Schlagwort-Archive: sprache

Sei kein Frosch!

Am Morgen belausche ich in der U-Bahn das Gespräch zweier Jungs um die zwölf Jahre.
„Wollen wir nach der Schule noch zu Lucas?“
„Hm … Geht nicht, ich muss heim, Hausaufgaben machen.“
„Hä? Die kannst Du doch später noch machen! Lass uns ’n bisschen zusammen zocken!“
„Beim letzten Mal hast Du auch gesagt, wir kommen rechtzeitig nach Hause. Und dann war ich viel zu spät dran, und meine Mutter war dann echt sauer …“
Der andere Junge grinst. „Mensch, sei kein Frosch! Ruf doch Deine Mutter an und frag sie, Du Feigling.“
Der Ängstliche zückt sein Handy. Sein Gesichtsausdruck verrät, dass es ihm nicht besonders gut geht.

Was haben Frösche eigentlich mit „Feigheit“ zu tun?
Die Erklärung ist denkbar einfach: Als Fluchttiere sind Frösche sehr schreckhaft. Schon bei der kleinsten Bewegung hüpfen sie davon.

In Storkow haben es Frösche nicht leicht.

Dasselbe in Grün

6.55 Uhr. Auf meinem altberliner Hinterhof knallt und scheppert es gewaltig. Ach je, die Müllmänner holen die Tonnen. Ich tappe zum Fenster und knalle es lautstark zu. Sollen die doch mitkriegen, dass sie ruhig etwas leiser sein könnten. Hm, hoffentlich habe ich jetzt keine anderen Menschen geweckt. Und schon tuts mir wieder Leid.

Ich krabbele zurück in mein Bett und ziehe die Bettdecke bis über beide Ohren. Kalt. Und es ist noch so ungemütlich dunkel draußen. Da könnte ich doch ruhig noch etwas liegen bleiben … Aber es hilft alles nichts: Ich muss aus den Federn. Alles andere wäre grob fahrlässig bei dem, was heute noch in meinem Terminplaner steht. Zeitmangel. Filterkaffee oder Instant? Naja, im Grunde ist das ja dasselbe in Grün. Hauptsache Koffein jetzt.

Dasselbe in Grün. Wenn wir in zwei Dingen keinen oder keinen großen Unterschied feststellen können, verwenden wir dann und wann diesen Ausdruck. Ja, und warum ist etwas dann nicht dasselbe in Rot, Gelb oder ja … Blau? Warum aber dasselbe in Grün und nicht in Blau oder Rot?

Es ist anzunehmen, dass diese Redewendung aus der Automobilbranche stammt. 1921 brachte der französische Hersteller Citroën sein Modell „CV5“ heraus. In Deutschland begann Opel drei Jahre später,  Autos in Serie herzustellen. Das erste Auto in Massenproduktion hierzulande war der Opel 4 PS. Er war nicht nur klein, sondern auch nur in grüner Farbe erhältlich. Umgangssprachlich wurde das Auto deswegen auch „Laubfrosch“ genannt. Und jetzt zum Wesentlichen: Weil der Opel 4 PS nun eine Kopie des französischen CV5 war (der wurde nur in zitronengelb hergestellt), war er eben dasselbe (Auto) in Grün.

Die gleichen in bunt: Tragschrauber in Hildesheim

Zieh Leine!

Unterwegs in der Bergmannstraße. „Tiefstes Kreuzberg“. Hier tobt das Leben, und immer wieder fasziniert mich das. Vor mir auf dem Bürgersteig steht ein junger Mann um die 30. Der dünne Kerl hält eine rote Rose in der Hand und schaut verzweifelt an dem Haus hoch, vor dem er steht. Er macht mich neugierig. Ich bleibe stehen und schaue ebenfalls an der Häuserfassage hoch.

Mein Blick bleibt an einem rothaarigen Mädchen mit traumhafter Mähne haften, das aus einem der Fenster schaut. Sie macht ein missmutiges Gesicht. Das steht ihr gar nicht. Oh oh, ich ahne es: Diese Situation hier bedeutet Stress. Langsam und unauffällig bewege ich mich weiter.

„Mann, zieh endlich Leine! Ich will nichts von Dir!“ Sie schreit den jungen Mann an und knallt das Fenster zu. Ich fahre zusammen. Wie gemein. Mitleidig schaue ich ihn an. Er schaut zurück. „Da soll mir mal jemand sagen, dass ich nicht aufgeben soll. Ey, mir reichts!“ Er geht, die Schultern hängen. Ich kann ihn gut verstehen.

Mit der Redewendung Zieh Leine! fordern wir jemanden unsanft auf, endlich das Weite zu suchen. Höchstwahrscheinlich stammt sie aus der Binnenschifffahrt: Damals zogen noch Menschen und Pferde Kähne an dicken Leinen stromaufwärts. In ärmeren Gegenden wird noch heute „getreidelt“.

Auch ordentlich PS: Pferderennen in Hoppegarten

Arschkarte

8.00 Uhr am Morgen. Die Hauptstadt ist längst erwacht. Zwei etwa zwölfjährige Jungs sitzen mir in der S-Bahn gegenüber. Zwei schwere Schulranzen sind ihre Begleiter. Einer der Jungen stöhnt laut auf. „Mann, immer krieg ich die Arschkarte.“ Er beklagt sich darüber, wie nervig seine kleine Schwester heute beim Frühstück war, dass sie ihn geärgert habe. Und wer hat dann die Schuld am Streit bekommen? Natürlich er. Der Freund nickt mitfühlend. Das kann er verstehen. „Na, bald sind Ferien, da machen wir dann was Schönes zusammen!“ Er grinst. Ein wirklich guter Freund.

Die Arschkarte ziehen. Hierzulande dürfte dieser Ausdruck wahrscheinlich jedem bekannt sein. Doch woher diese Redewendung stammt, ist noch immer nicht ganz klar.

Meine favorisierte Vermutung: Beim Fußball trug früher der Schiedsrichter die Gelbe Karte in der Hemdtasche, die Rote Karte steckte in der Gesäßtasche. Häufige Spekulation hierbei: Die beiden Karten steckten an zwei verschiedenen Orten, da man ihre Farben wegen des Schwarz-Weiß-Fernsehens nicht unter scheiden konnte … Wie dem auch sei: Wem der Schiedsrichter die Arschkarte zeigte – nämlich diejenige, welche in der Gesäßtasche steckte -, flog vom Platz. Unangenehm. Aber so einfach war das.

Und auch heute noch gebrauchen wir diese Phrase, wenn uns etwas Unangenehmes passiert ist.


Schülerinnen in der S-Bahn


Pennen in der Penne?

Mein Liebster und ich reden über die Vergangenheit. Er erzählt mir von einem Freund, den er schon seit der „Penne“ kennt. Wieder so ein Wort. Penne. Heißt das so, weil man in der Penne vor Langeweile manchmal einpennt? Ich mache mich schlau: Der flapsige Ausdruck für eine gehobene Schule hat nichts mit schlafen zu tun. Schade eigentlich. Die „Penne“ hat ihren Namen vom damals noch üblichen Federkasten. Aha, penna ist Lateinisch und heißt Feder. Das hätte ich mir ja auch gleich denken können.