Zwischen Faszination, Freude und Furcht – wie es ist, ein Papa zu sein


Ein Vater berichtet aus seinem Alltag mit drei Töchtern

Wie fühlt es sich eigentlich an, Vater zu sein? Was ist toll dran und was eher nicht so? Was treibt so ihn um – und an?
Kürzlich hatte ich einen richtig tollen Papa im Interview: Thomas, 41 Jahre alt, freier Autor von Hörspielen, Hörbüchern, Romanen und gegenwartsliterarischen Texten aus Geesthacht – und war ehrlich überrascht von seinen aufrichtigen Antworten auf meine doch ziemlich persönlichen Fragen.

Thomas, Du bist gerne Papa. Oder?
Ja, meistens. Meine Frau und ich haben zwei Pflegetöchter mit starken Bindungsstörungen im Alter von zwölf und elf Jahren sowie ein leibliches Kind, ein Mädchen von vier Jahren. Sie sind alle drei grundverschieden, das ist spannend: Während die eine total strebsam ist, nimmt die andere Manches gerne auf die leichte Schulter und glaubt, das Glück stets auf ihrer Seite zu haben. Und unsere Kleinste entdeckt und erkundet gerade die Welt. Die jeweiligen Entwicklungen der Kinder zu beobachten und zu erleben, das ist natürlich klasse und ein echtes Privileg.

Gibt es neben all der Faszination und Freude auch Dinge, die Dir als Vater Angst machen?
Na klar, alle Eltern haben doch so ihre Sorgen. Ich bin so stolz auf meine Mädchen und glücklich, sie zu haben. Aber da ist auch immer mal mehr und mal weniger unterschwellig die Urangst, ihnen könnte etwas geschehen – oder sie könnten an die „falschen“ Leute geraten. Obwohl ich der Meinung bin, sie müssen viele Erfahrungen selbst machen, möchte ich sie doch immer wieder beschützen und behüten.

Wie gehst Du mit dieser Sorge um?
Ehrlich gesagt ist es eine Gratwanderung zwischen: sie „einsperren“ wollen und sie allein in die Welt hinaus gehen lassen.
Vielleicht erzähle ich an dieser Stelle eine kleine Anekdote, um es etwas verständlicher zu machen: Ich war mit einigen Kumpels unterwegs. Es kam eine junge Frau auf uns zu, sehr attraktiv. Meine Ehefrau war zu diesem Zeitpunkt hochschwanger mit unserem dritten Mädchen. Meine Kumpels so über die Fremde: „Wow, was für ein Geschoss!“ Und so weiter. Da dachte ich nur: „Auf solche Typen wird eine unserer Töchter auch mal stoßen.“ Andererseits sind meine Kumpels allesamt selbst tolle Väter und prima Ehemänner. Dennoch: Für mich fühlt es sich an wie ein Tanz auf dem Vulkan.

Verstehe. Und sie werden so schnell groß, unsere Kids, nicht wahr? Wie geht es Dir damit?
Es ist doch verrückt oder? Mir fällt da ehrlich gesagt immer Reinhard Mey mit seinem Song „Kleines Mädchen“ ein. Er beschreibt darin, wie sein kleines Mädchen gestern noch Schutz auf seinem Schoß suchte und heute als junge Frau bereits Bänder im Haar hat. Es trifft mich immer wieder und macht mich glücklich und traurig zugleich. Meiner Frau geht das übrigens auch so.

Ja, alles hat eben mindestens zwei Seiten … Da werden wohl die allermeisten Eltern wehmütig. Darf ich fragen, wie es um eure Paarbeziehung steht, seit ihr Kinder habt?
Wir sind seit 21 Jahren ein Paar, meine Frau war zum Zeitpunkt unseres Kennenlernens gerade einmal 18 und ich 20 Jahre alt. Das ist natürlich eine lange Zeit zusammen. Sie ist Lehrerin und Künstlerin, es ist unglaublich, was sie alles auf die Beine stellt. Als Team sind wir wirklich spitze, ziehen an einem Strang und haben gemeinsame Ziele …

Höre ich da ein „Aber“ heraus?
Naja, wir haben offen gestanden kaum Zeit für uns beide – und uns wahrscheinlich deshalb etwas aus den Augen verloren – auch sexuell. Das macht mich ziemlich traurig. Wir Eltern bauen uns leider immer wieder eigene Gefängnisse und vergessen, wie man die Türen öffnen kann: Die Miete muss gezahlt werden, die Kinder haben Hunger, wollen spielen und beschäftigt werden … Meine Frau möchte malen, ich möchte auf Konzerte oder reisen. Hach, da sind viele Bedürfnisse, die da aufeinanderprallen. Wir haben uns selbst Ketten angelegt, die wir wachsen lassen, um es einmal mit Charles Dickens zu sagen.

Ich glaube, das geht doch aber den meisten Menschen in Langzeitbeziehungen so – nicht nur denen mit Kindern. Oder?
Ja, das denke ich auch. Leider. Eine Patentlösung gibt es da wohl nicht. Jedes Paar muss selbst schauen, wohin es der Weg führt. Oder was meinst Du?

Mhm … ja. Zum Glück bin ich heute nur die Fragestellerin … Ich sage nur „Coolidge“ … Wollen wir das einmal so stehen lassen?
Gern. Es ist nun einmal so.

Danke, lieber Thomas, für das offene Gespräch.
Besten Dank zurück, gern wieder.

Was ich denke: „Halt doch endlich mal die Klappe!“ Und was ich sage: „Schatz, könntest Du bitte etwas leiser sein? Mama hat Kopfweh.“

Sommerferien, juhu? Von wegen: Ich habe zur Zeit so richtig die Nase voll – von einfach allem. Von diversen Krankheiten, (Fast-)Knochenbrüchen und ja, auch von meinen Kindern! Vielleicht sogar vor allem von denen. Was ich manchmal über sie denke und was ich dann stattdessen zu ihnen sage: Das sind zwei verschiedene Paar Schuhe. Naja, fast immer …

Ich brauche Ruhe!
Ende Juli. Die Sommerferien haben gerade begonnen, und wir haben in den ersten „freien“ Tagen bereits einen halbgebrochenen großen Zeh (bitte fragt nicht; aber falls ihr es doch wissen möchtet: Ich konnte den Kampf mit dem schweren, dicken Wasserglas einfach nicht gewinnen) und Corona bei uns allen vieren hinter uns gebracht. Auf den Punkt: Mir ist nach Ruhe; heute ist mir so richtig nach Ruhe. (Hört ihr, wie sehr ich nach RUHE schreie?)

Mama, Mama, Mama!“
Ihr könnt es euch schon denken: Die Kinder langweilen sich natürlich. Und bis wir zu meinen Eltern an die Ostsee fahren, dauert es noch ein paar Tage. Ich sollte packen und fühle mich aber virusbedingt noch immer ziemlich schlapp und sowas von müüüüüde. Und sie – meine beiden Jungs – rufen fortwährend „Mama!“. Gefühlt alle fünf Sekunden. (Papa? Ist schon wieder arbeiten.) „Waaas?“ Ich. „Mir ist langweilig, Mama.“ Der fast Sechsjährige mault herum und zieht die totale Flunsch. Und weiter: „Mama! Was kann ich jetzt spieleeeen?“ Mir doch jetzt echt mal egal! Denke ich, sage aber stattdessen: „Frag doch bitte Deinen Bruder, ob er mit Dir Lego bauen möchte.“ Nein, will er nicht. Scheiße, verdammte. Denke ich, sage aber wesentlich höflicher: „Schade. Und kneten?“ Nee, die Knete ist „so doof vermischt“. Okay, die Farben sind dann wohl nicht mehr so attraktiv, wie sie mal waren … Auch malen ist out, Karten spielen sowieso. Kackfuck!

Geh mir nicht auf die Eier!“
Natürlich denke ich dieses zusammengesetzte Wort nur – und weiterhin Sätze wie: „Mann, geh mir doch jetzt nicht auf den Sack!!“ Ja, ernsthaft. Und ich habe nicht einmal einen. Auch das denke ich. Und dann denke ich noch, dass ich denken könnte: Geh mir nicht auf die Eier! Ja, das geht. Davon habe ich sehr viele. Ich freue mich diebisch-grinsend – und schrecke sowas von zusammen, als plötzlich mein fast Neunjähriger neben mir am Schreibtisch steht. Er fragt, ob wir „biiiitte bitte!!!“ ein paar Körbe in der Einfahrt werfen können. „Ich habe Kopfweh, Süßer.“ Er schlägt vor, dass ich versuche, den Basketball im Sitzen durchs Netz zu hauen. Ich will aber nicht! Sitzen will ich schon. Aber NUR das. Ohne werfen. Ich bin angeschlagen, müde, lustlos – und wenn das hier so weitergeht, gleich auch noch echt übel gelaunt. „Tut mir wirklich leid, Schatz. Heute nicht. Morgen wieder, ja?“ Ich streichele ihm über den Kopf, als er gespielt melodramatisch jammert und wie ein Kleinkind quengelt. Alter, bist Du zwei Jahre alt oder was?! Ihr wisst schon: Auch das sage ich natürlich nicht laut. Es ist alles nur in meinem Kopf …

Ruhe jetzt!“
Boah, sie spielen allein. Endlich! Fast schon hätte ich mich darüber gefreut, doch ach. Ist das LAUT. „Kinder, könnt ihr bitte etwas leiser sein? Ich habe Kopfweh!“ Autsch. Rufen tut weh. Ich glaube, das haben sie nicht ganz verstanden: Das Geschrei nimmt einfach kein Ende. „Bitte!“, setze ich hinzu. Könnt ihr jetzt endlich die Klappe halten!? Nein, Mama, das brüllst Du nicht; Du nimmst Dich brav zusammen. Was für ein Vorbild möchtest Du denn bitte sein …

„Mama!!! K. hat mich geschubst!“ Und dann passiert es: „RUHE!“ brülle ich. Und bin echt nicht stolz drauf. Immerhin herrscht jetzt seltsamerweise genau das: Ruhe. Echt jetzt? Da versucht man es die ganze Zeit in sanftem, wohlmeinenden Ton, und dann hilft nur noch eines: herumschreien? Ich bin desillusioniert vom Leben … Doch halt! Da ist ja zum Glück diese eine Sache … die Retterin aus meiner Not! Kaffee! (Und Kaffee soll weiblich sein? Ja! Und wehe, ihr widersprecht mir heute!)

Zum ersten Mal allein auf Klassenfahrt – und alle drehen durch

Mein fast Neunjähriger fährt zum ersten Mal für drei Tage mit der Klasse weg. Es geht zur Thülsfelder Talsperre. Vor allem die Mamas in meinem Umfeld machen sich total verrückt, während ich mich eher frage: Bin ich eine schlechte Mutter, weil ich mir fast keine Sorgen oder zumindest Gedanken mache und darauf vertraue, dass die Lehrerinnen das alles schon deichseln werden?“

„Der Abschied wird ihm so schwerfallen, das weiß ich jetzt schon!“ – „Was, wenn sie abends weint und nach Hause will?“ – „Ob er sich ernsthaft verletzen wird? Er ist doch so ein wilder Strick!“ – „Und was, wenn sie nicht einschlafen kann?“
Schon im Vorfeld zur Klassenfahrt machen sich die Muttis der Kinder aus den Klassen 3a und 3c mit derartigen Fragen völlig fertig. Und sie tun mir auch ein bisschen Leid, denn immerhin reden wir hier von der allerersten Klassenfahrt im Leben unserer um die neunjährigen Schützlinge. Und während die Frauen so klagen und bangen, stehe ich etwas eingeschüchtert daneben und frage mich ernsthaft, ob mit mir etwas nicht stimmt, weil ich mir keine Sorgen machen.

Giraffenaffen und Gespräche
Beim Packen drehen P. und ich die „Giraffenaffen“ lauter und legen – oder werfen – in den Koffer, was er so alles braucht: Klamotten für drei Tage (und einmal Ersatz, ihr wisst schon), Handtücher, Waschlappen und Seife, Zahnbürste und -creme, Badehose und -kappe (er hat langes Haar), Buch und so weiter und so fort. Wir haben ziemlich gute Laune. Und doch merke ich, dass er selbst sich natürlich sehr mit dem Thema „ich allein auf weiter Fahrt“ auseinandersetzt. „Mama, ich habe ein bisschen Angst …“ Klar hast Du das, hatte ich auch … „Davor, dass ich nach Hause möchte.“ Verstehe ich und schnappe mir den kleinen Kerl für ein aufheiterndes Gespräch mit gedanklichen Lösungsansätzen für seine Befürchtungen. Und weil seine Mutter eine fürchterliche „Übertreiberin“ ist, beginnt er schon wieder zu kichern.

Planschen, Pups und … Periode
Wie stolz er hinterher sein wird, dass er das geschafft hat! Das denke ich nicht nur, sondern spreche es laut vor meinem Söhnchen aus. Weil ich noch genau weiß, wie es sich anfühlt. Und ich denke zurück an meine allererste Klassenfahrt mit neun Jahren nach Prerow. Fischland Darß, wie wunderschön das war, wie aufregend … Ich erzähle meinem kleinen, doch schon ziemlich großen Jungen, was wir Kinder dort alles erlebten: wie wir im Meer schwammen, am Lagerfeuer saßen, Würstchen und Kartoffeln grillten, wie wir abends im Bett über unsere Pupse lachten. Ja sogar, wie ein fast zehnjähriges Mädchen während des Aufenthalts zum ersten Mal ihre Periode bekam … P. staunt. Er bekommt schon lange mit, dass seine Mama dann und wann blutet. Aber dass das schon so jungen Mädchen passieren kann, ist neu für ihn, und er bleibt etwas an dem Thema kleben. Er fragt interessiert, ich antworte geduldig. Dieses Gespräch dort auf seinem Kinderzimmerfußboden werde ich nie vergessen. Und auch nicht die Dankbarkeit, die ich in diesem Augenblick fühlte: Ich habe als „Jungsmama“ die ziemlich einmalige Chance, meinen beiden Bengelchen „die Welt der Frauen und Mädchen“ zu erklären – und dabei aufzuräumen: mit vielen blöden Klischees und Halbwahrheiten bis Dummheiten, die über das weibliche Wesen kursieren.

Es geht los!
Am Tag der Abreise ist P. ganz hibbelig. Verständlich, denn gleich geht es los! Ich bringe ihn überpünktlich zum Busbahnhof der Schule. Wir schauen zu, wie die Kinder nach und nach eintrudeln und dann auch die Klassenlehrerin. Sie nimmt wichtige Dokumente entgegen und prüft, wer schon anwesend ist. P. gibt mir einen Kuss und rennt mit den anderen Kids auf den Pausenhof. Einfach so. Ganz einfach. Okay, jetzt wird mir doch ein bisschen seltsam ums Herz. Ich schaue ihm noch eine Weile nach, mache einmal laut „hm“ und gehe gedankenversunken nach Hause …
Einen Tag später berichtet die Klassenlehrerin per E-Mail von einem kleinen (nicht wilden) Vorkommnis und schickt uns Eltern ein Foto: Darauf planschen planschen die Kids vergnügt in flachem Gewässer. Ich seufze und freue mich auf P.s ausführlichen Bericht (in dem es später um die Übernachtungen mit stundenlangen Gequatsche, das Baden im See und – ja – auch ein bisschen Heimweh gehen wird.)

„Alles nervt!“ Diese Dinge und Situationen stören Mamas und Papas am Elternsein am meisten

Wer kennt sie nicht, die Tage, an denen man nur noch genervt ist – von sich selbst, von den Kindern – und vor allem vom Elternsein. Ich habe mich in den sozialen Medien einmal umgehört, was Vätern und Müttern in ihrem Alltag zu schaffen macht.

Ich beginne heute mal ganz spontan mit dem folgenden Statement eines Freundes, das eigentlich vielmehr eine willkürliche Aneinanderreihung von Gedanken ist: „Alles muss man hinterher tragen … Mann, ist das ein Muttersöhnchen … Sie hat schon wieder keine Lust mitzuhelfen … Sogar das Denken muss man ihm abnehmen … Ich muss um alles bitten, kritisieren und viel nerven … Aber Mist! Es sind ja meine Gene, und ich war nicht anders als meine Kids!“ Hermann, 69 Jahre alt, aus Oldenburg lacht herzhaft, nachdem das alles raus ist. Und ich lasse es einfach mal unkommentiert so stehen.

Die Erwartungen der anderen
Thomas ist Mitte 40 und fühlt sich als Vater, Ehemann, Sohn und Freund oft „zwischen den Fronten aufgerieben“. „Da sind so viele Erwartungen auf allen Seiten“, erzählt der Hamburger. „Ich persönlich fühle mich immer sehr erschöpft, wenn Termin auf Termin fällt und man dann um Verständnis bittet – das einfach nicht vorhanden ist.“ Welche konkrete Situation kann er da beispielhaft nennen? „Meine beiden großen Kinder sind Teenager und zur Zeit unglaublich unzufrieden und lustlos. Anstatt allein – und ohne mich! – zum Freund oder zum Training zu fahren, ziehen sie sich maulig aufs Zimmer zurück. Das ist deprimierend und macht den Alltag nicht leichter.“

Die Erwartungen an sich selbst
Auch Katrin aus Wardenburg kann vom Alltagsfrust ein Liedchen singen. Die 47-Jährige hat zwei Kinder, eine Teenie-Tochter und einen Drittklässler. „Gerade uns berufstätigen Müttern wird zu viel abverlangt – nicht nur von der Gesellschaft, der Verwandtschaft und dem Freundeskreis. Wir selbst fordern auch zu viel von uns. Mutter sein, alleinerziehend, selbstständig: Als würde das nicht schon reichen, soll ich noch die ‚perfekte‘ Hausfrau, Köchin, Taxifahrerin, Hausaufgabenhilfe, Managerin, Geliebte, Freundin und Streitschlichterin sein? An manchen Tagen gelingt das vielleicht in Ansätzen, aber an anderen geht es nach hinten los.“ Und was macht sie dann? „Ich habe zum Glück gute Freundinnen, mit denen ich reden, lachen und weinen kann. Das ist Gold wert. Insgesamt sollte es uns Mamas aber weniger wichtig sein, was andere über uns denken.“

Der ständige Vergleich
Was das anbelangt, so steckt auch der 41-jährige Thomas mitten in einem Lernprozess. „Ich muss nicht alle Wünsche erfüllen. Aber es fällt mir schwer zu akzeptieren, dass ich auch meinen eigenen Ansprüchen nicht immer genügen muss. Ich darf mich selbst nicht vergessen und brauche auch mal Zeit für mich.“ Daran müsse sich der Vater dreier Kinder immer wieder selbst erinnern. Und dann ist da noch eine andere Sache – nicht weniger brisant: „Die Konkurrenz zu anderen Eltern strengt mich an. Ich glaube schnell, ein schlechter Vater zu sein, weil ich nicht alles tue, was andere Eltern für ihre Kinder machen. Doch diese Eltern verlieren sich ja auch, wenn sie erschöpft sind und ihre Träume nicht verwirklichen. Wir müssen uns von den Erwartungen anderer freier machen.“

Die Vorurteile und Bewertungen
Anja aus Stralsund ist 44 Jahre alt und fühlt sich ebenfalls oft überfordert und müde. Die Mama eines 15-jährigen Sohnes mit Entwicklungsverzögerung, Epilepsie und frühkindlichem Autismus beklagt sich vor allem über die „Blicke der anderen“. Eine Meinung bilde sich der Mensch schnell, doch leider, ohne sie wirklich zu hinterfragen. „Die Leute denken, ich käme mit meinem Kind nicht klar, haben Vorurteile. Alle reden von Inklusion, doch es passiert viel zu wenig.“ Es müsse mehr und intensiver über Behinderung aufgeklärt werden. „Immer noch werden Gehandicapte seltsam angesehen. Es braucht offene Menschen, eine offene Sichtweise. Es gibt sie ja, die guten Seelen, die alles für ein Miteinander tun. Aber die sind rar gesät.“

Das veraltete Schulsystem
Betrübt zeigt sich auch Doreen aus Hamburg – aber sie vor allem über das hiesige Bildungssystem. „Schule ist zu einem System geworden, das systematisch die naturgegebene Freude der Kinder am Lernen erstickt. Alles ist veraltet: Die Ausbildung der Pädagogen, die Lehr- und Lernmethoden, Hausaufgaben, Noten … Meine vier Kids sind in der elften, neunten, siebten und zweiten Klasse und kommen immer häufiger gelangweilt und unmotiviert nach Hause. Vordenken ist nicht gefragt, nur Mitdenken und ‚Hinterherdenken‘. Und wir Eltern müssen das auffangen: den Frust, die Ängste, die Selbstzweifel. Und dann sollen wir noch mit Positivem aufwarten. Doch woher soll die Zuversicht kommen? Die jungen Leute sehen doch, wie wenig ihre Zukunft aktuell gerettet wird. Und doch sollen wir ihre Hoffnung nähren, sie zu Zukunftsgestaltern befähigen. Das ist eine Mammutaufgabe, doch wir Eltern stehen allein da.“ Was könnte man ihrer Meinung nach tun? „Schule muss überall stattfinden: raus aus den Gebäuden, rein in die Gesellschaft! Das komplette System muss geändert werden. Jugendliche sind so voller Ideen; lasst uns diese annehmen!“

Und auch das lasse ich jetzt einfach mal so stehen.
Unkommentiert.

„Jungsmamas“ in spe, aufgepasst! Auf diese zehn Dinge könnt ihr euch gefasst machen

Ein Leben mit Söhnen ist anders als ein Leben mit Töchtern? Das mag sein. Andererseits ist jedes Kind ein Individuum und somit schon an sich ‚anders‘; Verallgemeinerungen sind mir fremd, aber Tendenzen gibt es in meinen Augen so einige. Ich habe einmal eine Reihe von „wahren und unwahren Klischees“ aus meinem eigenen Zusammenleben mit dem männlichen Geschlecht zusammengetragen. Viel Spaß beim Lesen – und überseht bitte nicht das Augenzwinkern zwischen den Zeilen. (Dies ist eine Kolumne und keine wissenschaftliche Arbeit.)

1. Stellt euch auf laut und lebhaft ein

„Bitte seid etwas leiser!“ Ich weiß nicht, wie oft ich diesen Satz während meines bald neunjährigen Mamaseins bisher gesprochen – oder vielmehr: gebrüllt – habe. Ihn zu sagen oder zu rufen ist in etwa so effektiv wie … Nein, wir wollen es nicht vergleichen. Denn das Gefühl des Nicht-Erhörtwerdens ist unvergleichlich grausam, vor allem für meine Ohren. Jungs, Kinder, müssen ja laut sein – sage ich mir dann –, um sich zum Bespiel „ihren Platz in der Nahrungskette“ zu erarbeiten. Mein Verständnis ist da, gute Nerven leider manchmal nicht. Und was mache ich, wenn es mir zu bunt wird? Dann wechsele ich den Raum – oder besser gleich die Etage.

2. Jungs lachen über Gase

Ein Klischee? Leider nicht. Es ist die reine Wahrheit – zumindest bei uns zu Hause. Wenn der Achtdreivierteljährige laut rülpst, kriegt sich der Fünfdreivierteljährige vor Lachen nicht mehr ein. Es ist ein Gekicher und Gegacker sondergleichen. Das Gleiche gilt für Mundgeräusche, Körpergeräusche, Fürze jeder Art. (Das erinnert mich spontan an meine Kindheit und diesen einen Freund. Kennt ihr das Spiel „Furz anzünden“? Nicht? Besser so.)

3. Jungs vergleichen ihre Schniedel

Ist so. Und wird vermutlich immer so sein und so bleiben. Was sagte vor einer Weile gleich noch der Größere zum Kleineren? „Dein Pullermatz ist echt hübsch.“ – „Ja, danke. Deiner aber auch!“ Mehr gibt es dazu eigentlich gerade nicht zu sagen.

4. Jungs sind „körperlicher“

Ja, körperlich sind Mädchen auch, ich weiß. Ich bin ja selbst eins. Und was war ich für ein Wirbelwind, der mit Ästen durch den Wald rannte und auf Bäume kletterte. Ich meine jetzt aber diese ganz spezielle „Körperlichkeit“, die Jungs da an den Tag legen. Sie raufen, rangeln miteinander und reißen sich zu Boden. Sie „kämpfen“ (und dabei ist es egal, ob sie jemals mit Kampf-Thematiken in Berührung kamen oder nicht), um dann kuschelnd und ineinander versunken auszuruhen. Wie war das noch gleich mit der Rangfolge? Jungs „klären“ manchmal auch ihre Streitereien „anders“ als Mädchen. Aber das ist wieder ein Thema für sich. Fakt ist: Jungs wollen (sich und ihre Grenzen) spüren.

5. Jungs sind sensibel

Meine zwei Buben sind meist wild und frech – und frei (und das eben finde ich wunderbar und wünsche es mir für alle Menschen dieser Welt). Ja, aber sie haben auch diese andere Seiten: die sensible. Und eine ganz loyale und aufrichtige: Sie unterstützen sich gegenseitig, verteidigen und schützen den anderen – sogar vor uns Eltern. Und sie machen sich viele tiefgründige Gedanken. Deshalb brauchen sie von uns Eltern Aussagen wie: Du darfst sein wie Du bist; Du bist auch – und gerade dann – ein ganzer Kerl, wenn Du über Deine Emotionen sprichst. Ich liebe Dich genau so wie Du bist. Et cetera perge perge.

6. Einfach immer schmutzige Kleidung

Tatsache: Es ist des Waschens kein Ende. Meine Freundin nennt es „den Kampf mit der Waschmaschine“. Und sie hat recht: Das Shirt oder/und die Hose stellen spätestens am Abend eine Art „Aktivitäten-Landkarte“ an den lebenden Objekten – meinen beiden Söhnen nämlich – dar. Was gab es heute zu essen? Wie und wo haben die Kinder gespielt? Alles abzulesen an besagter Karte. Die Hose kann er doch morgen noch mal anziehen? Kannste vergessen.

7. Autos, Dinos und Fußball

Kann sein. Muss es aber nicht. Also vor allem bei Rennautos, Rollern und Raubsauriern sage ich: Ja, hier auch. Doch der Fußball hat bei uns leider keine Chance. Da das bei vielen anderen Bengelchen aber anscheinend genetisch bedingt ist: Stellt euch als Eltern zumindest auf irgendeine Ballsportart ein (es gibt ja auch noch Badminton). 😉 Bei unseren Acht- und Fünfjährigen Lausbuben stehen zur Zeit Themen wie das Universum, Beyblade und Schach (oh – und wie!) hoch im Kurs.

8. Jungs sind „nicht so schulkompatibel“

Mein bald Neunjähriger hat eine – wohl von mir ererbte – „Sauklaue“. Belohnt wird in der Schule ja aber die „schöne und saubere Schrift“, das motorisch feine Malen. Leider kommt die Grobmotorik (das Stichwort ist hier: Kraft) da etwas zu kurz. Jungs sehnen sich nach Abenteuern. Und die bietet Schule selten. Ich bin froh, dass unser Junge wenigstens das Fach „Werken“ hat. Hier darf er hämmern, basteln, feilen, mit seinen Händen anpacken. Jungs sind meiner Erfahrung weniger bereit, zu büffeln, um tolle Note zu erhalten. Doch genau das wird dann als „schulisch faul“ bewertet. Hinzu kommt: Die Lebendigkeit, die viele Jungs ausstrahlen, empfinden viele Lehrer als störend. Mädchen werden mit ihrer ruhigeren art da als „angenehmer“ empfunden.

9. Jungs wollen kuscheln!

Bitte was? Sind es nicht immer die Kerlchen, die schreiend vor Mamas und Papas Zärtlichkeiten davon laufen? Eben nicht! Von Anfang konnte ich ihnen an Zärtlichkeiten eigentlich nie genug geben. „Mama, streichelst Du meinen Rücken?“ oder „Mama, kraulst Du meinen Kopf?: Immer wieder suchen sie meine Nähe, nehmen in unsicheren Augenblicken meine Hand oder möchten eine Umarmung. Zärtliche Berührungen setzen Oxytocin frei, ein Hormon, das die Bindung fördert. Das gilt natürlich für Jungen wie für Mädchen. Aber ich hörte schon so oft Aussprüche wie: „Schade, dass Jungs nicht so gern kuscheln.“ Und das stimmt einfach nicht. Deshalb möchte ich mit diesem Vorurteil aufräumen.

10. Bleibt locker – und entspannt

Jungs brauchen entspannte Eltern. Bei allem, was sie tun. Sie tun es nicht gegen Dich. Sie tun es einzig für sich. Wann, zum Geier, hat der Mensch eigenen begonnen, alles persönlich zu nehmen? Und wann haben wir begonnen, so ein Gewese ums Geschlecht zu machen? Entspannt euch! Bleibt locker! Kinder sind Kinder. Sie sind noch klein, sie wollen alle nur drei Dinge: Liebe, Liebe. Ach ja – und Liebe.

Mein Leben mit Söhnen