein Vorbild möchtest Du denn bitte sein …

„Mama!!! K. hat mich geschubst!“ Und dann passiert es: „RUHE!“ brülle ich. Und bin echt nicht stolz drauf. Immerhin herrscht jetzt seltsamerweise genau das: Ruhe. Echt jetzt? Da versucht man es die ganze Zeit in sanftem, wohlmeinenden Ton, und dann hilft nur noch eines: herumschreien? Ich bin desillusioniert vom Leben … Doch halt! Da ist ja zum Glück diese eine Sache … die Retterin aus meiner Not! Kaffee! (Und Kaffee soll weiblich sein? Ja! Und wehe, ihr widersprecht mir heute!)