Archiv der Kategorie: Jungs

Sexismus und Co.: So vermitteln „Jungseltern“ ihren Kids den respektvollen Umgang mit Mädchen und Frauen

Für ein Online-Parenting-Magazin beschäftigte ich mich mit einem etwas „heiklen“ Thema – und zwar diesem hier: „Wie lehre ich meine Jungs einen respektvollen Umgang mit dem weiblichen Geschlecht?“ Puh. Darüber könnte ich – Mama zweier kleiner Jungs im Alter von bald neun und bald sechs Jahren – ganze Fachbücher schreiben. Doch musste ich mich leider auf eine Kolumne beschränken. Et voilà – hier ist sie.

Ehrlich gesagt finde ich das oben benannte Thema sowas von schwierig und komplex, dass ich mich dazu erst einmal in den sozialen Medien umhören „muss“. Meine eigene Meinung? Jaja, die habe ich natürlich auch. Sie kommt auch, warte ein bisschen.

Das familiäre Vorbild ist wichtig“
Heike, eine tolle Frau Mitte fünfzig und Mutter eines inzwischen erwachsenen Sohnes, antwortet mir prompt: „Ich glaube, das Allerwichtigste ist das familiäre Vorbild.“ Und genauer? „Wie gehen Männer und Frauen miteinander um? Das ist das Entscheidende.“ Ja. Das leuchtet ein oder? Und es erinnert mich an unseren eigenen, familieninternen Umgang miteinander. Wir Eltern leben zu Hause „relativ gleichberechtigt“. Okay, ich kümmere mich etwas mehr und häufiger um die Buben und arbeite selbst halbtags (vormittags), um nachmittags eben genau das tun zu können: mich intensiv mit meinen Jungs beschäftigen.

Mädchen tun dies, Jungs das? Macht und Verantwortung
Lernen meine „Männerchen“ daraus, das eine Mama sowas „eben so tut“? Ich denke: Ja, das kann gut sein. Na und? Ich finde es nicht schlimm oder gar „besorgniserregend“. Warum auch? Ich kann es nicht mit einhundertprozentiger Sicherheit sagen, aber: Ich als Kind der DDR kam früh in die Krippe, wurde erst gegen fünf Uhr am Frühabend wieder abgeholt. Ich kannte es nicht anders, aber ich bin überzeugt, dass genau das etwas (leider nicht allzu viel Gutes) mit mir und meinem Selbstwertgefühl gemacht hat. Doch das ist wieder eine andere Geschichte. Ich jedenfalls wollte es „anders“ machen – und behielt meine Jungs bis zum Einläuten des „Kindergartenzeitalters“ daheim. Ob das „richtig“ war? Ja, davon bin ich überzeugt (ICH, ihr müsst gar nix, okay? Wie sagt man so schön: Jeder nach seiner Façon. Finde ich in Bezug auf dieses Thema jetzt zwar NICHT, aber egal). Auch das ist wohl ein Thema für sich und hat mit dem Thema „Sexismus“ nur bedingt zu tun.

Die größten Sexisten sind Frauen“
Frank – Vater vierer Kinder, darunter zweier Jungs – ist Ende fünfzig und denkt wie folgt: „Sexismus ist sogar herrlich, wenn man in einer kleinen Gruppe Gleichgesinnter ist und darüber lachen kann. Die größten Sexisten sind übrigens Frauen untereinander … Doch sie geben das nur selten zu. Der echte, eher ’niederträchtige‘ Sexismus kommt seltener vor. In unserer Familie spricht das vor allem meine Frau sofort an. Wir warnen die Kids davor, dem schlechten Beispiel zu folgen. Meist handelt es sich jedoch nicht um aktuelle Themen, sondern um Beispiele, Handlungen oder Wörter aus der Vergangenheit, die gelegentlich angeschwemmt werden.“ Gleichberechtigt, gleich behandelt, gleich … gesinnt? Ich finde: Machen wir doch bitte kein Drama draus … jedenfalls nicht hier (okay, gleich viel verdienen, daraus schon …).

Kein Gedöns draus machen“
Auch ein Mann ohne Kinder meldet sich zu Wort. „Ich glaube, man sollte kein Gedöns draus machen“, schreibt Günter K. „Die Kinder bekommen das schon mit und fragen. Ich finde, dass Erwachsene dann korrekt nüchtern und sachlich antworten sollten.“ Nüchtern? Weiß ich nicht. Rotwein wäre gut (haha). Aber sachlich? Ja, da bin ich für. Aber jetzt mal ganz im Ernst: Ich gehe an dieser Stelle ganz bewusst nicht ins Detail und versuche, etwas „Schönes“ entstehen zu lassen. Seid mir da bitte nicht gram.

Wie „handhabe“ ich das?
Schluss mit dem Herumdrucksen und weit ausholen. Also: Ich persönlich ziehe meine Jungs mit dem Gedanken an all die kleinen Mädchen all der anderen Frauen groß. Eben, weil ich als doppelte Jungsmama irgendwie die „Macht“ und gleichzeitig die Verantwortung habe, ein Antrieb für einen Wandel in der Gesellschaft zu sein – für eine, die das weibliche Geschlecht stärker wertschätzt. Und hätte ich (ein oder mehrere) Mädchen? Würde ich das Gleiche umgekehrt tun. Hä? Ist doch klar: Weil ich eigentlich nicht „Jungen“ oder „Mädchen“ erziehe, sondern … Menschen. Oder? Oder was? Ich wünsche mir JETZT und HIER eigentlich nur Eines: ein generell (!) respekt- und liebevolles Miteinander – egal, ob weiblich oder männlich. (Mensch!)

Raus aus dem (All-)Tag, rein in die Nacht – aber wie?

Bei vielen Familien geht abends beim Zubettbringen der Kinder noch einmal so richtig die Post ab. Warten, Wehren, Weinen … Das muss nun wirklich nicht sein, finde ich. Behaupte jedoch nicht, dass es das Einfachste von der Welt sei, die Kleinen möglichst stressfrei in die „Heia“ zu bekommen. Ich berichte euch von unseren Abendritualen – und befrage gleich noch ein paar andere Eltern, wie sie dem Thema gegenüberstehen.

19:30 Uhr. Meine beiden Jungs rennen durch die Bude, eine Runde ums Klavier oder machen noch mal schnell ihr „Abendtrampolin“ auf dem Elternbett. „Mamaaa, jagst Du uns?“ Puh.

Klingt anstrengend? Ist es auch. Und zwar so richtig. Manchmal wünsche ich mich wirklich ganz weit weg von hier, nach Mauritius oder so … Denke ich allerdings genauer darüber nach, scheint mir unsere „rabaukige“ doch die entspanntere Variante neben etwa den folgenden dreien zu sein: „Nein! Ich geh‘ nicht ins Bett!“ oder: „Nee! Meine Zähne putz‘ ich nicht!“ und: „Nö! Ich zieh‘ mich nicht um!“.

Mit Druck und Zwang? Kann man natürlich ausprobieren. Zur physischen Herausforderung käme dann allerdings noch die psychische. Vom Regen in die Traufe? Hm, ja. So stellt es sich für mich jedenfalls dar. Und genau deshalb machen wir das hier zu Hause lieber ein bisschen anders.

Alles „um die Wette“

Darum spielen wir abends eben eine Runde Fangen, räumen die Millionen an LEGO-Kleinteilen um die Wette auf oder machen irgendeinen – ziemlich sportiven – Quatsch, der für die Bengelchen-Engelchen den Tag wenigstens mal mehr und mal weniger kichernd bis lachend ausklingen lässt (und auf den Hometrainer oder ins Fitnessstudio müssen wir dann eigentlich auch nicht mehr …).

Ansonsten haben wir aber schon eine feste Reihenfolge, was das Umkleiden und die Pflege der Jungs betrifft: K. (fünf) ist abends zuerst dran, dann P. (acht Jahre). Morgens ist es genau anders herum. So bringen wir zudem noch „Gerechtigkeit“ ins Spiel. Aber wehe, diese Abfolge stimmt mal nicht so ganz („ICH bin zuerst, das ist unfair!) … Das ist nun wiederum eine andere Geschichte, die ich euch jetzt besser nicht erzähle; ich bin mir ziemlich sicher: Ihr kennt sie ohnehin bereits.

Lesen, lesen und nochmals lesen

Was für uns alle vier – den Papa, P., K. und mich – auf jeden Fall wichtig ist – und auch hier darf es keinerlei Abweichung geben: Wir lesen etwa 20 bis 30 Minuten zusammen – jeden Abend: „Die Abenteuer des Huckleberry Finn“, „Die Schatzinsel“, „Giraffenaffen“ oder „Alle lieben Paulchen“? Egal was. Hauptsache schmökern. Denn sowohl der Papa als auch ich sind und waren schon als Kinder: echte Leseratten. Und ihr wisst ja: Wer es vorlebt, muss mit den „Konsequenzen“ rechnen.

Und wie machen es andere?

Mich interessierte sehr, wie es „die anderen“ machen – möglichst harmonisch. Deshalb startete ich kürzlich spontan eine kleine Umfrage zum Thema „Abendrituale“.

Ina aus Oldenburg und ihre Teenager-Tochter zum Beispiel halten es wie folgt: „Wir schreiben zusammen Gedanken und Erinnerungen in unser Erlebnistagebuch, die wir einfach loswerden oder miteinander teilen möchten.“ Die dreifache Mama braucht dies auch selbst zum Verarbeiten des Tages. Klingt hervorragend, finde ich.

Einer meiner Journalistenfreundinnen, Doreen aus Hamburg, hat sogar vier Kids und packt vor dem Zubettgehen mit ihnen den „Wunschkoffer“: klassisches Spiel, kennt jeder (bei Aufklärungsbedarf fragt gern bei mir nach). „Und zur Muskelentspannung mache ich Ameisen-Krabbeln“, ergänzt die 50-Jährige, „Einer übernimmt die Rolle des mutigen Insekts, das sich traut, alles auszukundschaften. Die anderen liegen im Bett und hören zu. Die Ameise wandert in Gedanken zu allen Zehenspitzen, Fingerspitzen und schaut, ob alles okay ist und wünscht jedem Körperteil eine gute Nacht.“ Klasse oder?

Erinnerungen an die schönen Dinge des Tages

Die 33-jährige Anna-Maria ist Mutter zweier Söhne und zudem noch meine Schwester. ❤ Sie lebt mit ihrer Familie an der wunderschönen Mecklenburgischen Seenplatte – und erzählt: „Wir haben Würfel mit verschiedenen Motiven. Zum gewürfelten Bild denken wir uns eine Geschichte aus. Das ist mal etwas anderes und macht echt Spaß. Inzwischen ist Y. zwölf Jahre alt; den Rest kann man sich denken.“ Sie fügt einen zwinkernden Smiley zu ihrer geschriebenen Nachricht. Und ich spüre förmlich ihr Schulterzucken: die liebe Pubertät …

Frauke und ihr Sohn bedanken sich am Ende des Tages „für eine Sache, ein Gefühl oder ein Erlebnis“. Im Anschluss massiert die Mama ihrem Kleinen mit einem „natürlichen und toll duftenden Öl“ die Füßchen. Da möchte man doch auch gern noch mal Kind sein oder?

Und die 42 Jahre alte Fotografin Anne aus Münster macht mit ihren drei Kids im Alter von fünf bis zwölf Jahren eine „meditative Traumreise“: Die Kinder sagen, wo sie hin wollen, „und ich erzähle ihnen von ihrer Reise.“ Sie visualisiert eben gern. 😀

Oh, bisher nur weibliche Stimmen. Lassen wir doch auch mal wieder einen Papa zu Wort kommen. Johannes (40) aus Berlin findet es ganz wichtig, sich mit seinem Nachwuchs „die drei schönsten Erlebnisse des Tages“ zu erzählen. „Das entspannt und bereitet gut auf die Nacht vor.“

… Ganz egal, wie wir alle es machen. Hauptsache entspannt oder? Denn genau so soll schließlich auch die Nacht sein.

Lange Haare nur für Mädchen? Von wegen!

Mädchen sind Prinzessinnen, Jungs weinen nicht? Mädchen haben lange Haare und kleiden sich in Farben wie Rosa oder Pink, und Jungs sind auf dem Kopf kurzgeschoren und lieben Grün und Blau? Wagt ein Kind, „anders“ zu sein als in dieser Gesellschaft vorgelebt, wird es gehänselt oder manchmal sogar ausgegrenzt – das betrifft heute zumindest optisch vor allem das männliche Geschlecht.

Räumen wir doch endlich auf mit den dämlichen Rollenklischees und lassen unsere Kinder einfach das sein, was sie auch sind: Kinder eben – und keine Geschlechter.

Es nervt langsam: Wir schreiben das Jahr 2021, und noch immer scheinen so viele Menschen zu glauben, nur Mädchen dürften sich die Haare wachsen lassen. Tragen sie einen Kurzhaarschnitt, sieht das „cool“ aus, tragen sie Blau oder Grün, ist das „schön frech“. Möchte aber ein Junge Violett oder lange Haare zeigen, kommen so richtig dumme Sprüche. „Bist Du ein Mädchen?“ oder „Bist Du schwul?“

Ungleichberechtigung einmal andersherum. Denkt euch an dieser Stelle bitte trotzdem ein Augenzwinkern, denn im Idealfall haben unsere Kids so ein gutes Gespür dafür, was absurd ist oder nicht, dass sie – wie mein P. neulich – auf die Frage „Hä, warum hast Du denn so lange Haare?“ antworten: „Na, weil sie wachsen. Und weil sie es bei mir dürfen!“. Boah. Es läuft mir noch immer heißkalt den Rücken runter. Was für eine Antwort!

Friseur oder Haarband
Für meinen Achtjährigen ist klar: Die Haare sollen eine ganze Weile sprießen. Wohin? Weiß er noch nicht. „Mal sehen.“ Ich finde es einfach wunderbar, dass er das ausprobieren möchte. Richtig kurzes Haar hatte P. ohnehin nur als Neugeborener und kennt es an sich auch gar nicht.
Seine Mähne reicht ihm inzwischen am Hinterkopf bereits bis über den Schulterbereich. Er befindet sich aber noch immer in dieser unbequemen „Übergangsphase“, in der die Strähnen ihm im Gesicht hängen. „Das stört mich nicht“, behauptet er (und mustert sich „heimlich“ gern im Spiegel …). Scheint tatsächlich so zu sein.

Die Klassenlehrerin allerdings schrieb mir deshalb neulich eine E-Mail, in der sie mir mitteilte, dass P. ein Haarband brauche, um besser arbeiten zu können. Er sitze immer auf eine Hand gestützt da, und das läge ihrer Meinung nach am längeren Haar. Na gut: Wir legen ein paar Haarbänder in P.s Ranzen – ganz zufrieden ist mein Sohn damit nicht, obwohl die Teile „handmade“ und wirklich toll sind. P. sagt, er kommt auch ohne klar. Wir wollen doch aber seine Lehrerin schön bei Laune halten … Ich stelle also die entscheidende Frage: „Friseur oder Haarband?“ P. überlegt nicht lange, antwortet selbstsicher: „Band bitte!“

Problem“ gelöst: mit Band und Spange
Und dann beichtet er: „Du Mama? Ich hab ehrlich gesagt keinen Bock, in der Schule gerade zu sitzen, möchte mich lieber auf meiner Hand abstützen. Und am liebsten trage ich offen, weil ich dann den Wind so schön spüre.“ Irgendwie war mir das klar; ich unterdrücke ein Grinsen. „Das verstehe ich, trag Dein Band bitte trotzdem. Oder … Nimm eine Spange.“

Und da kommt mir auch schon eine Idee: Ich beklebe einige meiner Haarspangen mit kleinen Legosteinen und Motiven wie Drachen – ein echter Hingucker, wie ich finde. P.s Kumpel S. ist fast neun Jahre alt und trägt schon seit längerem solche Haarspangen, „weil er Stirn- und Gummibänder nicht so mag“. Na also; ich freue mich für meinen Sohn, dass er einen Kumpel wie diesen hat – gerade jetzt auch in diesem Alter, in dem es immer wichtiger wird, was die Freunde denken. Und die sind – zum Glück – allesamt keine Dämlacke (Entschuldigung).

Löwenmähnen-Bändiger!
Am nächsten Morgen erklärt er sich also freiwillig bereit, sein dickes, welliges Braunhaar ab sofort im Unterricht aus dem Gesicht zu halten. „Stell Dir vor, Du bist Dein eigener Löwenmähnen-Bändiger!“, schlage ich vor. P. kichert. Dieses Bild findet er so richtig gut.

P.s Lehrerin schreibt mir übrigens noch am gleichen Vormittag, einige Kinder hätten geschmunzelt oder gekichert als sich der Sohni sein Stirnband aufzog, „aber er ist klar selbstbewusst und steht definitiv zu seinem langen Haar.“ Na klar! (Wie wunderbar.)